Hommage an Notre-Dame bei Olympia
Bei der Eröffnung soll das gotische Meisterwerk Teil der Feierlichkeiten sein. Laut Thomas Jolly, künstlicher Leiter der Olympia-Zeremonien, soll es bei der Inszenierung der Schau eine Rolle spielen. Notre-Dame und dem neuen Turm werde eine besondere Hommage zuteil, wie der Theaterregisseur und Schauspieler dem Radiosender France Inter sagte.
Die Eröffnungszeremonie findet erstmals nicht in einem Stadion statt, sondern mitten in der Stadt auf der Seine. Die sechs Kilometer lange Bootsparade führt an Wahrzeichen wie dem Eiffelturm, dem Louvre und der Notre-Dame vorbei. Bei den letzten Olympischen Spielen in Paris 1924 wurde in der Kathedrale eine religiöse Zeremonie zur Eröffnung abgehalten.
Der Vierungsturm, der mehr als 90 Meter über dem Boden gipfelt, ist ein ikonisches Merkmal der Kathedrale. Das Original wurde im Jahr 1250 errichtet und war ein Glockenturm. Während der Französischen Revolution (1789-1799) wurde der Turm abgebaut. Über 70 Jahre später wurde er als architektonisches Meisterwerk des 19. Jahrhunderts wiedererrichtet. Der Turm, dessen Zweck rein dekorativer Natur war, wurde auf einem achteckigen, auf den vier Säulen des Querschiffs ruhenden Sockel gebaut - in 18 Monaten. Am 15. April 2019 fielen dann in rund nur einer Stunde die 500 Tonnen Holz und 250 Tonnen Blei in sich zusammen.
Neuer Hahn auf der Spitze
Als höchster Punkt des Denkmals hat der Spitzturm neben seiner ästhetischen und architektonischen Qualität auch eine starke religiöse Bedeutung. An der Spitze ragte ein Hahn in die Höhe, in dem sich drei Relikte befanden: Mehrere Dornen der Heiligen Dornenkrone, ein Relikt des Heiligen Dionysius und eines der Heiligen Genoveva.
Der Hahn wurde Stunden nach dem Brand aus den Trümmern gerettet. Er soll im zukünftigen Notre-Dame-Museum zu sehen sein, zusammen mit der Dornenkrone von Jesus Christus, einem Heiligen Nagel sowie einem Splitter des Heiligen Kreuzes. Im Christentum symbolisiert der Hahn die Rückkehr des Lichts nach der Nacht. Auf vielen Kirchtürmen sieht man deshalb einen Hahn sitzen. Die Überreste des Heiligen Dionysius, erster Bischof von Paris und Märtyrer, sowie der Heiligen Genoveva, der Schutzpatronin von Paris, sollen Frankreichs Hauptstadt und deren Bewohnern Schutz verleihen.
Seit Mitte Dezember ragt nun ein neuer vergoldeter Kupferhahn in den Großstadthimmel - im Inneren mit einer Hinterlassenschaft mehr. Eine Liste aller an diesem Wiederaufbau beteiligten Personen - fast 2000 Namen.
Feueralarm nach Gottesdienstbeginn
Für den Wiederaufbau des Turms wurden 1000 Eichenbäume im Alter zwischen 100 und 200 Jahren gefällt. Nicht weniger Stämme waren für das Gerüst der Gewölbe des Kirchenschiffs und des Chors notwendig, die nach mittelalterlichem Vorbild restauriert wurden.
In Rekordzeit wurden die neuen Balken von Hand mit der Axt bearbeitet, genau wie zur Zeit der ersten Baumeister, zu denen die Virtual-Reality-Schau "Éternelle Notre-Dame" (Die ewige Notre-Dame) unter dem Vorplatz der Kathedrale führt. Frankreich sei das Land der Baumeister, sagte Frankreichs Staatschef, als er nur einen Tag nach dem Brand ankündigte, das Gotteshaus innerhalb von fünf Jahren wieder aufzubauen.
Seit der Grundsteinlegung im Jahr 1163 hat die Kathedrale mit den Jahrhunderten ihr Gesicht verändert: Sie wurde erweitert, geplündert, verwüstet und renoviert. Eine der bedeutendsten Restaurierungen hätten die im Juli 2018 begonnenen Instand- und Modernisierungsarbeiten sein sollen. Doch knapp neun Monate später passierte das bis dahin Unvorstellbare.
Am 15. April 2019 ertönte um 18.20 Uhr, nach Gottesdienstbeginn, der erste Feueralarm. Die Gläubigen mussten aus dem Gebäude, durften aber wieder zurück, denn es war nichts von einem Feuer zu sehen. Wenige Minuten später, um 18.43 Uhr, ging der Alarm erneut los. Zu spät. Von außen war bereits eine riesige Rauchwolke zu sehen, die vom Dachboden über der Kathedrale aufstieg.
Die Brandursache ist bis heute nicht geklärt. Erste Vermutungen gingen von einem missachteten Rauchverbot auf der Baustelle aus. Auch ein Kurzschluss ist möglich.