Pink-Debatte als Politikum
Doch egal, wie die genaue Definition eines Farbtons ist: Einige Menschen lassen sich sowohl von Pink als auch von Rosa triggern, missbilligen in dem Zusammenhang eine Anbiederung an einen angeblichen Zeitgeist, der vermeintlich die Geschlechtergrenzen verwischen wolle. Teils lassen Menschen sogar ihrem Hass auf Stereotypen, die sie mit Rosa in Verbindung stehen, freien Lauf.
Für Farbforscher Axel Buether sind Männer, die Rosa tragen, "ein Stück weit einfach an einer offenen Gesellschaft" und "einer kommunikativen und freundlichen Einstellung" interessiert. DMI-Experte Wien erklärt im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur über die Pink-Debatte: "Für mich hat die Aufregung eine politische Dimension und sehr viel mit Diskriminierung von Minderheiten zu tun."
Seit Jahren wird auf der Pink-Welle gesurft
Dabei sind kräftiges Pink, sanftes Rosa und alles dazwischen schon länger auf Laufstegen und an trendbewussten Fashionistas zu sehen. Mit der um das Jahr 2016 auftauchenden, sehr hellen und sanft-warmen Nuance "Millennial Pink" wird Rosa nach Wiens Ansicht zu einer genderneutralen Farbe: Männer entdeckten sie gleichsam wie Frauen für sich. "Dieses Millennial Pink ist vielleicht auch der Grund für mehr Akzeptanz dieses ganzen Farbbereichs", sagt er. Es stelle eine toxisch-verstandene Männlichkeit infrage.
2023 entscheidet sich das Pantone-Institut, das jedes Jahr die Trendfarbe ausruft, für den intensiv-pulsierenden Ton "Viva Magenta". Als dann später im Jahr auch noch der "Barbie"-Film Furore macht, ist die Pink-Welle kaum zu stoppen.
Im Herrenfußball sind solche Jerseys jedenfalls überhaupt nichts Neues. Juventus Turin läuft 1898 erstmals in Pink auf, bevor das Design der Italiener in die legendären schwarz-weißen Streifen wechselt. Und der argentinische Superstar Lionel Messi trägt aktuell beim US-Club Inter Miami an Spieltagen den Rosa-Ton "Pantone 1895C". Die "New York Times" nennt das Trikot im Herbst 2023 "das heißeste Stück Sportartikel auf dem Planeten". Das neue DFB-Shirt liege "voll im Einklang mit dem Zeitgeist", sagt Wien.
Männlich, weiblich, universell
Pink und Rosa werden von vielen mit Weichheit oder Zartheit in Verbindung gebracht. Im Sport seien die Farben deshalb "lange Zeit ein No-Go gewesen", sagt Farbforscher Buether. Barbie-Puppen, Einhörner und Prinzessinnen sind stattdessen schon lange in solchen Tönen gehalten. Jungen, die sich dafür begeistern, werden nicht selten in der Schule gemobbt.
Dabei war Rosa ganz früher mal dem männlichen Nachwuchs vorbehalten. Bevor es ab etwa 1880 synthetisch möglich wurde, mussten Farben aufwendig und teuer aus natürlichen Pigmenten hergestellt werden. Daher trugen vor allem Machthaber leuchtende Rot-Töne und ihr männlicher Nachwuchs, also künftige Regenten, Rosa.
Dass die Farbe im 20. Jahrhundert auch mit Homosexualität in Verbindung gebracht wurde, rührt wahrscheinlich von der Schwulenverfolgung der Nazis her. In den nationalsozialistischen Konzentrationslagern mussten Homosexuelle als Kennzeichnung einen rosa Winkel auf ihrer Häftlingskleidung tragen. Viele kamen ums Leben.
Die auch schon im Deutschen Kaiserreich angelegten Listen über Männer, die der verbotenen Homosexualität verdächtigt wurden, bekamen im Laufe der Jahre im Volksmund den Namen Rosa Listen verpasst.
Für den Farbexperten Wien ist das Rosa-Hellblau-Klischee für Mädchen und Jungen überholt in einer Gesellschaft, die offen für verschiedene Gruppen und Beziehungsgefüge sei. "Keine Farbe, egal welcher Schattierung, ist irgendeinem Geschlecht oder irgendeinem Menschen zugeschrieben", resümiert er. "Alle Farben sind universell."