Freude in Neustadt Kinderfest ist jetzt Kulturerbe

Sie darf beim Umzug zum traditionsreichen Neustadter Kinderfest nicht fehlen: die Bratwurst, die durch die Stadt getragen wird. Foto: Peter Tischer /Archiv Neue Presse

Neustadter bezeichnen die traditionsreiche Veranstaltung als „Nationalfeiertag“. Sie ist tief in der Bevölkerung verwurzelt. Jetzt hat sie das bayerische Heimatministerium mit einer besonderen Auszeichnung gewürdigt.

 
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Das Kinderfest gehört zum reichen Erbe Neustadts. Und nicht nur das: Jetzt ist es in das bayerische Landesverzeichnis des Immateriellen Kulturerbes aufgenommen worden. Das erfüllt nicht nur Oberbürgermeister Frank Rebhan mit Stolz. Auch Albert Füracker, Staatsminister der Finanzen und für Heimat, freute sich, der Puppenstadt die schöne Nachricht mit Schreiben vom 31. Januar übermitteln zu können. OB Rebhan betonte am Dienstag, „die Aufnahme in das Verzeichnis unterstreicht die Tradition und Bedeutung unseres Kinderfestes. Es ist ein Aushängeschild für Neustadt.“

Mit dem Landesverzeichnis will die Staatsregierung „das reiche Erbe an immateriellen kulturellen Ausdrucksformen im Freistaat sichtbar machen und die Bedeutung lebendiger Traditionen und Ausdrucksformen noch stärker in den öffentlichen Fokus rücken“, betont Albert Füracker. Die Aufnahme des Neustadter Kinderfestes sei „auch ein Zeichen der Wertschätzung und Anerkennung für den persönlichen Einsatz im Zusammenhang mit dem Erhalt und der Weitergabe von Traditionen“, so der Minister weiter. Dieses Engagement sei Ausdruck gelebter Heimatverbundenheit und leiste einen wertvollen Beitrag zum Erhalt der kulturellen Vielfalt. In der Region sind beispielsweise das Friedensdankfest in Meeder und die Flößerei im Frankenwald als immaterielles Kulturerbe anerkannt worden.

Schwenk im Heimatministerium

Zunächst sah es allerdings nicht so aus, als ob das Neustadter Kinderfest und der dabei gezeigte Tanz „Rutscher“ berücksichtigt würden. Der Antrag zur Aufnahme wurde unter Federführung von Kulturbürgermeister Martin Stingl und Nina Brückner von der kultur.werk.statt am 17. November 2021 gestellt. Unterstützung holte man sich dafür unter anderem bei Neustadts Heimatpflegerin Isolde Kalter, dem Sonneberger Kreisheimatpfleger Thomas Schwämmlein, dem oberfränkischen Bezirksheimatpfleger Günter Dippold sowie Helmut Groschwitz von der Beratungs- und Forschungsstelle Immaterielles Kulturerbe Bayern. Im Februar 2022 dann der Dämpfer: Das Heimatministerium teilte mit, dass das Neustadter Kinderfest in der Tradition der Gregoriusfeste stehe, die bereits im Landesverzeichnis eingetragen sind. Damit verbunden war die Aufforderung, das Kinderfest in „Gregoriusfest“ umzubenennen. „Das kam für uns nicht infrage. Der Kultursenat hat das vollkommen zurecht ausgeschlossen“, so Oberbürgermeister Frank Rebhan am Dienstag. „Wir hätten dann lieber auf den Eintrag in das Landesverzeichnis verzichtet.“ Schließlich hat das Neustadter Kinderfest eine fast 500-jährige Tradition. Ein neuer Name? Undenkbar in der Puppenstadt.

Foto: Peter Tischer

Daran kam man im bayerischen Heimatministerium am Ende nicht vorbei. Die Entscheidung, jetzt umzuschwenken, sei auf fachliche Empfehlung eines Expertengremiums erfolgt. Es habe die Bewerbung „intensiv am Maßstab der UNESCO-Kriterien geprüft. Hierzu gratuliere ich herzlich“, betont Staatsminister Füracker.

Dem schließt sich Coburgs Landrat Sebastian Straubel an. Er sagte am Dienstag, „das Neustadter Kinderfest hat es absolut verdient, in das bayerische Landesverzeichnis des Immateriellen Kulturerbes aufgenommen zu werden“. Dieses Fest, das seit über 470 Jahren gefeiert und von den Neustadtern als ihr „Nationalfeiertag“ gelebt werde, „ist ein zentrales Element unserer regionalen Identität“, so Sebastian Straubel. Er freue sich „auf den zweiten Juli-Samstag, wenn wir alle – viele Landkreisbürger und auch ich – wieder nach Neustadt kommen werden“.

„Erstaunliche“ Geschichte

Das Neustadter Kinderfest geht auf das „Gregoriusfest“ zurück. Es ist ein Schul- und Kinderfest, das wohl mehr als 1000 Jahre Tradition hat. Als Stifter gilt Papst Gregor IV., der 830 anlässlich der Umbettung der Gebeine von Papst Gregor I. eine Kinderprozession anordnete. Ohnehin wurde Gregor I. auch als „Kinderbischof“ bezeichnet, da er sich um die Bildung von Kindern bemühte. Während das „Gregoriusfest“ in Coburg in den 1970er Jahren in der Versenkung verschwand, hielten die Neustadter an ihrer Feier fest. Sie vereinigt Kinder und Jugendliche aller Schultypen, von der Grundschule bis zum Gymnasium. Dass es sich über die Reformationszeit, den Dreißigjährigen Krieg, die sozialen Umwälzungen des 19. Jahrhunderts und die beiden Weltkriege bis in die Gegenwart erhalten hat, bezeichnet Günther Brettschneider, der frühere Rektor der Volksschule Heubischer Straße, in seinem Buch „Die Geschichte des Neustadter Kinderfestes“ als „erstaunlich“.

Immaterielles Kulturerbe

Lebendige Traditionen
Immaterielles Kulturerbe: Das sind nach einer Mitteilung des bayerischen Heimatministeriums lebendige Traditionen, die einer Gemeinschaft ein Gefühl der Identität und Kontinuität vermitteln, wie beispielsweise Tanz, Theater, Musik, Bräuche, Feste, überliefertes Wissen und traditionelle Handwerkstechniken.

Landesverzeichnis
Seit dem Jahr 2003 stellt die UNESCO im Rahmen des „Übereinkommens zur Erhaltung des Immateriellen Kulturerbes“ kulturelle Ausdrucksformen in den Fokus der Öffentlichkeit - darunter den spanischen Flamenco, die japanische Puppentheatertradition oder die iranische Teppich-Knüpfkunst. Deutschland ist dem UNESCO-Übereinkommen im Jahr 2013 beigetreten. Neben dem bundesweiten Verzeichnis des Immateriellen Kulturerbes gibt es in Bayern ein eigenes Landesverzeichnis.

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