Maxim, ihr seid momentan fleißig am Touren. Wie läuft die Tour bisher?
Bis jetzt großartig. Es ist schon beeindruckend, wie viele Leute sich unseren Quatsch angucken wollen. Wir sind gesund und verstehen uns alle gut.

Hast du was dagegen, wenn i ch euch angesichts eurer ironisch-sexistischen Texte und eurer imposanten, militärisch anmutenden Bühnenshow als die Rammstein des deutschen Hip Hops bezeichne?
Das ist okay. Noch besser fände ich, wenn du uns als die Laibach des Deutschpunks bezeichnen würdest.

Nicht als die Onkelz der Reggae-Szene - wie euch euer Mitglied Tarek mal genannt hat?
Das kannst du dir aussuchen.

Hat es eigentlich einen tieferen Sinn, dass ihr auf der Bühne seit neuestem Uniformen tragt?
Uniformen sind was Schniekes. Das hat so einen Cheerleader-Effekt: Wenn man als Gruppe von Männern auftritt und die gleiche Kleidung trägt, sieht das Ganze gleich viel schöner aus. Letztendlich geht es doch immer um Sexiness. Wir müssen Frauen anziehen, denn wenn die Frauen kommen, dann kommen die Männer auch. Das ist der richtige Weg, um Menschen auf dein Konzert zu bekommen. Außerdem bestand die Uniform ja schon, bevor wie sie als Kleidung hatten: Wir waren geistig gesehen schon vorher uniformiert.

Euer aktuelles Album ist starker Tobak. Ihr beschäftigt euch mit den Schattenseiten von Gesellschaft und Politik. Es geht um Fremdenfeindlichkeit, Bigotterie, Dekadenz, Unterdrückung und Kapitalismus. Ist „Hurra die Welt geht unt er“ ein Konzeptalbum?
Zunächst einmal finde ich es schön, dass du von Schattenseiten sprichst. Ich frage mich dann nur, wo die Lichtseiten sind. Aber ja: Es hat durchaus etwas von einem Konzeptalbum. Es war zwar nicht so geplant, aber das, was du beschreibst, ist schon der Rahmen.

Schon erstaunlich, mit einem so düsteren Werk auf Platz eins der Albumcharts zu landen, oder?
Das fanden wir auch sehr witzig. Ich war schon extrem überzeugt von dem Album. Ich finde es großartig und halte es für das Beste, das wir je gemacht haben. Aber ich hätte nicht darauf gewettet, dass es so einen Erfolg haben würde. Ich habe allerdings auch nicht so viel Ahnung davon, wie Musik erfolgreich werden kann und wie sie sich verkauft. Diesmal hat es einfach irgendwie geklappt. Das freut mich sehr.

Kannst du es dir trotzdem irgendwie erklären, warum gerade „Hurra die Welt geht unter“ so durch die Decke gegangen ist?
Ich schätze, die Platte kam einfach zur richtigen Zeit. Es scheint wieder in Mode zu sein, sich über gesellschaftliche und politische Geschehnisse Gedanken zu machen. Egal, wie schlau diese Gedanken am Ende des Tages sein mögen. Das hat uns in die Hände gespielt. Die Leute wollen etwas Kritisches und Politisches in der Musik finden und haben es bei uns jetzt auch gefunden. Es ist einfach ein sehr geradliniges Album. Ich meine, wir von K.I.Z. haben die Ironie ja erfunden. Vorher war immer alles ernst gemeint. Für manche Menschen war es aber vielleicht ein bisschen nervig, dass bei uns immer alles ironisch gemeint war. Die haben sich jetzt gefreut, dass die Erfinder der Ironie mal eine Pause eingelegt haben. Der Erfinder von ADHS hat auch auf dem Sterbebett zugegeben, dass es ADHS gar nicht gibt. Das muss für viele Leute ein ähnlicher Moment gewesen sein.

Ich glaube auch, dass ihr gerade angesichts von Flüchtlingskrise und Terroranschlägen - wie jüngst in Brüssel - den Zeitgeist trefft.
Auf jeden Fall! Da haben wir Glück gehabt. Deswegen haben wir diese Anschläge ja auch inszeniert. Das waren alles Promo-Aktionen.

Habt ihr diesen Wandel hin zu mehr Ernsthaftigkeit und Direktheit bewusst vollzogen oder hat sich das einfach ergeben?
Das ist einfach notwendig geworden. Wir wollten bestimmte Themen und Gefühle behandeln. Ernste Songs hatten wir ja vorher auch schon, auch wenn die dann meist einen ironischen Knick hatten. Es ging diesmal schlicht darum, in jedem Song ein Thema durchzuziehen. Die vorherigen Alben sind ein Typ, der gleichzeitig aufs Handy guckt, seinen Laptop offen hat, der Fernseher läuft und es ist noch eine Party im Raum. Diesmal war es ein bisschen konsequenter.

Sind K.I.Z. jetzt also erwachsen geworden?
Erwachsensein bedeutet oft etwas eher Schlechtes. Meistens heißt Erwachsensein, dass man in getrennten Bettens schläft. Man macht etwas, worauf man keine Lust hat. Dann hoffe, dass wir nicht erwachsen sind. Ist für mich aber auch egal. Ist eh eine uninteressante Frage.

