Foodsharing in Coburg Keine Verschwendung unter dieser Nummer

Gratisbackwaren statt teurer Minuten: Tina Gehlen-Hopf von Foodsharing Coburg und Stefan Kornherr von der Diakoniepräsentieren ihren „Fairteiler“ der etwas anderen Art. Foto: Frank Wunderatsch/Neue Presse

Neuerdings steht in der Metzgergasse eine frisch in Schuss gebrachte gelbe Telefonzelle. Was es mit dem Hingucker auf sich hat.

 
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Anfang kommenden Jahres endet hierzulande eine Ära, eine die diese mitunter inflationär verwendete Bezeichnung auch tatsächlich verdient. Sie begann im vorvergangenen Jahrhundert, in Berlin, anno 1881 mit dem ersten sogenannten Fernsprechkiosk. Ab Ende Januar 2023 wird der gesamte Telekommunikationsdienst an den bundesweit noch verbliebenen rund 12 000 Telefonsäulen und -häuschen abgeschaltet, wie die in Bonn sitzende Telekom unlängst verlautbarte. 142 Jahre, von Otto von Bismarck bis Olaf Scholz. Na dann, auf Wiederhören! Oder wohl eher nicht.

Wie es sich für eine ausgewachsene Ära gehört, bleibt freilich etwas von ihr als Erbe. Im Falle der öffentlichen Fernsprecher sind dies die ikonischen gelb lackierten Telefonzellen im Stadt- und Landschaftsbild der von 1947 bis 1994 bestehenden Bundespost, der Vorgängerin der Telekom. Eine davon steht neuerdings in der Metzgergasse in Coburg, und manch eine oder einer dürfte schon gerätselt haben, was es mit dem neuen Hingucker in der Straße denn auf sich hat.

Die Auflösung: Seit etwa zwei Wochen dient das Häuschen als Foodsharing-Station, im Innern lagern seitdem in mehreren Plastikkisten vornehmlich Backwaren, die jederfrau und jedermann rund um die Uhr mitnehmen kann. Der Begriff Foodsharing meint das organisierte Sammeln, Teilen und Verteilen überschüssiger oder unverkäuflicher Lebensmittel als Maßnahme gegen die überbordende Verschwendung derer. Im Zentrum steht also das Retten von Nahrungsmitteln. Foodsharing richtet sich an alle Menschen, nicht nur an solche mit geringem Einkommen. Die Initiative ist nicht zu verwechseln mit der Tafel, die ausdrücklich Vorrang genießt.

Durch den deutschen Bürokratiedschungel

Hinter dem schicken neuen Fairteiler – so heißen die Stationen im Foodsharing-Sprech – steckt eine Kooperation der Diakonie mit der Stadt Coburg, dem Klimaschutzbeauftragten im Stadtrat, Creapolis und den hiesigen Ehrenamtlichen des deutschen Foodsharing-Netzwerks. An diesem Mittwoch nun haben unter anderem Stefan Kornherr, Leiter der Diakonie-Bezirksstelle in der Vestestadt, und Oberbürgermeister Dominik Sauerteig in den Räumen der Diakonie ihr kleines Gemeinschaftsprojekt präsentiert.

Stefan Kornherr sprach am Mittwoch denn auch von einer „Gemeinschaftsarbeit“. Die Idee gleichwohl geht zurück auf den Mann von der Diakonie, die schon seit geraumer Zeit eine Foodsharing-Station in ihrem Büro in der Metzgergasse beheimatet. Kornherr, der sich von einer zu einem öffentlichen Bücherschrank umfunktionierten Telefonzelle in seiner Heimatgemeinde Grub am Forst hatte inspirieren lassen, war es dann auch, der das Häuschen via Ebay auftrieb.

Anschließend galt es, die Zelle, die zwischenzeitlich blau angepinselt worden war, in Schuss zu bringen. Entkernen, Farbe abschleifen, neu streichen, Regal anfertigen und anbringen. Dazu gesellte sich der obligatorische Abenteuertrip durch den deutschen Bürokratiedschungel: Grünflächenamt, Bauamt, Gewerbeamt und nicht zuletzt vorbei an der Lebensmittelüberwachung. Ein Jahr lang dauerte all dies in Summe.

„Charmanter Baustein“

Das Resultat nannte Oberbürgermeister Dominik Sauerteig (SPD) am Mittwoch einen „tollen kleinen, charmanten Baustein“ des Coburger Green Deals 2030. Unter Einbezug der Bürgerinnen und Bürger sollen unter diesem Schlagwort in einem zweijährigen Prozess Möglichkeiten erarbeitet werden, wie die Stadt „nachhaltiger werden und sozial gerecht bleiben kann“, so ist es auf der zugehörigen Internetseite nachzulesen.

„Häufig wird von den großen Schritten gesprochen, aber tatsächlich sind es für mich die kleinen, die etwas beitragen können zu einer besseren Welt“, schloss sich Sauerteigs Bruder Stefan, der Klimaschutzbeauftragte im Stadtrat, an, er hoffe, dass viele kleine Schritte folgen. „Um Nahrungsmittel zu produzieren, werden große Mengen Energie verwendet. Das sind wertvolle Ressourcen, die knapp und teuer sind, und die dank solcher Projekte nicht verschwendet werden.“

Ein Netzwerk von Ehrenamtlichen bildet das Rückgrat der Foodsharing-Initiative. Diese holen die Lebensmittel von teilnehmenden Betrieben in der jeweiligen Region ab und bringen sie in die diversen Fairteiler. Die Station in der Metzgergasse darf übrigens ausschließlich von den offiziellen Nahrungsmittelrettern bestückt werden. Coburg zählt derer aktuell um die 60, die in den vergangenen fünf Jahren bereits 35 Tonnen vor der Mülltonne bewahrt haben.

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