Florian Silbereisen „Adventsfest“-Show der Emotionen

Keine Frage – das Publikum fehlt bei diesem „Adventsfest der 100 000 Lichter“ in Suhl. Dennoch gelingt es Florian Silbereisen, eine emotionale Show mit weihnachtlichem Flair und tollen Künstlern über die Bühne zu bringen.

 
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Wer sind die heimlichen Stars bei diesem 16. „Adventsfest“ aus Suhl? Vielleicht ja die Jüngsten auf der Bühne: „Anna und die Lucky Kids“ zum Beispiel, die in diesem Jahr ganz ohne Küchenutensilien und qualmenden Backofen das zur Tradition der Show gehörende Lied von der Weihnachtsbäckerei singen. Wer stand da nicht schon alles mit den Kindern zusammen am Plätzchenteig! Legendär die Version von Otto Waalkes, der den Text – natürlich – ein bisschen in Richtung seines unverkennbaren Friesen-Humors trimmte. Diesmal legt Anna mit den „Lucky Kids“ einen tollen Auftritt hin, und Rolf Zuckowski, der Schöpfer dieses Weihnachtslied-Klassikers, kehrt nach seinem Abschied von der Bühne 2012 noch einmal zu Florian Silbereisen zurück. Im Suhler Publikum saß er ohnehin fast jedes Jahr. Sein kurzer Auftritt ist einer von vielen emotionalen Momenten bei diesem besonderen „Adventsfest der 100 000 Lichter.“

Da die Show nicht live über die Bühne geht, sondern vorher aufgezeichnet wurde, nutzt das Produktionsteam die sich dadurch bietende Chance, und schickt die Kinder immer wieder und bis zum Schluss auf die Bühne: Für die Ankunft des Friedenslichtes sowieso, für die Weihnachtsgeschichte, als Chor, oder einfach nur wenn sie die weihnachtlichen Bilder zu den Auftritten der Stars lebendiger gestalten sollen. Im TV (oder am Theater) dürfen Kinder nur bis 22 Uhr auf die Bühne.

So sind die kleinen Künstler, etwa die „Weihnachtsengelchen aus Suhl“, die Gastgeber Florian Silbereise extra erwähnt, auch eine tolle choreografische Bereicherung. Zum ersten Mal muss das Fernsehen komplett auf Bilder vom Publikum im CCS verzichten. Auch direkt vor der Bühne und hinter den Kameras darf niemand – wie in den vergangenen Jahren üblich – stehen, tanzen oder feiern. Ein kleines Karussell und ein Glühweinstand erinnerten dabei an die Weihnachtsmärkte überall im Land. Florian Silbereisen mischte sich gern direkt unter das Publikum – so erreichten Bilder von der ausgelassenen Stimmung beim „Adventsfest“ in Suhl die TV-Zuschauer.

Diesmal aber gibt es keinen rauschenden Beifall, sondern nur dezentes Klatschen von den Menschen hinter den Kameras. Das irritiert natürlich die Künstler: Wie soll eine fröhliche Weihnachtsshow über die Bühne gehen, wenn kein Publikum reagiert? Anmerken lässt sich das aber niemand. Am wenigsten Florian Silbereisen selbst. In schwarzem Anzug und mit großer, schwarzer Fliege führt er souverän und wortgewandt durch die Sendung, kommt dabei immer wieder mit dem einen – oder der anderen – ins Plaudern. Etwa mit Daniela Katzenberger und Ehemann Lucas Cordalis. Zum ersten mal stehen beide zusammen mit Töchterchen Sophia beim „Adventsfest“ vor der Fernsehkamera – und singen, umringt von lauter Engelchen, das unverwüstliche „Jingle Bells“. Weihnachten müsse so „ausgeleuchtet“ sein, dass „ich fünf Sonnenbrillen brauch’, um das zu verkraften“, behauptet Daniela Katzenberger: „Wenns blinkt und glitzert, das ist voll meins!“ Wer würde das bezweifeln?

Anna-Carina Woitschack singt – ohne Stefan Mross an ihrer Seite – „Leise rieselt der Schnee“ und die „Schlager-Kids“ singen mit „Es schneit“ einen traditionellen Weihnachtslieder-Hit der Show. Der Auftritt, bei dem auch jede Menge Styropor-Schneebälle über die Bühne fliegen, ist brillant choreografiert. Dagegen hat das Nürnberger Christkind in diesem Jahr einen leider nur sehr kurzen Auftritt in Suhl. Wie immer beantwortet es Fragen von Kindern – auf die sonst an dieser Stelle üblichen Bilder von der Eröffnung des Weihnachtsmarktes in der Franken-Metropole muss die Show wie bereits im letzten Jahr verzichten.

Der sonst recht schlagfertige und witzige Ross Antony ist an diesem Abend nicht so richtig in Form. Wie in jedem Jahr bringt er mit dem Schlitten allen möglichen Krempel in die Show, der sich möglicherweise für illustre Geschenke beim Schrott-Wichten verwenden lässt: Eine mobile Ein-Mann-Sauna, in die der Florian natürlich sogleich einsteigt („Das funktioniert ja wirklich!“), einen selbst rührenden Kaffeebecher oder einen Anti-Schnarch-Klopfer. Beim Geplänkel mit dem Moderator über diese tollen Geschenke aber geht’s ziemlich durcheinander – bloß gut, dass gleich danach Ella und Norbert Endlich „Fröhliche Weihnacht überall“ wünschen! Seit 2009 ist die in Weimar geborenen Sängerin – sonst mit blonden, diesmal mit braunen Haaren – in der Show zu Gast und sie singt natürlich auch diesmal ihren Weihnachtshit „Halt mich, küss mich, lieb mich“ nach der Melodie des „Aschenbrödel“-Songs.

