Fragen und Antworten rund um Essstörungen Was ist Binge Eating?

Markus Brauer/AFP/

Im Internet sieht es so leicht aus: Social-Media-Plattformen quellen über von Bildern scheinbar perfekter Körper. In der Realität kämpfen immer mehr vor allem junge Frauen mit Essstörungen wie Magersucht, Bulimie und Binge Eating. Das hat viele Gründe.

 
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Viele Menschen, die an einer Essstörung leiden, lehnen zunächst Hilfe ab. Ein wichtiger Schritt zur Veränderung ist es, zu erkennen, dass man krank ist. Foto: dpa/Annette Riedl

Extremer Gewichtsverlust ist ein sehr offensichtliches Anzeichen für eine Essstörung. Eltern sollten aber schon hellhörig werden, wenn sich bei ihrem Kind alles nur noch ums Thema Essen dreht. Betroffene ziehen sich manchmal auch zurück, wirken verändert.

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Wann beginnen Essstörungen?

Eine typische Zeit für die Entwicklung einer Essstörung ist die Pubertät. Bei den Teenagern steht der Selbstwert ohnehin auf dem Prüfstand und ein geringes Selbstwertgefühl ist genauso wie ein negatives Körperbild ein Risikofaktor für eine Essstörung. Ausgelöst wird die Krankheit zum Beispiel von kritischen Lebensereignissen, Misserfolgen oder Hänseleien.

Ein junges Mädchen hält sich die Hände vor ihr Gesicht: Schwere Ängste, Depressionen und Essstörungen infolge von Krisen haben vor allem bei jungen Frauen deutlich zugenommen. Foto: dpa/Nicolas Armer

Wer ist für Essstörungen besonders anfällig?

Besonders anfällig für Essstörungen sind Heranwachsende, die bereits unter seelischen Problemen leiden oder einen geringen Selbstwert haben. Als Alarmzeichen gilt demnach, wenn Betroffene unverhältnismäßig viel Aufwand für das eigene Aussehen betreiben, geliebte Hobbys plötzlich aufgeben und sich nur noch mit sozialen Medien beschäftigen.

Weitere Signale sind sozialer Rückzug, Gewichtsveränderungen sowie auffälliges Essverhalten, unter anderem eingeschränkte Nahrungsauswahl, Erbrechen oder die Einnahme von Abführmitteln.

Wie verbreitet sind Essstörungen?

  • Mädchen: Essstörungen haben in den vergangenen Jahren besonders bei Mädchen stark zugenommen. Wie aus jüngsten Daten der Kaufmännischen Krankenkasse (KKH) in Hannover hervorgeht, sind die Fälle von Magersucht, Bulimie und Binge Eating bei den zwölf- bis 17-jährigen Mädchen zwischen 2012 und 2022 um rund 54 Prozent angestiegen. Während 2012 insgesamt 90 Fälle pro 10 000 Versicherte registriert wurden, waren es zehn Jahre später schon 139 Fälle.
  • Jungen: Zugleich ist der Anteil der zwölf- bis 17-jährigen Mädchen mit Essstörungen im Vergleich zu den gleichaltrigen Jungen mit 38 Fällen pro 10 000 Versicherte etwa viermal so hoch.
  • Betroffene: 2022 wurden nach einer KKH-Hochrechnung insgesamt rund 455 000 Menschen in Deutschland wegen Magersucht, Bulimie oder Binge Eating ambulant behandelt.

Welche Essstörungen gibt es?

Neben Magersucht (Anorexie) gibt es aber noch weitere Essstörungen, erläutert die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA). Dazu gehören Bulimie, die Binge-Eating-Störung und das Night-Eating-Syndrom.

Scharf trennen lassen sich die einzelnen Störungen allerdings nicht. „Eine Mischform ist genauso gefährlich und genauso behandlungsbedürftig“, unterstreicht Lydia Lamers, BZgA-Referentin für die Prävention ernährungsbedingter Erkrankungen.

Was ist Magersucht?

Bei der Magersucht (Anorexia nervosa) handelt es sich um eine Erkrankung, bei der Menschen bis hin zu einem lebensbedrohlichen Untergewicht hungern.

Was ist Bulimie?

Bei Ess-Brech-Sucht (Bulimia nervosa) verspüren Betroffene einen starken Zwang, ihr Körpergewicht zu kontrollieren. Bulimiker essen in kurzer Zeit große Mengen. Um die Kalorienzufuhr rückgängig zu machen, erbrechen sie nach den Essattacken oder nehmen Abführmittel.

Anorexie oder Bulimie lassen sich nicht von Beginn an am Körpergewicht bemessen. Wenn sich alles nur noch um das Gewicht, die Ernährung oder die Kleidergröße dreht, sind das aber Warnsignale für eine Essstörung. Foto: dpa/Monique Wüstenhagen

Was ist Binge-Eating?

