Erfurt - Thüringen könnte mit der Enteignung eines privaten Schlossbesitzers einen Präzedenzfall im deutschen Denkmalschutz schaffen. Die Landesregierung habe am Dienstag beschlossen, das Verfahren gegen den Eigentümer der vom Verfall bedrohten Schlossanlage Reinhardsbrunn einzuleiten, sagte Kulturminister Benjamin-Immanuel Hoff, Die Linke, in Erfurt. Der rot-rot-grünen Regierung sei bewusst, dass Thüringen mit einem Enteignungsverfahren aus denkmalschutzrechtlichen Gründen bundesweit Neuland beschreite.

"Der Eingriff in Eigentumsrechte ist ein schwerwiegender Vorgang. Und wir sind uns dessen auch bewusst", sagte Hoff. Er sieht darin auch ein "Signal für den Denkmalschutz in Deutschland". Seit mehreren Jahren wird in Thüringen über den fortschreitenden Verfall der 1827 erbauten Park- und Schlossanlage im Kreis Gotha diskutiert und eine Enteignung des Besitzers in Erwägung gezogen.
Eigentümer ist nach Angaben der Staatskanzlei die Firma Bob Consult GmbH, die derzeit ihren Sitz in Hamburg haben soll. Auf dem historischen Gemäuer, das hin und wieder als Filmkulisse dient, liegt nach Angaben von Hoff eine Grundschuld von mehr als neun Millionen Euro. In der DDR hatte das Schloss ein Interhotel beherbergt. Es wurde noch bis 2001 als Hotel genutzt.
Die Entscheidung stütze sich auf ein von der Vorgängerregierung unter Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht, CDU, in Auftrag gegebenes Rechtsgutachten aus dem Jahr 2014, sagte Hoff. Er rechnet mit einer Dauer des Enteignungsverfahrens von mindestens 15 Monaten. Geführt wird es vom Thüringer Landesverwaltungsamt in Weimar.
Der Minister schloss aus, dass Thüringen die millionenschwere Grundschuld übernimmt, die der Eigentümer gegenüber ausländischen Banken habe. Nach dem Gutachten bleibe die Grundschuld beim Eigentümer, weil Thüringen ihm eine Entschädigung zahle. Dabei sei es nach der Rechtsauffassung unerheblich, dass die Entschädigung nur einen Euro betrage.
Bei der künftigen Nutzung der Schloss- und Parkanlagen würden alle Möglichkeiten geprüft, so der Minister. Zunächst werde ein Konzept für eine denkmalgerechte Sanierung erarbeitet. Bisher sei mit öffentlichen Mitteln nur eine Notsicherung erfolgt. Hoff schloss bei der künftigen Nutzung die "Einbeziehung privater Dritter" oder eine Verpachtung nicht aus. Das finanziellen Risiko für das Land liege in den Verfahrenskosten und bisher nicht bezahlten Rechnungen für Sicherungsarbeiten.
Thüringen hatte zunächst der Firma Bob Consult ein Kaufangebot auf der Basis in Auftrag gegebenen Wertgutachtens in Höhe von einem Euro gemacht. Darauf sei die Firma nicht eingegangen. Weil sie weiterhin ihren denkmalrechtlichen Verpflichtungen nicht nachkomme, sei die Enteignung der letzte Weg, um das Schloss zu erhalten, sagte Hoff.
Gegen Ex-Manager der Firma Bob Consult hat die Staatsanwaltschaft bereits 2014 Anklage wegen Untreueverdachts erhoben. Ein erstes Gerichtsverfahren war aus formalen Gründen ohne Ergebnis geblieben.