Andrea Berg ist – wie immer – schwer gerührt, hat mehrere Auftritte in der Show und darf das „Friedenslicht-Lied“ singen. Seit vielen Jahren ist die Ankunft des Lichts in einer Speziallampe in Suhl der emotionale Höhepunkt der Show. Die Aktion wird vom ORF in Oberösterreich organisiert. Wegen der Pandemie reiste aber in diesem Jahr kein dafür nominiertes Kind nach Bethlehem, um das Licht in der Geburtsgrotte Jesu zu entzünden, sondern die neunjährige Rianna Danho aus der palästinensischen Stadt übernahm diese Aufgabe. Der elfjährige Tobias Nußbaumer holte das Licht dann am Wiener Flughafen ab, brachte es nach Suhl – und entzündet es in der Sendung. Andrea Berg gelingt ein berührender Moment. Freilich, an den überragenden Auftritt der französischen Sängerin Mireille Mathieu an dieser Stelle wird sich so mancher noch gerne erinnern.

Mit Bülent Ceylan liest in diesem Jahr zum ersten Mal keine Schauspielerin und kein Schauspieler die Weihnachtsgeschichte, sondern ein Comedian. Die Einladung an ihn beruht wohl auch auf einer Freundschaft mit Florian Silbereisen, die sich beide in der Show versichern. Dennoch: Der gebürtige Mannheimer, Botschafter der Stiftung Lesen, verzaubert mit einer kurzen, aber rührenden Geschichte sicherlich auch das Publikum am TV. Die Kinder, die beim Vorlesen bei ihm sitzen, lauschen jedenfalls gespannt.

Florian Silbereisen nutzt das „Adventsfest“, um junge Talente seiner Schlager-Shows vorzustellen. Bei der „Schlagerchallenge 2021“ im September in Leipzig siegte überraschend Eric Philippi. Der junge Saarländer singt nicht nur, sondern spielt auch Klavier und Trompete – und macht beim Plausch mit dem Moderator einen überaus sympathischen Eindruck. Damals knapp unterlegen ist die junge und nicht minder sympathische Elsässerin Romy Kirsch. Sie darf beim „Adventsfest“ mit einem Lied an verstorbene Künstler und Politiker des vergangenen Jahres zu erinnern.

Üblicherweise verändert die Sendung im Lauf des Abend ein wenig ihren Charakter: Das weihnachtliche Flair weicht den Show-Elementen. Diesmal ist es anders, und das liegt nicht nur daran, dass Andy Borg mit dem DDR-Klassiker „Weihnachten, Weihnachten steht vor der Tür“ ziemlich spät am Abend seinen Auftritt hat, es liegt auch an einem Feuerwerk der Stars: Howard Carpendale singt „Happy Christmas“, Roland Kaiser „Oh du Fröhliche“ und „Let it snow“, Jazz-Trompeter Till Brönner begleitet u.a. Florian Silbereisen mit einem tollen Solo zum „Adventsfest“-Klassiker „Mary’s boy child Jesus Christ“. Der Auftritt der Kelly Family gerät weniger spektakulär als vielleicht erwartet – da hilft auch nicht „Feliz Navidat“: Sie sind halt einfach älter geworden.

Ireen Sheer verkündet ihren Abschied von der Bühne – allerdings, ihre Fans dürfte das freuen, erst in einem Jahr. Sie will alle Konzerte, die wegen Corona verschoben wurden, nachholen. Die „No Angels“ versichern, sich gegenseitig zum Fest „viel Liebe“ zu schenken, Matthias Reim und Christin Stark singen im einem brennenden Herzen „Letzte Weihnacht“ auf Deutsch – und ganz am Schluss kommt dann wirklich der Höhepunkt, auf den vor allem die jüngeren Fans der Show gewartet haben: Andreas Gabalier, selbst ernannter „Weihnachts-Rock’n’Roller“, singt zwei Titel seines neuen Weihnachtsalbums.

Dann ist Finale, und dann ist diese Show vorbei, die unter enormen Zeitdruck und ständig veränderten Pandemie-Regeln in Suhl produziert worden war. Das merkt man ihr an, ganz perfekt klappt vor allem die Technik nicht: Da wirft das Licht unschöne Schatten, da schaut der ein oder andere in die falsche Kamera – aber: Das „Adventsfest“ liefert am Vorabend des 1. Advent mal etwas anderes als immer nur Corona-Schlagzeilen im TV. Da ist wirklich eine Spur der Weihnachtszeit – so dezent gelegt, wie die Gefühlslage vieler wohl gerade ist. So trifft diese Show ohne Publikum genau den Nerv. Und Produzent Michael Jürgens behält Recht: Bilder aus einem vollen Saal mit ausgelassen feiernden Menschen wären irgendwie merkwürdig gewesen. In Deutschland sehen am Samstagabend 5,99 Millionen Menschen zu – rund eine halbe Million weniger als 2020 zwar, aber der Marktanteil liegt mit 22,5 Prozent deutlich höher als in den letzten fünf Jahren. Dazu kommen noch die Zuschauer in Österreich und der Schweiz. Für Suhl bleibt abermals festzuhalten: Auch in der Pandemie lässt sich hier hochwertige TV-Unterhaltung produzieren. Dennoch hoffen hier wohl alle auf ein normales „Adventsfest“ – im kommenden Jahr.

Das „Adventsfest der 100 000 Lichter“ ist in der ARD-Mediathek abrufbar. Es läuft außerdem am 21. Dezember (20.15 Uhr) im MDR, am 22. Dezember (22.15 Uhr) im RBB und am 24. Dezember (09.50 Uhr) im BR

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