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Stechmücken setzen den Karibus im Sommer mächtig zu
Das ist aber nicht das einzige Problem, vor dem die Tiere künftig wohl häufiger stehen werden. Der Klimawandel könnte noch eine ganze Reihe weiterer Herausforderungen mit sich bringen. Zum Beispiel mehr Waldbrände in den Regionen, in denen die sesshaften Karibus zu Hause sind. Oder mehr Konkurrenz durch Elche und Wapiti-Hirsche, die mit den höheren Temperaturen weiter nach Norden vordringen dürften.
Vor allem aber könnten die Wochen zwischen Ende Juni und Mitte Juli noch unerträglicher werden als bisher. „Wegen der Stechmücken ist das für Karibus die schwierigste und tödlichste Zeit des Jahres“, erklärt Gurarie. Um den Attacken der fliegenden Vampire zu entgehen, sind die Tiere ständig in Bewegung und verbrauchen dabei sehr viel Energie. Vor allem in heißen und windstillen Jahren, wenn die Plage besonders schlimm ist, kommen sie kaum zum Fressen. „Wenn sich solche Jahre in Zukunft häufen, wäre das für die Karibus also der pure Stress“, meint der Forscher.
Am gefährlichsten sind die Aktivitäten der Menschen
Trotzdem ist er ziemlich sicher, dass die Art mit einer wärmeren Zukunft zurechtkommen könnte. Sie habe im Laufe ihrer Evolutionsgeschichte schließlich schon etliche Klimaveränderungen überlebt. Und sie verfüge nicht nur über ein riesiges Verbreitungsgebiet, sondern sei auch recht anpassungsfähig.
„Die größte Gefahr für Rentiere und Karibus sind tatsächlich nicht die steigenden Temperaturen, sondern die Aktivitäten des Menschen“, davon ist Elie Gurarie überzeugt. Ob durch Straßen- oder Bergbau, immer neue Gas-Explorationen oder das Öffnen der arktischen Häfen: Der hohe Norden verändert zunehmend sein Gesicht. Es wird unfreundlicher für die Geweihträger, die dort seit Jahrtausenden gelebt haben.
So leben Rentiere und Karibus in Taiga und Tundra
Anpassung
Die nordamerikanischen Karibus und die eurasischen Rentiere gehören zur Art Rangifer tarandus. Sie leben in Taiga und Tundra und trotzen deren Herausforderungen mit einer Reihe von speziellen Anpassungen.
Hufe
Auf breiten, spreizbaren Hufen laufen sie problemlos über Schnee und Sumpf. So erlaubt es ihnen ihr Fettstoffwechsel, Zeiten mit knapper Nahrung gut zu überstehen. Ihre innere Uhr passt sich an den Wechsel zwischen nie untergehender Sonne und wochenlanger Polarnacht an. Ihr Vitamin-D-Stoffwechsel ist sehr effektiv. Dadurch droht auch im dunklen Winter kein Mangel am Knochenwachstumsvitamin, die Tiere können in dieser Zeit sogar ihre Geweihe wachsen lassen.
Geweih
Karibus und Rentiere sind die einzigen Hirscharten, bei denen beide Geschlechter ein Geweih tragen. Sie sind auch die einzigen Vertreter in ihrer Verwandtschaft, die domestiziert wurden – allerdings nur in Europa und Asien, in Amerika leben sie wild.