Berlin - Der Ausnahmeschauspieler Lars Eidinger (41) hat eine alte Platte zu neuem Leben erweckt. Beim unabhängigen Berliner Label !K7 erscheint seine einstige Kellerproduktion "I'll Break Ya Legg" (1998) am Freitag als Neuausgabe - ergänzt um fünf bislang unveröffentlichte Stücke. Der Deutschen Presse-Agentur verriet Eidinger, was ihm Musik bedeutet und warum er Schauspielerei mit Sex vergleicht.
Frage: Warum kommt die Platte jetzt nochmal raus?
Antwort: Ich bekam das Angebot vom Label und war total froh. Denn
damals war es eine Veröffentlichung mit zwei anderen Künstlern, und
alle drei Platten hatten das gleiche türkise Cover. Das sah
schon irgendwie schön aus. Aber genauso, wie man in seiner Kindheit
und Jugend rumspinnt, wie die Band mal heißen soll, die man gründen
will, so hatte ich immer im Kopf, wie meine Platte aussehen würde.
Jetzt gab's die Chance, sie selbst zu gestalten. Und ich bin auf das
Layout und das Cover mindestens genauso stolz wie auf die Musik.
Frage: Haben Sie nicht das Gefühl, inzwischen ein Stück weiter zu
sein?
Antwort: Ja. Mein Zugang zur Musik war damals ein ganz anderer. Das
hatte etwas naiv-genialisches, sehr direkt, von dem absoluten Willen
getragen, selbst Musik zu produzieren. Das ging davor ja gar nicht.
Und plötzlich hatte man durch die Computertechnik die Möglichkeit,
eine ganze Platte zu machen, sein Lebensgefühl auszudrücken. Viele
sagen, die Musik ist so traurig und düster und langsam, aber so
sieht's halt in mir aus. So wie die Musik klingt, so klingt's in mir.
Frage: ... nicht mittlerweile ein bisschen fröhlicher?
Antwort: Ach, na ja. Das Thema des Covers, die Endlichkeit, das
beschäftigt mich schon sehr. Es ist doch so, dass selbst
die glücklichsten Momente immer ein bisschen betrübt sind, weil man
weiß, dass sie endlich sind. Und gleichzeitig weiß man, dass die
Endlichkeit eigentlich die Qualität oder die Schönheit des Lebens
ausmacht. Ohne den Tod würde es das Leben nicht geben, und umgekehrt.
Wenn man das erkennt, kann einem das eine gewisse Ruhe geben.
Frage: Was bedeutet das Cover?
Antwort: Einerseits ist es das Motiv von Ophelia, die ins Wasser geht
und sich umbringt. Das hat so etwas Abschließendes, Suizidales. Aber
man sieht auch, dass mir hinten die Haare ausfallen - ein kleines
Aufbegehren gegen die perfekte Oberfläche der Popkultur.
Dieser morbide Charme gefällt mir. Ich teile ja auch den romantischen
Gedanken, dass es schön ist, traurig zu sein, sich in unerfüllter
Liebe oder Weltschmerz zu verlieren - es darf halt nur nicht in die
Depression abrutschen.
Frage: Ist die Musik für Sie in den letzten Jahren wieder wichtiger
geworden?
Antwort: Nein, sie war immer sehr wichtig für mich. Deshalb habe ich
auch die Autistic Disco zu meinem Label gemacht. Das ist nicht nur
meine Veranstaltung in der Schaubühne, sondern das ist eigentlich
eine Marke, weil es für mich am besten das Erlebnis von
Musik beschreibt. Man tanzt ja in der Disco sehr vereinzelt, und
jeder ist sehr bei sich. Trotzdem hat man das Gefühl, etwas im
Kollektiv zu erleben, und das macht den eigentlichen Reiz aus:
Gemeinsam einsam zu sein.
Frage: Schauspielerei sei eine Gratwanderung zwischen Versagensangst
und Allmachtsfantasien, haben Sie mal gesagt. Ist man mit Musik auf
einem sichereren Terrain?