Anscheinend werdet ihr aber mittlerweile als erwachsen wahrgenommen. Immerhin findet ihr sogar in den Feuilletons etablierter Tageszeitungen statt. Wie fühlt es sich an, wenn Die Welt plötzlich die eigenen Musikvideos interpretiert - wie kürzlich mit „Boom Boom Boom“ geschehen?
Das habe ich gelesen. Der Autor war natürlich nicht sehr erfreut darüber, was wir machen. Aber er hat es sich zumindest genau angesehen. Darüber habe ich mich gefreut. Andererseits beschäftigt sich das Feuilleton immer erst dann mit Straßen-Rap, wenn er augenscheinlich Erfolg hat. Dann möchte man da irgendwelche Sachen hineininterpretieren und es fallen Ausdrücke wie „der Goethe der Straße“. Die fangen dann an, in ihrer Feuilleton-Sprache die Rap-Musik zu erklären - und man bekommt plötzlich das Gefühl, diese Musik sei eine Erfindung des Feuilletons. Das hat immer etwas Vereinnahmendes. Dennoch profitieren wir natürlich von der Aufmerksamkeit, die wir dadurch bekommen, und verdienen Geld damit. Außerdem haben wir so ein Schutzschild gegen die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien. Deswegen möchte ich mich überhaupt nicht beschweren.

In eurem Song „Boom Boom Bomm“ stellt ihr euch entschieden gegen Fremdenfeindlichkeit und rechte Tendenzen in der Gesellschaft. Nun hat die rechtspopulistische AfD in einigen Bundesländern große Erfolge bei den Landtagswahlen erzielt - in Sachsen-Anhalt gar über 24 Prozent. Bereitet dir das Sorge?
Wer sich da Sorgen macht, hat nicht richtig aufgepasst. Die meisten Forderungen, die Pegida damals hatte, wurden von Parteien umgesetzt, die nicht AfD hießen - die Verschärfung des Asylrechts zum Beispiel. All diese Härten, mit denen Menschen zu kämpfen haben, werden ja schon von den guten, netten, wählbaren Parteien veranstaltet. Deswegen finde ich diese Aufregung über die AfD gerade auch ziemlich lächerlich. Darüber, dass Frauke Petry gesagt hat, dass man an der Grenze im Notfall auch von der Schusswaffe Gebrauch machen solle, wurde sich echauffiert. Da dachte ich: Naja, das ist nun mal Grenze, so wie Grenzen eben sind. Eine blutige Geschichte. Das würden auch alle anderen Parteien unterschreiben. Sie würden es nur nicht so ehrlich sagen. Sauerei und Gemeinheit kann man in der jetzigen Realität schon finden und nicht erst bei den extremen Menschen in der AfD.

Stehst du hinter dem „Wir schaffen das“ der Kanzlerin?
Ich weiß nicht. Ich fühle mich da nicht so angeschlossen. Sie wird wohl uns alle - die deutsche Nation - meinen. Es ist natürlich eine gemeine Sache, wenn es ein Kollektiv gibt, dessen Zugehörigkeit man sich nicht aussuchen kann. Sie wird einem aufgezwungen. Ich habe mir nicht ausgesucht, zu diesem Wir, diesem Deutschland zu gehören. Plötzlich hat man als Kollektiv irgendwelche Aufgaben zu bewältigen. Anscheinend hat die Kanzlerin das Gefühl, dass sie das schafft. Am aufschlussreichsten fand ich neulich ein Interview mit Ursula von der Leyen im Spiegel. Da argumentierte sie für Flüchtlinge. Sie meinte, das seien letztendlich günstige Arbeitskräfte, die man nur noch richtig ausnutzen müsse. Das halte ich für eine sehr ehrliche Aussage darüber, was das Refugees Welcome einer CDU bedeutet.

Glaubst du, Anarchismus wäre die Lösung all unserer Probleme? In eurem Song „Hurra die Welt geht unter“ beschreibt ihr schließlich eine Welt ohne Banken und Parlamente.
Das ist einfach eine poetische Vorstellung. Wir malen uns aus, wie schön das sein könnte. Wir predigen aber nicht, dass wir alle wieder in Holzhütten leben sollten. Mir sind die Vorzüge einer Zentralheizung völlig klar. Die Idee zu dem Song kam auf, weil ich ein großer Fan von Endzeit- und Science-Fiction-Geschichten bin. Da gibt es dann meist einen Atomkrieg oder sonst irgendeine Katastrophe und plötzlich ist alles schlimm. Alle fallen übereinander her. Das Erste, was sich die Überlebenden fragen, ist: Wo ist der Präsident? Wo ist die Armee? Wer könnte die gute alte Ordnung wiederherstellen? Diese Geschichten folgen ja immer einem Prinzip: Wir leben in dieser Welt, so wie sie ist. Dann stellen wir uns mal kurz etwas viel Schlimmeres vor und plötzlich wird diese Welt richtig prima. Das ist letztendlich das Angebot solcher Weltuntergangsszenarien. Es ging mir darum, diese Idee abzulehnen und zu parodieren. Aber zurück zur Frage: Ist Anarchie die Lösung? Da frage ich mich: Die Lösung für was? Man muss zuerst schauen, was überhaupt das Problem ist. Dann kann man sich hinsetzen und eine Lösung finden. Wenn du mir sagst, Deutschland steht am Abgrund und mich nach einer Lösung fragst, dann sage ich: Das ist nicht mein Problem! Deswegen werde ich dafür auch keine Lösung parat haben.

Wo soll es mit K.I.Z. eigentlich noch hingehen? Platz eins in den Charts, ausverkaufte Shows oder Gigs als Headliner großer Festivals habt ihr schon. Wie wollt ihr das noch toppen?
Das kann ich dir sagen: Immer mehr! Wir sind ein ganz normales, gut laufendes bürgerliches Unternehmen. Wir erwarten natürlich Wachstum - zunächst im vertikalen Bereich. Anschließend werden wir auch horizontal expandieren (lacht). Wir wollen stinkreich sein und dabei auch noch ziemlich viel Spaß haben. Das wäre prima!
Das Gespräch führte Nico Schwappacher