Florian Sitzmann in Coburg 900 Kilometer nur mit den Armen

Norbert Klüglein
Von Hamburg zur Zugspitze. Der Tross von Handbiker Flo Sitzmann (Mitte) machte am Mittwochabend in Coburg Station. Ab Eisfeld erhielt der Leistungssportler Begleitung von Prinz Andreas von Sachsen-Coburg und Gotha (links). Der Prinz fuhr mit seinem Liegerad bis zum Marktplatz. Foto:  

Ein Behindertensportler radelt von Hamburg bis zur Zugspitze. Am Mittwoch kommt er ins Coburger Land und trifft viele Freunde.

 
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Die Coburger habens drauf!“ Nach einer knapp 100 Kilometer langen Etappe auf dem Rad bei Nachmittagstemperaturen von 30 Grad und mehr, ist Flo Sitzmann zwar erschöpft, als er am Mittwochabend auf dem Coburger Marktplatz ankommt. Dennoch kann er es sehr schätzen, welchen Empfang das Coburger Land ihm bereitet: Händeschütteln, Schulterklopfen, Sambaklänge und ein Füllhorn voll Spendengeldern für die Institutionen, die Sitzmann unterstützt.

Der Frankfurter Leistungssportler ist trotz der Strapazen, die hinter ihm liegen, gut drauf: „In Coburger hätte ich ja nichts anderes erwartet“, scherzt er, als sein Team jubelnd empfangen wird. Tatsächlich ist die Vestestadt seine zweite Heimat. Der Vater des 46-Jährigen lebt hier. Hier hat er Trainingspartner – etwa den Coburger Bauunternehmer Max Beyersdorf. Hier erfährt er Unterstützung durch Sponsoren. Und hier ist Halbzeit auf der jüngsten Tour, die sich Sitzmann vorgenommen hat.

Er will von Hamburg bis zur Zugspitze radeln. 900 Kilometer in 13 Etappen. Eine reife Leistung. Vor allem wenn man bedenkt, dass dem Sportler nicht die Kraft seiner Oberschenkel zur Verfügung seht um vorwärts zu kommen. Er bezieht seinen Speed aus der Armmuskulatur. Sitzmann ist nämlich „ein halber Mann“, wie er sich selbst nennt.

Ein schwerer Schock

Im August 1992 verliert der damals 16-Jährige bei einem schweren Motorradunfall beide Beine. Ein Schock, denn der junge Mann hatte andere Pläne, als im Rollstuhl zu sitzen. Nach Monaten im Krankenhaus und der Reha akzeptiert Flo Sitzmann allmählich sein Schicksal und richtet den Blick wieder nach vorne. Der Sport hilft ihm, neues Selbstvertrauen aufzubauen. Sitzmann schafft es einer der erfolgreichsten Handbiker Deutschlands zu werden: dreimal Deutscher Meister, Vize-Weltmeister, Teilnahme an Paralympics. Seine sportlichen Erfolge widmet er auch denjenigen, denen es schlechter geht als ihm: Kindern in Not, unverschuldet in Not geratenen Menschen und Behinderten.

Auch auf der jüngsten Tour, ist es Sitzmann ein Anliegen, Spendengelder zu sammeln. Eine Adresse ist die Stiftung „Hoffnung für Kinder“. Sie wurde 1996 von der Groß-Gerauer Volksbank ins Leben gerufen und hilft notleidenden Kindern. Dafür stellt am Mittwochabend die R+V Versicherung 5000 Euro zur Verfügung, die Filialdirektorin Jutte Holzmann aus Würzburg an Florian Sitzmann überreicht. Lokal kommen noch zwei Projekte dazu, die dank des Engagement der VR-Bank Coburg unterstützt werden. Norbert Schug, Vorstandsvorsitzender der VR-Bank Coburg, hat einen Scheck über 2500 Euro dabei, der an den FC FED Olé geht. FED Olé ist ein Fußballklub, der sich unter dem Dach der Diakonie gegründet hat und der auch gehandicapte Spieler in seinen Reihen zählt. VR-Bank-Generalbevollmächtigter Matthias Herpich freut sich ebenfalls 2500 Euro an die Familie Kuhnlein aus Mitwitz überreichen zu können. Juliane Kuhnlein erkrankte im Juni 2020 nach einem Zeckenstich so schwer an FSME (Frühsommer-Meningoenzephalitis), dass sie ins Koma fiel und seitdem vom Kopf abwärts gelähmt ist. Die Spende soll helfen einen Spezialrollstuhl besser Transportieren zu können. Neben der VR-Bank unterstützen die Firmen Wöhner aus Rödental sowie Lasco und Schwindt aus Coburg die Hilfsprojekt von Sitzmann.

Ungewöhnliches Jubiläum

Am Donnerstagmorgen ist der Tross des Handbikers dann schon wieder auf der Straße. Erlangen ist diesmal das Etappenziel. Über Weißenburg, Augsburg, Weilheim und Garmisch geht es dann Deutschlands höchstem Berg, der Zugspitze, entgegen. Die sportliche Herausforderung ist übrigens kein Selbstzweck. „Der Tag, an dem wir den Bergen ankommen wollen, hat besonderer Bedeutung für mich“, verrät Florian Sitzmann. „Am 31. August sitze ich dann seit 30 Jahren im Rollstuhl.“ Der Sportler sagt das heute ohne jeden bitteren Unterton, denn er hat sein Schicksal in die Hand genommen sich den Herausforderungen gestellt.

Einen, den Flo Sitzmann in Eisfeld trifft und der ihn bis nach Coburg auf dem Liegerad begleitet, handelt ebenso. Es ist Prinz Andreas von Sachsen-Coburg und Gotha. Als er an Parkinson erkrankt, entschließt sich der Chef des Hauses Coburg gegen die Muskelschwäche anzustrampeln. Seitdem ist das Liegerad das Sportgerät des Prinzen. 2019 lädt er Florian Sitzmann ein, ihn ein Stück weit auf dem Weg nach Gotha zu begleiten. Nun revanchiert sich Prinz Andreas.

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