Fronleichnam in Wallenfels Böllern in Zeiten des Krieges

Traditionell wird die Fronleichamsprozession in Wallenfels durch die Ehrenkompanie begleitet. Selbst eingefleischte Wallenfelser fragen sich diesmal, ob man angesichts des Krieges in der Ukraine mit Uniformen, Gewehren, Säbeln und Böllerschüssen eine christliche Prozession begleiten kann? Bürgermeister Jens Korn sieht gerade darin eine Mahnung zum Frieden. Foto: /Stadt Wallenfels

Der Fronleichnamszug in Wallenfels steht an. Viele fragen sich, ob das angesichts der Lage in der Ukraine sein muss. Auch der Bürgermeister.

 
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Fronleichnam ist für die Wallenfelser ein ganz besonderes Fest. Mit viel Tradition – und vielen Waffen. Am Donnerstag nächster Woche ist es wieder soweit. Nach zwei Jahren Corona-bedingter Pause dürfen die Wallenfelser endlich wieder „wallen“. Die Vorfreude ist groß. Doch auch Bürgermeister Jens Korn weiß: Selbst eingefleischte Wallenfelser fragen sich diesmal, ob man angesichts des Krieges in der Ukraine mit Uniformen, Gewehren, Säbeln und Böllerschüssen eine christliche Prozession begleiten kann? Soll man an dem alten Brauch der Fronleichnams- und Flurumgangsprozession festhalten?

An der Tradition festhalten

„Ja“, ist der Bürgermeister überzeugt. Pfarrgemeinde, Soldatenkameradschaft und Stadt seien sich einig, gerade angesichts des Krieges in der Ukraine an den einzigartigen Traditionen festzuhalten. Die Diskussion über „unser Fronleichnam“ biete die Gelegenheit, sich mit den historischen Wurzeln auseinanderzusetzen. „Wer das ernsthaft tut, wird erkennen, dass es bei den Prozessionen eben nicht um die Zurschaustellung von Waffen und Uniformen, sondern im Kern um den Wunsch nach Frieden geht“, sagt er.

Das Wallenfelser Brauchtum hat seine Ursprünge laut Jens Korn in einer Zeit, in der Frieden tatsächlich ein Geschenk war. Bereits im 16. Jahrhundert sei die Begleitung des Allerheiligsten durch die Bürgerwehr belegt. Sie sei den Wallenfelsern durch den Fürstbischof von Bamberg als Privileg zum Dank dafür verliehen worden, dass sie bereit waren, seine Landesgrenze zu verteidigen. König Ludwig II. erneuerte dieses Vorrecht nach dem deutsch-französischem Krieg von 1870/71. Seitdem trägt die Ehrenkompanie Uniformen des königlich-bayerischen Heeres, nach dem Zweiten Weltkrieg kam noch ein Zug Marine dazu.

Schwenken der Schwedenfahne

Weltlicher Höhepunkt der Fronleichnamsprozession in Wallenfels ist das Schwenken der Schwedenfahne. Die Zeremonie auf der sogenannten „Schwedenbrücke“ erinnert an die Zeit des Dreißigjährigen Krieges. Gerade in den Jahren 1633 und 1634 war der Frankenwald Schauplatz erbitterter Kämpfe, die in der Belagerung der Stadt Kronach durch die Truppen von Herzog Wilhelm von Sachsen-Weimar gipfelten. Die Wallenfelser mussten damals einen hohen Blutzoll entrichten. Johannes Streit, zu dieser Zeit Pfarrer von Wallenfels, berichtete darüber, dass er in den beiden Jahren 17 Gemeindemitglieder beisetzen musste, die von feindlichen Truppen getötet oder durch Vergewaltigung und Folter so schwer verletzt wurden, dass sie starben. Unter den Opfern befanden sich auch Bürgermeister Johann Stöcker und der Ortsschmied Jakob Will, der die Marktfahne vor den feindlichen Truppen versteckte. Ihm schuf Andreas Bauer in seinem Stück „Der Fahnenschwinger von Wallenfels“ mit dem „Schmieds Hans“ ein Denkmal, ihm und seiner Tat wird alljährlich auf der Brücke im Herzen unseres Ortes gedacht.

Traumatisierende Erlebnisse

„Der Schrecken des Dreißigjährigen Krieges muss sich tief in das Gedächtnis der Menschen in unserer Region eingebrannt haben“, sagt Jens Korn und zitiert aus einem Dokument aus jener Zeit: „Bürgermeister, Rat und Viertelmeister und das ganze Gericht (von Wallenfels) machen beim Statthalter in Kronach Vorstellung und berichten über die vom Feinde erlittenen Feindseligkeiten durch Sengen, Brennen und Morden, dass es ein Jammer ist zu hören, noch mehr sie augenscheinlich zu sehen.“ Heutzutage würde man wohl von traumatisierenden Erlebnissen sprechen, die über Generationen hinweg nachwirken. Denn selbst nach fast 400 Jahre hinterließen die schrecklichen Ereignissen ihre Spuren im Wallenfelser Fronleichnamsbrauch, aber auch in der Schwedenprozession in Kronach.

Jens Korns: „Unsere Traditionen können also eine Brücke zu unseren Vorfahren, aber genauso zu den Menschen in der Ukraine sein. Sie schaffen eine Nähe zu den Einwohnern von Charkiw, Butscha, Mariupol oder Kiew. So wie sich die Menschen dort endlich nach Frieden sehnen, taten es die Wallenfelser in den Wirrnissen des Dreißigjährigen Krieges auch. Sie konnten ihre Sehnsucht allerdings nicht wie heute über Demonstrationen oder Social Media in die Welt hinaustragen; ihr Ausdrucksmittel waren vielmehr die Prozession und das von ihnen begründete Brauchtum. Dazu gehört auch die Begleitung des Allerheiligsten durch die Ehrenkompanie. Sie ist nicht Uniform- und Waffenschau, sondern eine Mahnung zum Frieden. Sie zeigt ganz konkret, wer in einen Krieg ziehen müsste, nämlich keine anonymen Armeen, sondern Söhne, Väter, Brüder und Freunde.“

Zeichen für den Frieden

Das wohl stärkste Zeichen für den Frieden bei der Fronleichnamsprozession ist für Korn das Schwenken der Schwedenfahne. Der Legende nach droht Wallenfels ein Krieg, falls sich die Fahne währenddessen verdreht. „Sicherlich werden die Teilnehmer an der Prozession Schwedenfähnrich Dominik Stumpf heuer besonders fest die Daumen drücken und sich wünschen, dass vom reibungslosen Ablauf des Fahnenschwenkens nicht nur ein Zeichen des Friedens bei uns, sondern in der Ukraine und der ganzen Welt ausgehen möge“, so der Bürgermeister. red

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