Integration am Gemüsebeet

Zweimal am Tag macht sich Mastoora Deghani am anderen Ende von Lautertal auf den Weg und durchquert zu Fuß den Ort, um im Internationalen Begegnungsgarten ihre Beete zu pflegen. Sie stammt aus Kurdistan und beteiligt sich seit 2018 an dem Projekt des Asylkreises. Tomaten und Zwiebeln, Paprika und sogar Avocados baut sie auf ihren Beeten an und kocht daraus für ihre Familie lieb gewonnene Gerichte aus der alten Heimat. „Früher hatte ich keinen Garten, das ist gut hier“, meint sie und erklärt, wie sie aus Hackfleisch, Eiern sowie selbst geernteten Zwiebeln und Pflückknoblauch köstliche Frikadellen zubereitet.

2017 entstand die Idee im Asylkreis Lautertal, einen Garten für die Neuankömmlinge anzulegen. Die Mitglieder kümmerten sich damals um zehn Familien, die fast alle in Wohnungen ohne Garten lebten. Die Lautertalerin Ursula Hood engagierte sich ebenfalls und erfuhr von Gemeinschaftsgärten in anderen Städten. So bot sie der Gemeinde Lautertal ein rund 1600 Quadratmeter großes Gartengrundstück zur Pacht an, welches ihrer Familie gehörte und brach lag. Der Startschuss für den Internationalen Begegnungsgarten fiel kurze Zeit später, jedes Jahr kamen neue Teilnehmer und weitere Beete hinzu. Jeder Nutzer kann seine eigenen Flächen bestellen, es gibt aber auch Gemeinschaftsbeete, um die sich alle zusammen kümmern. Kleine, individuell gestaltete Schilder weisen darauf hin, wer wo das Sagen hat.

„Wir haben eine Möglichkeit gesucht, alle zusammen zu bringen“, schildert Burkard Jakob, Asylbeauftragter in Lautertal. Im Garten treffen nun Menschen aus aller Herren Länder zusammen, tauschen sich über ihre Kultur aus und über das Gärtnern. So wachsen in Lautertal nun etwa nicht nur deutsche Radieschen, sondern auch iranischer Pflückknoblauch und jede Menge würziges Grün, um das sich die „Kräuter-Karin“, wie die Besucher sie liebevoll nennen, hingebungsvoll kümmert. Während Corona fanden hier Sprachkurse statt, im Sommer wird gegrillt, es gibt eine Tee-Ecke und ein jährliches Sommerfest. „Das ist ein tolles Projekt, für die Flüchtlinge ist so ein Aufenthaltsort im Freien ganz wichtig“, lobt Lautertals Bürgermeister Karl Kolb. Er unterstützt mit dem Bauhof das Projekt und half bei der Suche nach Sponsoren, um einen Brunnen im Garten zu bauen. Anfangs mussten die Gärtner ihr Wasser von Hand aus der nahe gelegenen Lauter herbeischleppen, in ganz heißen Wochen half die Feuerwehr aus. Groß war die Erleichterung im vergangenen Jahr, als mit finanzieller Hilfe der Stiftung Integrationskultur und einer privaten Spende ein eigner Brunnen mit Handpumpe im Garten errichtet wurde.

Von Anfang an dabei ist Mehdi Navaee Sahzabi. Er stammt aus dem Iran und kam 2016 nach Lautertal. „Ich bin im Garten an der frischen Luft, höre die Insekten und Vögel und sehe die Schmetterlinge“, kommt er ins Schwärmen und baut auf seinen Beeten unter anderem auch Wassermelonen an. In seiner alten Heimat hatte er keine Erfahrung mit dem Gärtnern, hier hat er jede Menge Fachkurse besucht, beispielsweise wie man Büsche und Bäume richtig zurückschneidet. „Ich lerne Deutsch hier und kann etwas machen, um später arbeiten zu können“, sagt er und erzählt stolz, dass im Begegnungsgarten keine Chemie zum Einsatz kommt. Pferdeäpfel zum Düngen bringen Nachbarn vorbei, ebenso wie Paletten oder Holzreste für Bauprojekte. So ist schon eine offene Gartenhütte entstanden, in der ein langer Tisch zum Verweilen einlädt. Auch ein Glashaus für die Anzucht von Setzlingen im Frühjahr ist ein Geschenk und wird von den Gärtnern gerne genutzt. Zuletzt ist am Straßenrand ein offenes Regal entstanden, wo überflüssiges Gemüse an Passanten verschenkt wird.

„Wir sind ein kleiner Kreis und freuen uns über weitere Helfer, die mit Herzblut dabei sind“, wirbt Christine Bühling um weitere Mitstreiter. Wer Interesse an dem Projekt hat, kann zum ersten Kennenlernen beim Sommerfest am 13. August in den Unteren Augärten in Lautertal vorbei kommen.