Studios leiden unter Corona Fitnesstrainer schreibt der Kanzlerin

Matheo Fink ist davon überzeugt, dass es nichts bringt, sich aufzuregen. Er bemüht sich, die gegenwärtige Situation mit Gelassenheit zu begegnen. Dennoch ist für den Geschäftsführer des Fitnessclubs Vitadrom in Coburg die erneute Schließung der Studios nicht nachvollziehbar. Darum hat er sich mit einem offenen Brief an die Deutsche Bundeskanzlerin gewandt.

 
Schließen

Diesen Artikel teilen

Coburg - „Es geht uns darum klar zu machen, dass Fitnessstudio einen wichtigen Beitrag für die Gesundheit leisten“, sagt er. „Krafttraining ist mehr als nur gut auszusehen, es geht um die Stärkung des Immunsystems.“ Denn mit zunehmendem Alter werden Muskeln immer schneller abgebaut und das mache sich im Körper bemerkbar.

In dem Schreiben an die Kanzlerin verweist er darauf, dass die 9700 Fitnessstudios in Deutschland einen wichtigen Beitrag leisten können in der Pandemiebekämpfung. Denn wer ein gutes Immunsystem habe, können eine Infektion viel leichter wegstecken als ohnehin geschwächte Menschen. „Aus diesen Gründen ist es für uns nicht nachvollziehbar, warum man 11,7 Millionen trainierende Fitnesssportler in Deutschland daran hindert, sich selbst proaktiv gegen das Virus zu schützen und zur Entlastung des Gesundheitssystems beizusteuern“, heißt es in dem Schreiben. Ziel ist es, dass Fitnessstudios nicht mehr als Freizeiteinrichtung, sondern als für die Gesundheit wichtig eingestuft werden und dann wieder öffnen können.

„Wir hatten in den fünf Monaten in denen wir offen hatten unter den 20 000 Besuchern keinen einzigen Coronafall“, stellt Matheo Fink dar. Derzeit befinden sich die fünf festen Mitarbeiter des Studios in Kurzarbeit, von den Mitgliedern werden keine Beiträge eingezogen. „Das ist nur fair denn wir bringen auch keine Leistung“, ist Fink überzeugt. Derzeit bieten er und sein Team kostenlose Onlinekurse an, „so kann jeder zu Hause etwas für seine Gesundheit tun.“ Er sieht den Shutdown als eine Möglichkeit, dass sich mehr Menschen mit ihrem Körper auseinander setzen und erkennen, dass Muskeltraining mehr ist als nur optisches Feintuning. Dass die Menschen später nicht mehr zurück ins Studio kommen befürchtet Fink nicht. „Das Training zu Hause ersetzt kein Gesundheitsstudio“ ist Matheo Fink zuversichtlich. Für sich hofft er darauf, dass die staatlichen Hilfen rasch ausgezahlt werden. Seit Mittwoch stehen die für die Beantragung nötigen Formulare im Internet zur Verfügung. „Daran halten wir uns jetzt fest, uns bleibt nichts weiter übrig, als auf die Politik zu vertrauen.“

Ebenfalls mehr Augenmaß bei den Corona-Vorschriften fordert Julia Wohlfromm. Sie betreibt in Beiersdorf ein kleines Fitnessstudio und hat zwischen den Geräten eine durchsichtige Trennwand aufgestellt. Es gibt ein Lüftungskonzept und Wohlfromm hat eine Schulung im Hygienemanagement absolviert. Trotzdem ist ihr Studio nun geschlossen, „und ich glaube nicht, dass wir im Januar wieder öffnen dürfen.“ Auch sie spricht von gravierenden Folgen für viele ihrer Kunden. „Sport ist kein Luxusartikel, 80 Prozent meiner Kunden haben Haltungsschäden oder Rückenbeschwerden“, erklärt sie. Das regelmäßige Training sei zum Beispiel für Altenpflegerinnen als Ausgleich zur den beruflichen Belastungen dringend notwendig, damit sie nicht “in fünf oder sechs Jahren flach liegen und sich nicht mehr bewegen können.“

Wohlfromm geht davon aus, dass ihre Kunden nach dem Shutdown wieder kommen, derzeit verschickt sie Trainingspläne digital und bleibt über Telefon und soziale Medien mit ihnen in Kontakt. „Die meisten sind aber ehrlich und sagen, sie können sich zu Hause nicht zum Training aufraffen.“ Mitgliedsbeiträge zieht auch Wohlfromm derzeit nicht ein. Darum ist sie froh, dass sie seit 2015 ihr Studio im eigene Wohnhaus hat, so fällt zumindest keine Miete an. Gründerkredite müssen dennoch weiter bedient werden, ihre Mitarbeiter haben alle noch einen anderen Hauptjob und sind nicht auf den Lohn angewiesen. „Darüber bin ich echt froh, ich weiß, dass viele Kollegen sich große Sorgen machen weil sie wissen, dass ihre Mitarbeiter auf sie angewiesen sind.“ Sie befürchtet, dass die Qualität in den Fitnessstudios unter dem erneuten Shutdown leiden wird. Gute Mitarbeiter würden sich umorientieren, viele seien auch Quereinsteiger und würden nun in ihre alten Berufe zurückkehren. „Ich befürchte, dass viele Studios diese Krise nicht überleben werden.“

Als eine mögliche Lösung für ihre Branche plädiert Julia Wohlfromm dafür, dass auf regionaler Ebene die Studios individuell betrachtet werden. Dann könnte jeweils im Einzelfall entschieden werden, ob und unter welchen Auflagen sie wieder öffnen können.

Branche warnt vor Kahlschlag

Jahrelang erlebten die knapp 10 000 Fitnessstudios in Deutschland einen Aufschwung, 2019 verzeichneten sie gut 11,6 Millionen Mitglieder. Mit den Schließungen aber macht sich Ernüchterung breit, zumal ein Ende der Durststrecke im Corona-Winter kaum absehbar ist.

„Die Unsicherheit in der Branche ist groß“, sagt Ralph Scholz, Vorsitzender des Deutschen Industrieverbands für Fitness und Gesundheit (DIFG). Es fehle eine verlässliche Perspektive der Politik für die Corona-Pandemie, klagt er. „Die Studios können nicht im 14-Tages-Rhythmus planen, ob sie wieder öffnen dürfen oder nicht.“ Zwar sei die Branche berechtigt für die Novemberhilfen der Bundesregierung. Doch wann und für wen genau Geld fließe, sei unklar.

Hinzu kommt, dass geschlossene Fitnessstudios keine neuen Mitglieder anlocken. Die Branche dürfte bis Jahresende 10 bis 15 Prozent weniger Mitglieder haben als Ende 2019, fürchtet Scholz. Das wären rund 1,6 Millionen. Die Umsatzeinbußen beziffert er bei 5,5 Milliarden Euro jährlichen Beitragseinnahmen auf rund 460 Millionen pro Monat. „Wenn der Lockdown noch lange dauert, werden viele das nicht überleben.“ (Quelle: dpa)

Autor

Bilder