Antwort: Nein, das ist genau der gleiche Mechanismus. Deshalb
vergleiche ich das Theaterspielen manchmal auch mit Sex. Man wird
da sehr sensitiv, sehr empfindlich für das Gegenüber und richtet
sein eigenes Verhalten danach aus, wie der andere reagiert. Im Grunde
geht's auf der Bühne genauso wie beim Auflegen darum, Intensität zu
erfahren, das Leben zu spüren. Und das ist das, was mich am meisten
fasziniert - das Gefühl, im Moment anzukommen.
Frage: Wie meinen Sie das?
Antwort: Ich fand es früher immer unerträglich, dass die Zeit nie
anhält. Immer, wenn etwas schön ist, ist es eigentlich auch schon
wieder vorbei. Und dann habe ich irgendwann begriffen, dass
es tatsächlich das Schöne am Leben ist, dass es diese Sehnsucht nach
dem Stillstand immer in sich trägt. Im Grunde ist das eine
Todessehnsucht. Es ist wie der Unterschied, eine Topfpflanze zu
verschenken oder Schnittblumen. Der Strauß bezieht seinen Charme
daraus, dass er eigentlich schon tot ist. Und das übt auf uns alle
einen unheimlichen Reiz aus.
Frage: Haben Sie einen Traum, nochmal irgendwas Verrücktes
zu machen?
Antwort: Ja, aber es ist gar nicht so verrückt. Ich will einen Film
machen, ich will das Drehbuch schreiben, ich will die Hauptrolle
spielen, und ich will der Regisseur sein. Das klingt jetzt sehr
egomanisch. Aber ich habe so viel in Gruppen gearbeitet. Ich möchte
auch mal ausprobieren, wie es ist, wenn man ungebremst die eigene
Fantasie umsetzen kann. Ich schreibe gerade an dem Buch.
Die Filmemacher, die ich kenne, arbeiten fünf Jahre an ihren Büchern.
Ich bin jetzt bei Seite 20.
ZUR PERSON: Lars Eidinger, 1976 in Berlin geboren, gilt als einer der
begnadetsten Schauspieler Deutschlands. Seit 1999 ist er
Ensemblemitglied der Berliner Schaubühne. Seine Auftritte als Hamlet
und Richard III. machten ihn international bekannt. Daneben ist er
für Film und Fernsehen aktiv und legt als DJ bei Theaterfestivals in
aller Welt auf. Derzeit ist er im Historienepos "Mathilde" als
letzter russischer Zar zu sehen.
Frage: Warum kommt die Platte jetzt nochmal raus?
Antwort: Ich bekam das Angebot vom Label und war total froh. Denn
damals war es eine Veröffentlichung mit zwei anderen Künstlern, und
alle drei Platten hatten das gleiche türkise Cover. Das sah
schon irgendwie schön aus. Aber genauso, wie man in seiner Kindheit
und Jugend rumspinnt, wie die Band mal heißen soll, die man gründen
will, so hatte ich immer im Kopf, wie meine Platte aussehen würde.
Jetzt gab's die Chance, sie selbst zu gestalten. Und ich bin auf das
Layout und das Cover mindestens genauso stolz wie auf die Musik.
Frage: Haben Sie nicht das Gefühl, inzwischen ein Stück weiter zu
sein?
Antwort: Ja. Mein Zugang zur Musik war damals ein ganz anderer. Das
hatte etwas naiv-genialisches, sehr direkt, von dem absoluten Willen
getragen, selbst Musik zu produzieren. Das ging davor ja gar nicht.
Und plötzlich hatte man durch die Computertechnik die Möglichkeit,
eine ganze Platte zu machen, sein Lebensgefühl auszudrücken. Viele
sagen, die Musik ist so traurig und düster und langsam, aber so
sieht's halt in mir aus. So wie die Musik klingt, so klingt's in mir.
Frage: ... nicht mittlerweile ein bisschen fröhlicher?
Antwort: Ach, na ja. Das Thema des Covers, die Endlichkeit, das
beschäftigt mich schon sehr. Es ist doch so, dass selbst
die glücklichsten Momente immer ein bisschen betrübt sind, weil man
weiß, dass sie endlich sind. Und gleichzeitig weiß man, dass die
Endlichkeit eigentlich die Qualität oder die Schönheit des Lebens
ausmacht. Ohne den Tod würde es das Leben nicht geben, und umgekehrt.
