München - Gabriele Münter (1877 - 1962) ist vor allem als Malerin und Grafikerin im Umfeld der expressionistischen Künstlergruppe «Der Blaue Reiter» bekannt. Die Frau an der Seite Wassily Kandinskys. Doch ihr Werk umfasst sehr viel mehr. Anlässlich ihres 140. Geburtstages am 19. Februar 2017 rückt das Lenbachhaus im Kunstbau unbekannte Werke der vielseitig interessierten Künstlerin in den Mittelpunkt. Die Schau «Gabriele Münter - Malen ohne Umschweife» sei die erste umfassende Retrospektive seit 25 Jahren, jenseits der Phase des Blauen Reiters, sagte Museumsdirektor Matthias Mühling am Freitag in München. Von Dienstag (31. Oktober) bis 8. April 2018 sind rund 200 Exponate zu sehen.

Besonders interessant sind Münters frühe Fotografien, die auf einer USA-Reise in den Jahren 1899 und 1900 entstanden. Sie zeigen ihr Gespür für Komposition und Formen: Eine Frau mit Sonnenschirm am Ufer des Mississippi oder der Sonnenuntergang, den sie bei ihrer Rückreise nach Deutschland im Oktober 1900 auf einem Dampfer fotografierte. Natürlich sind auch Bilder zu sehen, die man von ihr kennt, etwa das bekannte «Bildnis Marianne von Werefkin». Dazu Werke, die sich mit Volkskunst und Kindermotiven auseinandersetzen. Aus Jerusalem stammt die Leihgabe «Kandinsky am Teetisch», die der berühmte Filmemacher Billy Wilder dem dortigen Israel Museum geschenkt hatte.

Weniger bekannt sind dagegen ihre Werke von Ende der 1920er Jahren, in denen sie sich der puristischen Bildsprache der Neuen Sachlichkeit bediente. Münter sei stets eine zeitgenössische Künstlerin gewesen und habe vieles ausprobiert, erklärt Mühling. Bis auf die Jahre des Zweiten Weltkrieges wurden ihre Werke deshalb seit 1907 ständig ausgestellt, auch während des Nationalsozialismus. Die Bilder dieser Jahre sind in der Ausstellung vor allem in der Sektion «Arbeit und Technik» zu finden. Bauern bei der Ernte, Straßenarbeiter, Baggerfahrer an der Olympiastraße nach Garmisch. Themen, die NS-Kulturpolitikern gefielen. Zwei Baggerbilder waren 1936 in der Schau «Die Straßen Adolf Hitlers in der Kunst» zu sehen. Münter sei damals auch bei der Eröffnung gewesen, berichtet Isabelle Jansen von der Gabriele Münter- und Johannes Eichner-Stiftung.

1933 entstand «Prozession in Murnau», offenbar eine kirchliche Veranstaltung, doch aus den Fenstern wehen rote Fahnen mit einem weißen Kreis in der Mitte. Das Weiß wirkt schmutzig-grau, als hätten dort mal Hakenkreuze geprangt. In der Ausstellung wird das leider nicht weiter kommentiert, nur im Katalog setzt sich Jansen damit auseinander. Das gigantische Bauprojekt der Olympiastraße sei ganz in der Nähe ihres Wohnortes gewesen, schreibt Jansen. Dennoch sei die Entscheidung, sich diesem Thema intensiv zu widmen, sicher nicht ganz absichtslos geschehen - möglicherweise, um damit ausgestellt zu werden. Allerdings sei Münter nicht sehr politisch gewesen und habe sich im oberbayerischen Murnau sehr stark von allem zurückgezogen, erklärt Jansen.

Nach München wandert die Schau weiter. Erst ins Louisiana Museum of Modern Art im dänischen Humlebaek (3. Mai bis 19. August 2018) und ins Museum Ludwig in Köln (15. September 2018 bis 13. Januar 2019).