Von Dieter Ungelenk

Bamberg, Kronach, Rödental, Hof: Die Blutspur zieht sich quer durch Oberfranken. Mal endet ein freudloses Anglerleben recht mafiös in den Fluten des Mains, mal landet ein Kulmbacher Brauer final im Sud. Acht Morde in zwei Tagen halten Kriminalhauptkommissar Haderlein in Atem – und in Kürze auch das Publikum: Am 17. Februar erscheint im emons-Verlag der Franken-Krimi „Das Alabastergrab“.

Als Autor gibt Helmut Vorndran damit sein Debüt – auf einige Vorschusspopularität kann er dennoch bauen: Als Urgestein des Bamberger Kabaretttrios TBC ist der 48-Jährige bayernweit ein Begriff. Der satirische Sound, mit dem er den Leser auf Anhieb gewinnt, passt denn auch bestens ins Bild. Doch was als saloppe Krimi-Klamotte voller kurioser Typen beginnt, steigert sich virtuos zum packenden Thriller, der die Spannung 360 Seiten lang forciert und bis zuletzt mit raffinierten Wendungen und stilistischem Esprit fesselt.

Ohne den Sprachwitz zu verlieren, lockt Vorndran den Leser in die tiefsten Abgründe menschlicher Verkommenheit und in die schwindelnsten Höhen bayerischer Machtklüngel. Hochrangige Kabinetts-Mitglieder und honorige Würdenträger des Erzbistums Bamberg geraten ins Fadenkreuz der Ermittler, Kloster Banz wird zum Epizentrum eines skandalösen Verbrechens, das auf einem dunklen Geheimnis aus den 70er-Jahren gründet: Grausiges scheint sich seinerzeit im Ottonianum, einem katholischen Knabenseminar zu Bamberg, zugetragen zu haben. Doch der damalige Rektor Kolonat Schleycher ist mittlerweile Umweltminister und die Zeugen werden immer rarer. . . „Alle Personen dieses Romans sind frei erfunden“, versichert Helmut Vorndran – und fügt an: „Sollte sich jemand getroffen fühlen, ist er auch gemeint“.

Priester unter Verdacht: Das ist so abwegig nicht: Die fiktive Geschichte lehnt sich an Tatsachen an. Seit Juli 2008 ermittelte die Staatsanwaltschaft Bamberg gegen den ehemaligen Leiter des Ottonianums, Otto Münkemer, wegen sexuellen Missbrauchs minderjähriger Schutzbefohlener. Spiegel online berichtete am 31. Juli 2008 über den Verdacht gegen den späteren Domkapitular, der sich „wegen der Stresssituation“ nicht erinnern könne. Wenig später machte das Magazin den Selbstmord eines möglichen Missbrauchsopfers aus dem Jahr 1990 publik. Eine Anklage muss der mittlerweile von all seinen Ämtern zurückgetretene Geistliche jedoch nicht fürchten: Trotz hinreichenden Tatverdachts wurde das Ermittlungsverfahren wegen Verjährung eingestellt, meldeten die Nürnberger Nachrichten am 20. Januar 2009. Ob es zu einem kirchenrechtlichen Verfahren gegen den 64-Jährigen kommt, sei offen.

Angestoßen wurden die Enthüllungen durch die Recherchen eines Kabarettisten aus Rattelsdorf, der sich für sein Debüt als Krimiautor ein heikles Thema gewählt hatte. In seiner „intensiven katholischen Vergangenheit“ war es dem gebürtigen Unterfranken häufig begegnet, sei es als latente Andeutung oder kaschiert als Ministrantenwitz. Helmut Vorndran forschte nach, sprach mit Opfern von sexuellem Missbrauch, die ihre Erlebnisse zum Teil erst Jahrzehnte später aufarbeiten, und konstruierte eine Geschichte, „die so nicht passiert ist“, aber ähnlich abgelaufen sei – „im Ottonianum und in vielen anderen Internaten im katholisch-fränkischen Bereich“, versichert der 48-Jährige.

Als „Drahtseilakt“ sieht er es durchaus, um die ernste Problematik einen amüsant geschriebenen Krimi zu bauen – doch das Wagnis ist gelungen: Geschickt hält der Autor die Balance zwischen Tragik und Humor, an keiner Stelle läuft ihm der süffisante Grundton aus dem Ruder. Höchst plastisch zeichnet Vorndran das Personal der Geschichte, und spielt dabei vergnügt mit allerlei Genre-Klischees – vom liebenswert-vierschrötigen Hauptkommissar Haderlein über seinen testosterongeplagten Assistenten Schmitt, genannt Lagerfeld, bis hin zum durchtriebenen Polit-Priester Schleycher und zum eitel-genialen Gerichtspathologen Siebenstädter.

Natürlich finden in der geschickt gebauten Story auch zarte Romanzen ihren Platz – sowie ein Ferkel namens Riemenschneider mit kriminalistischem Riecher. Jagd durch Oberfranken Mit profunder Ortskenntnis jagt der Autor seine Figuren und Leser in einem dramatischen Wettlauf mit der Zeit durch die Region, vom Nürnberger Zoo bis zum Kreuzberg in der Rhön, von der Banzer Petrefaktensammlung bis in die Revisionsabteilung eines namhaften Versicherungskonzerns mit Firmensitz Coburg reichen die Schauplätze, ein sangesfreudiges Vestestadt-Original kollidiert mehrfach mit der Staatsgewalt und die idiomatische Vielfalt Oberfrankens kommt wirkungsvoll zum Klingen.

Auf seinen Erfahrungsschatz aus 25 Jahren kabarettistischen Vagantentums verließ sich Vorndran übrigens nicht: Sämtliche Örtlichkeiten nahm er unter die Lupe, unter fachkundiger Führung eines Kunsthistorikers inspizierte er eingehend Bambergs Sakralbauten, auch Mediziner zog er zu Rate, bevor er sich im Herbst 2007 in die Poetenkammer seiner Rattelsdorfer Main-Mühle zurückzog. „Geschrieben hab ich zwischen 23 und 4 Uhr, die einzige Zeit, wo ich Ruhe hab“, verrät der „Nachwuchs-Autor“. Künftige Nachtschichten scheinen nicht ausgeschlossen, denn sofern „Alabastergrab“ (Startauflage 4000) gut ankommt, wird es wohl kein Unikum bleiben. Beim Genre Krimi wird es vorerst bleiben, doch den Regional-Radius will Vorndran beim nächsten Fall weiter spannen. Gespannt sieht er jetzt allerdings erst mal der offiziellen Buchvorstellung am 13. März im Bamberger Klosterbräu entgegen: „Ich bin seit meiner ersten Premiere nicht mehr so nervös gewesen!“.

Helmut Vordran: „Das Alabastergrab“, emons-Verlag Köln, 2009, 368 Seiten, 9,90 , ISBN 978-3-89705-642-8. Lesung in der NP-Region: 17. März, 20 Uhr Buchhandlung Schulze, Lichtenfels. Kabarettist, Kolumnist, Faltbootverleiher und nun auch viel versprechender Krimi-Autor: Helmut Vorndran.