Wenn man das erkennt, kann einem das eine gewisse Ruhe geben.
Frage: Was bedeutet das Cover?
Antwort: Einerseits ist es das Motiv von Ophelia, die ins Wasser geht
und sich umbringt. Das hat so etwas Abschließendes, Suizidales. Aber
man sieht auch, dass mir hinten die Haare ausfallen - ein kleines
Aufbegehren gegen die perfekte Oberfläche der Popkultur.
Dieser morbide Charme gefällt mir. Ich teile ja auch den romantischen
Gedanken, dass es schön ist, traurig zu sein, sich in unerfüllter
Liebe oder Weltschmerz zu verlieren - es darf halt nur nicht in die
Depression abrutschen.
Frage: Ist die Musik für Sie in den letzten Jahren wieder wichtiger
geworden?
Antwort: Nein, sie war immer sehr wichtig für mich. Deshalb habe ich
auch die Autistic Disco zu meinem Label gemacht. Das ist nicht nur
meine Veranstaltung in der Schaubühne, sondern das ist eigentlich
eine Marke, weil es für mich am besten das Erlebnis von
Musik beschreibt. Man tanzt ja in der Disco sehr vereinzelt, und
jeder ist sehr bei sich. Trotzdem hat man das Gefühl, etwas im
Kollektiv zu erleben, und das macht den eigentlichen Reiz aus:
Gemeinsam einsam zu sein.
Frage: Schauspielerei sei eine Gratwanderung zwischen Versagensangst
und Allmachtsfantasien, haben Sie mal gesagt. Ist man mit Musik auf
einem sichereren Terrain?
Antwort: Nein, das ist genau der gleiche Mechanismus. Deshalb
vergleiche ich das Theaterspielen manchmal auch mit Sex. Man wird
da sehr sensitiv, sehr empfindlich für das Gegenüber und richtet
sein eigenes Verhalten danach aus, wie der andere reagiert. Im Grunde
geht's auf der Bühne genauso wie beim Auflegen darum, Intensität zu
erfahren, das Leben zu spüren. Und das ist das, was mich am meisten
fasziniert - das Gefühl, im Moment anzukommen.
Frage: Wie meinen Sie das?
Antwort: Ich fand es früher immer unerträglich, dass die Zeit nie
anhält. Immer, wenn etwas schön ist, ist es eigentlich auch schon
wieder vorbei. Und dann habe ich irgendwann begriffen, dass
es tatsächlich das Schöne am Leben ist, dass es diese Sehnsucht nach
dem Stillstand immer in sich trägt. Im Grunde ist das eine
Todessehnsucht. Es ist wie der Unterschied, eine Topfpflanze zu
verschenken oder Schnittblumen. Der Strauß bezieht seinen Charme
daraus, dass er eigentlich schon tot ist. Und das übt auf uns alle
einen unheimlichen Reiz aus.
Frage: Haben Sie einen Traum, nochmal irgendwas Verrücktes
zu machen?
Antwort: Ja, aber es ist gar nicht so verrückt. Ich will einen Film
machen, ich will das Drehbuch schreiben, ich will die Hauptrolle
spielen, und ich will der Regisseur sein. Das klingt jetzt sehr
egomanisch. Aber ich habe so viel in Gruppen gearbeitet. Ich möchte
auch mal ausprobieren, wie es ist, wenn man ungebremst die eigene
Fantasie umsetzen kann. Ich schreibe gerade an dem Buch.
Die Filmemacher, die ich kenne, arbeiten fünf Jahre an ihren Büchern.
Ich bin jetzt bei Seite 20.
ZUR PERSON: Lars Eidinger, 1976 in Berlin geboren, gilt als einer der
begnadetsten Schauspieler Deutschlands. Seit 1999 ist er
Ensemblemitglied der Berliner Schaubühne. Seine Auftritte als Hamlet
und Richard III. machten ihn international bekannt. Daneben ist er
für Film und Fernsehen aktiv und legt als DJ bei Theaterfestivals in
aller Welt auf. Derzeit ist er im Historienepos "Mathilde" als
letzter russischer Zar zu sehen.