So wurde der Maler Gustave Courbet auf der Suche nach dem "Ursprung der Welt" nicht in den Tiefen des Universums fündig, sondern ganz nah bei sich, in seinem Atelier. 1866 wies er ein weibliches Modell an, sich vor seiner Staffelei nackt auf einem Polster zu räkeln und die Schenkel zu spreizen - sodann pinselte er fotorealistisch ihren Schoß auf eine Leinwand, dazu den Bauch und die rechte Brust, nicht allerdings das Gesicht. Wenn zutrifft, was der Dichter Reiner Kunze in seinen "Wunderbaren Jahren" so wunderbar beschrieb, dass nämlich in der Pornografie Menschen aufträten, damit die Geschlechtsteile Beine hätten, geht das kleine Gemälde, das einst mächtig Skandal machte, wohl auch als Pornobildchen durch. Tatsächlich zieren Drucke und Kopien die muffigen Wände so manchen Schmuddeletablissements; das kostbare Original freilich fand seine Bleibe dauerhaft an allererster Adresse: Im Pariser Musée d’Orsay , dem Hotspot der jüngeren französischen Meistermalerei, bietet sich die im Naturzustand und in Öl gemalte Scham nicht unverschämt, doch schamfrei allen Blicken dar. Am Pfingstmontag jährt sich Gustave Courbets Geburtstag zum 200. Mal. Vielleicht unmissverständlicher als alle andern führte er vor, wie nahe der Akt - der nackte Körper in der Kunst - und der Akt als lustvolle Verschmelzung zweier Leiber einander stehen. Stehen können; denn zwar strahlt Nacktheit meist Sinnlichkeit aus, aber, in aller Unschuld, nicht immer Erotik. Unschuldig wird Courbets Unterleibsporträt keiner finden; für obszön mag man’s halten; und jedenfalls darf man es mutig nennen. Foto: Frank Rumpenhorst, dpa