Essattacken kennzeichnen auch die Binge-Eating-Störung. Nur werden die Attacken nicht wieder „ungeschehen“ gemacht. Binge-Eating geht mit wiederkehrenden, unkontrollierbaren Essattacken einher und führt zu starkem Übergewicht oder gar Adipositas.

Diese Anfälle können zweimal in der Woche, aber auch mehrmal täglich auftreten. Darauf weist der Berufsverband Deutscher Psychiater (BVDP) hin. Anders als bei Bulimie ergreifen Menschen mit Binge-Eating-Störung aber in der Regel nach einem Essanfall keine Gegenmaßnahmen wie sich zu übergeben. Deshalb sind sie oft übergewichtig, was einen zusätzlichen Leidensdruck mit sich bringt. In Gesellschaft essen Betroffene oft normal oder vermeiden es.

Binge-Eating geht mit wiederkehrenden, unkontrollierbaren Essattacken einher und führt zu starkem Übergewicht oder gar Adipositas. Foto: Imago/Pond5 Images

Was ist das Night-Eating-Syndrom?

Spätes und auch nächtliches Essen kann auch ein Symptom für eine Essstörung sein – das Night-Eating-Syndrom (NES). Etwa 1,5 Millionen Menschen stehen Schätzungen zufolge nachts auf, um etwas zu essen, erläutert Martin Teufel, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Essstörungen.

Wer von einem Night-Eating-Syndrom betroffen ist, isst zu später Stunde übermäßig viel, teilweise nachdem er oder sie schon geschlafen hat. „Mindestens 25 Prozent der täglichen Kalorien werden regelmäßig spät aufgenommen“, berichtet Anja Hilbert, Professorin für Verhaltensmedizin an der Uniklinik in Leipzig.

Einige Menschen mit NES entwickeln Übergewicht oder Adipositas. Das nächtliche Essen kann sich außerdem schlecht auf den Schlaf und dann auch auf den Alltag auswirken. Auch Schuld- und Schamgefühle für ihr Verhalten können bei Betroffenen ein Thema sein.

Bei Menschen mit NES ist die innere Uhr aus dem Takt. „Es gibt Hinweise darauf, dass nicht nur Schlaf- und Wachzeiten sich verschieben, sondern auch die Hormone durcheinander geraten sind“, erklärt Anja Hilbert.

Eine Essstörung ist nicht einfach eine Phase, die von allein vorübergeht. Man sollte entsprechende Beobachtungen ernst nehmen und Betroffene zu einer Therapie ermutigen. Foto: dpa/Christin Klose

Wer ist von Essstörungen betroffen?

Generell sind Essstörungen eher bei Frauen zu finden. Bei der Binge-Eating-Störung ist dagegen mit rund 40 Prozent der Männeranteil vergleichsweise hoch. Bei Anorexie und Bulimie sind es je nach Studie nur ungefähr 10 Prozent Männer, erläutert Silja Vocks, Professorin für Klinische Psychologie und Psychotherapie an der Universität Osnabrück.

Um ihre Essstörung in den Griff zu bekommen, müssen Betroffene sich zunächst eingestehen, dass sie ein Problem haben und Hilfe brauchen. Sie können sich an Beratungsstellen, ihren Hausarzt, einen Facharzt oder an eine spezialisierte Klinik wenden.

Vor allem Menschen, die einen ausgeprägten Schlankheitsdrang haben, unzufrieden mit ihrer Figur sind oder die äußere Erscheinung überbewerten, neigen zur Binge-Eating-Störung.

Welchen Einfluss üben soziale Medien aus?

Die Logos der Social-Media-Plattformen und Messenger-Dienste WhatsApp (v. li. n. re.), Twitter, TikTok, Microsoft Teams, Clubhouse, Facebook, Instagram, Slack und Telegramm sind auf einem Smartphone zu sehen. Foto: dpa/Christoph Dernbach

Nicht nur die in sozialen Medien propagierten Schönheitstrends können der KKH zufolge die Psyche stark belasten und bei Jugendlichen Selbstzweifel schüren, die zu seelischen Erkrankungen wie Essstörungen führen können.

Je intensiver die Nutzung sozialer Medien ist, desto größer ist der Analyse zufolge auch das Risiko für eine Unzufriedenheit mit dem eigenen Körper, für Bodyshaming und damit verbundene Essstörungen. Das könnte auch den deutlichen Anstieg der KKH-Zahlen während der Pandemie erklären, denn in dieser Zeit waren Kinder und Jugendliche noch intensiver auf Kanälen wie Instagram und Tiktok unterwegs.