Coburg - So gut hatten sie es vor rund 200 Jahren nicht. Statt Prosecco, Kaffee und Kuchen gab es allerhöchstens Tee, trockene Kekse oder mal ein Brioche. Und elegant, geschweige denn luxuriös ausgestattet war der sogenannte "Salon" in den wenigsten Fällen. Vielmehr mussten oft Dachwohnungen oder Ateliers als kulturelle Versammlungsorte herhalten, zu denen mutige und gebildete Damen vorwiegend im 19. Jahrhundert einluden. Und kulinarische Genüsse und stilvolles Ambiente standen weit hinten an, es ging vielmehr um geistige Ergüsse, um Kunst, Musik, Philosophie und beflügelnde Gespräche.

Zu einer Reise durch die Welt der "Salonfrauen" lud der Aktionskreis Internationaler Frauentag mit einer Lesung von Ulrike Müller, Autorin des gleichnamigen Buches, in das Coburger Hotel "Villa Victoria" ein. Entweder seien diese, sehr oft jüdischstämmigen, Damen Vertreterinnen des Adels, hoch angesehene Repräsentantinnen der käuflichen Liebe oder Damen des Bürgertums gewesen, berichtet Müller. Gemeinsam hatten sie jedoch den Hunger nach Wissen, nach menschlichem Umgang und die Neigung zu den schönen Künsten.

Ulrike Müller wählt die Porträts größtenteils unbekannter Salonnièren aus und liest Passagen daraus vor. Mit Witz und Charme und kleinen Anekdoten versehen, lebt mit Rahel Varnhagen, Pauline Viardot-Garcia, Marie d'Agoult, Berta Fanta, Marianne von Werefkin und Winnaretta Singer-Polignac diese "Schwellenwelt" zwischen Privatsphäre und Öffentlichkeit in Coburg wieder auf.

"Meist waren es schräge Vögel", lacht die Autorin und nennt als treffendes Beispiel Winnaretta Singer-Polignac, Tochter des Nähmaschinen-Fabrikgründers Isaac Merritt Singer, selbst etwas außergewöhnlich mit "mindestens 18 bis 24 Kindern", dabei allerdings nur sechs mit der eigenen Ehefrau, Isabella Boyer. Winnaretta spielte schon sehr früh Klavier und Orgel. Sie war zweimal verheiratet, zunächst vier Wochen lang mit dem Prinzen Louis de Scey-Montbéliard, dem sie bereits in der Hochzeitsnacht, mit einem Regenschirm bewaffnet, "if you touch me, I will kill you" entgegenschmetterte. Nach der Scheidung ging sie eine glückliche "Lavendelehe" mit dem schwulen Prinzen Edmond de Polignac ein. Sie wurde zu einer angesehenen Kunstmäzenin, schätzte den Schriftsteller Marcel Proust, der in ihrem Salon ein und aus ging, entwickelte aber auch eine große Liebe zur Malerei.

In Deutschland wirkte vor allem Rahel Varnhagen in Berlin. Ihre Freundin Hannah Arendt schätzt und beschreibt vor allem ihre Liebenswürdigkeit, ihre hohe Gesprächskunst, mit der sie Menschen bezauberte. In ihre Dachstube lud sie Künstler zu Tee und trockenen Keksen ein, schrieb selbst auch Gedichte und Briefe, wie die "Wetternotizen", mit denen sie ihre Stimmungen aufzeichnete. Sie bot Berühmtheiten wie Heinrich Heine, Jean Paul, Friedrich Schlegel und den von Humboldts geschützten Raum zum Arbeiten und pflegte Kontakt zu Goethe. Sie konnte sich aber ebenso für italienische Musik und Mozart begeistern.

Eine Variation aus dessen "Zauberflöte" bot Christian Rosenau an der Gitarre. Doch nicht nur diesen Klängen konnte das vorwiegend weibliche Publikum in der "Villa Victoria" lauschen, sondern auch einer sehnsüchtig-peppigen Eigenkomposition mit dem Namen "Winnaretta", dem "Capricho Arabe" des Andalusiers Francisco Tárrega und "Etüden" von Leo Brouwer, die das "Salonfeeling" vollendeten.