Der sonst recht schlagfertige und witzige Ross Antony ist an diesem Abend nicht so richtig in Form. Wie in jedem Jahr bringt er mit dem Schlitten allen möglichen Krempel in die Show, der sich möglicherweise für illustre Geschenke beim Schrott-Wichten verwenden lässt: Eine mobile Ein-Mann-Sauna, in die der Florian natürlich sogleich einsteigt („Das funktioniert ja wirklich!“), einen selbst rührenden Kaffeebecher oder einen Anti-Schnarch-Klopfer. Beim Geplänkel mit dem Moderator über diese tollen Geschenke aber geht’s ziemlich durcheinander – bloß gut, dass gleich danach Ella und Norbert Endlich „Fröhliche Weihnacht überall“ wünschen! Seit 2009 ist die in Weimar geborenen Sängerin – sonst mit blonden, diesmal mit braunen Haaren – in der Show zu Gast und sie singt natürlich auch diesmal ihren Weihnachtshit „Halt mich, küss mich, lieb mich“ nach der Melodie des „Aschenbrödel“-Songs.
Andrea Berg ist – wie immer – schwer gerührt, hat mehrere Auftritte in der Show und darf das „Friedenslicht-Lied“ singen. Seit vielen Jahren ist die Ankunft des Lichts in einer Speziallampe in Suhl der emotionale Höhepunkt der Show. Die Aktion wird vom ORF in Oberösterreich organisiert. Wegen der Pandemie reiste aber in diesem Jahr kein dafür nominiertes Kind nach Bethlehem, um das Licht in der Geburtsgrotte Jesu zu entzünden, sondern die neunjährige Rianna Danho aus der palästinensischen Stadt übernahm diese Aufgabe. Der elfjährige Tobias Nußbaumer holte das Licht dann am Wiener Flughafen ab, brachte es nach Suhl – und entzündet es in der Sendung. Andrea Berg gelingt ein berührender Moment. Freilich, an den überragenden Auftritt der französischen Sängerin Mireille Mathieu an dieser Stelle wird sich so mancher noch gerne erinnern.
Mit Bülent Ceylan liest in diesem Jahr zum ersten Mal keine Schauspielerin und kein Schauspieler die Weihnachtsgeschichte, sondern ein Comedian. Die Einladung an ihn beruht wohl auch auf einer Freundschaft mit Florian Silbereisen, die sich beide in der Show versichern. Dennoch: Der gebürtige Mannheimer, Botschafter der Stiftung Lesen, verzaubert mit einer kurzen, aber rührenden Geschichte sicherlich auch das Publikum am TV. Die Kinder, die beim Vorlesen bei ihm sitzen, lauschen jedenfalls gespannt.
Florian Silbereisen nutzt das „Adventsfest“, um junge Talente seiner Schlager-Shows vorzustellen. Bei der „Schlagerchallenge 2021“ im September in Leipzig siegte überraschend Eric Philippi. Der junge Saarländer singt nicht nur, sondern spielt auch Klavier und Trompete – und macht beim Plausch mit dem Moderator einen überaus sympathischen Eindruck. Damals knapp unterlegen ist die junge und nicht minder sympathische Elsässerin Romy Kirsch. Sie darf beim „Adventsfest“ mit einem Lied an verstorbene Künstler und Politiker des vergangenen Jahres zu erinnern.
Üblicherweise verändert die Sendung im Lauf des Abend ein wenig ihren Charakter: Das weihnachtliche Flair weicht den Show-Elementen. Diesmal ist es anders, und das liegt nicht nur daran, dass Andy Borg mit dem DDR-Klassiker „Weihnachten, Weihnachten steht vor der Tür“ ziemlich spät am Abend seinen Auftritt hat, es liegt auch an einem Feuerwerk der Stars: Howard Carpendale singt „Happy Christmas“, Roland Kaiser „Oh du Fröhliche“ und „Let it snow“, Jazz-Trompeter Till Brönner begleitet u.a. Florian Silbereisen mit einem tollen Solo zum „Adventsfest“-Klassiker „Mary’s boy child Jesus Christ“. Der Auftritt der Kelly Family gerät weniger spektakulär als vielleicht erwartet – da hilft auch nicht „Feliz Navidat“: Sie sind halt einfach älter geworden.
Ireen Sheer verkündet ihren Abschied von der Bühne – allerdings, ihre Fans dürfte das freuen, erst in einem Jahr. Sie will alle Konzerte, die wegen Corona verschoben wurden, nachholen. Die „No Angels“ versichern, sich gegenseitig zum Fest „viel Liebe“ zu schenken, Matthias Reim und Christin Stark singen im einem brennenden Herzen „Letzte Weihnacht“ auf Deutsch – und ganz am Schluss kommt dann wirklich der Höhepunkt, auf den vor allem die jüngeren Fans der Show gewartet haben: Andreas Gabalier, selbst ernannter „Weihnachts-Rock’n’Roller“, singt zwei Titel seines neuen Weihnachtsalbums.
Dann ist Finale, und dann ist diese Show vorbei, die unter enormen Zeitdruck und ständig veränderten Pandemie-Regeln in Suhl produziert worden war. Das merkt man ihr an, ganz perfekt klappt vor allem die Technik nicht: Da wirft das Licht unschöne Schatten, da schaut der ein oder andere in die falsche Kamera – aber: Das „Adventsfest“ liefert am Vorabend des 1. Advent mal etwas anderes als immer nur Corona-Schlagzeilen im TV. Da ist wirklich eine Spur der Weihnachtszeit – so dezent gelegt, wie die Gefühlslage vieler wohl gerade ist. So trifft diese Show ohne Publikum genau den Nerv. Und Produzent Michael Jürgens behält Recht: Bilder aus einem vollen Saal mit ausgelassen feiernden Menschen wären irgendwie merkwürdig gewesen. In Deutschland sehen am Samstagabend 5,99 Millionen Menschen zu – rund eine halbe Million weniger als 2020 zwar, aber der Marktanteil liegt mit 22,5 Prozent deutlich höher als in den letzten fünf Jahren. Dazu kommen noch die Zuschauer in Österreich und der Schweiz. Für Suhl bleibt abermals festzuhalten: Auch in der Pandemie lässt sich hier hochwertige TV-Unterhaltung produzieren. Dennoch hoffen hier wohl alle auf ein normales „Adventsfest“ – im kommenden Jahr.
Das „Adventsfest der 100 000 Lichter“ ist in der ARD-Mediathek abrufbar. Es läuft außerdem am 21. Dezember (20.15 Uhr) im MDR, am 22. Dezember (22.15 Uhr) im RBB und am 24. Dezember (09.50 Uhr) im BR