Coburg - "Lustrünstig" ist das Wort des Abends. Aus der ersten Reihe purzelt es Helmut Vordran vor die Füße - und schon hat er's aufgeklaubt. Dass es alsbald in einem Frankenbestseller auftaucht, dürfen wir getrost vermuten, denn Vorndran ist ein Jäger und Sammler. Ethnologe obendrein: Die Eigenheiten der Franken - und anrainender Volksstämme - studiert er seit Jahrzehnten, was ihn zwingend von der sozialpädagogischen Fakultät auf die Kabarettbühne trieb. Der sagt der 51-Jährige zwar bald ade - nach 28 Jahren mit dem Totalen Bamberger Cabaret beendet er Ende November in Coburg feierlich dieses Karriere-Kapitel. Mit seinen Fans bleibt er freilich auch als witzboldiger Krimiautor auf Tuchfühlung.

Was sie sehr zu schätzen wissen: Vom hintersten Winkel bis knapp vors Pult füllen sie die Buchhandlung Riemann am Donnerstagabend restlos. Die Tickets waren im Nu vergriffen für diese Coburg-Premiere des gerade erschienenen dritten Vorndran-Romans, zu der Riemann gemeinsam mit der Neuen Presse einlud. Überaus spannend ist "Der Colibri-Effekt" geraten, als Thriller darf man ihn getrost bezeichnen - nach dem wilden "Blutfeuer" verkneift sich der Autor diesmal allerdings allzu bizarre Action zugunsten einer ebenso brisanten wie plausiblen Story um braune Fanatiker, deren Zeit- und Handlungsebenen er geschickt verzahnt.

Skurrile Episoden und ironische Untertöne sind natürlich das satirische Salz in der spannenden Suppe, wenn die Kommissare Haderlein und Schmitt mit ihrem Polizeiferkel Riemenschneider auf Verbrecherjagd gehen - und das macht Vorndran-Lesungen allemal zum comedyreifen Vergnügen. "Meine Figuren sind ziemlich schräg drauf - phasenweise" warnt der Autor die Neulinge im Publikum vor, und konfrontiert sie sogleich mit den Seelenqualen eines Bamberger Kriminalkommissars, dem weniger die mörderischen Alltagsgeschäfte zusetzen, als vielmehr heimwerkerische Diskrepanzen zwischen Mann und Frau. In einem grandiosen Lamento entlädt sich die Verzweiflung Bernd Schmitts, genannt Lagerfeld, der beim gemeinschaftlichen Renovieren einer idyllischen Immobilie nervliche Grenzerfahrungen sammeln muss.

Liebenswert schrullig

Ähnliches widerfährt seinem Vorgesetzten Robert Suckfüll alias "Fidibus", dem liebenswert schrulligen Leiter der Bamberger Polizeidienststelle, dessen ausgeprägte Intelligenz mit einer ebenso markanten Alltagsuntauglichkeit einher geht. Die investigative Ermittlung im Moloch Coburg gerät zur existenziellen Herausforderung für den Schöngeist, denn seine Toleranz wird von resoluten Bratwurstbraterinnen und freilaufenden Sangesfreunden auf eine harte Probe gestellt.

"Den gibt's wirklich, den kenn ich!", beteuert Vorndran, dessen kurioses Personal-Tableau sich durchaus realer Vorbilder bemächtigt. Wie schmal der Grat zwischen Wirklichkeit und Satire zuweilen ist, zeigen Meldungen, die dem Autor mittlerweile von Sympathisanten zugespielt werden, und die allesamt um ein Thema kreisen, das Vorndrans Oeuvre gleichsam leitmotivisch durchdringt: Der kreative Umgang Hassfurter Automobilisten mit der Straßenverkehrsordnung.

Vorndran live

Helmut Vorndrans Coburger Lesung war im Nu ausgebucht. Doch es gibt noch mehr Gelegenheiten, den "Colibri-Effekt" aus Autorenmunde kennenzulernen:

8. Juni Gemünda, Hofcafe Mohnbiene, 19 Uhr

15. Juni, Bad Rodach, Haus des Gasts, 19.30 Uhr

5. Oktober, Untermerzbach, Komm, 19.30 Uhr

4. Dezember, Haßfurt, Rathaus, 19.30 Uhr

13. Dezember, Kaltenbrunn, La Stazione, 19 Uhr, Colibri-Menü.

Seinen Ausstand als Kabarettist feiert Helmut Vorndran am 23. und 24. November im Schwarzen Bären Coburg-Beiersdorf - letztmals gemeinsam mit seinen Kollegen des TBC.