Gebietsreform in Coburg Der Kampf um die Dörfer

Das Schulhaus in Scheuerfeld – ein Objekt, das bei der Eingemeindung der damals noch selbstständigen Kommune in die Stadt Coburg eine Rolle spielte. Foto: Rosenbusch/ Archiv Neue Presse

Vor 50 Jahren lief in Bayern die Gebietsreform. Dabei wurde auch im Coburger Land heftig gerungen, welche Orte künftig zur Vestestadt gehören sollen.

 
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Der Wutausbruch von Landrat Klaus Groebe Anfang der 1970er Jahre in einer Besprechung bei der Regierung von Oberfranken in Bayreuth ist legendär: Er wolle die „Scheißdörfer“ aus dem Landkreis Staffelstein, der im Zuge der Gebietsreform in Bayern 1972 aufgelöst wurde, nicht im neuen Kreis Coburg sehen. Statt der Orte im Raum Seßlach, die Groebe nicht haben wollte, umwarb er die damals noch selbstständigen, finanzkräftigen und einwohnerstarken Gemeinden Beiersdorf, Scheuerfeld und Creidlitz. Dort sah der Landrat nicht nur wegen der Handwerks- und Industriebetriebe großes wirtschaftliches Potenzial, sondern auch Bevölkerungswachstum. Beides hätte der Entwicklung des Kreises Coburg sehr gut getan. Doch es kam anders. Beiersdorf, Scheuerfeld, Creidlitz, Seidmannsdorf, Löbelstein, Lützelbuch und Rögen schlossen sich der Vestestadt an, die davon profitierte.

Zuvor wurde „kräftig hingelangt“, sagt Stadtheimatpfleger Christian Boseckert. Zuckerbrot und Peitsche wechselten sich ab, Versprechungen und unverhohlene Drohungen aus dem Landkreis, die beispielsweise die Wasser- und Stromversorgung zum Inhalt hatten, standen im Raum. „Gerade um Scheuerfeld und Creidlitz hat man heftig gestritten“, berichtet Boseckert. Er hat das in der Chronik festgehalten, die anlässlich des 50. Jahrestags der Eingemeindung der Gemeinden in die Stadt Coburg erscheint. Am Donnerstag, zur Eröffnung des Klößmarktes, wird Boseckerts Buch vorgestellt. Herausgegeben wird es von der Historischen Gesellschaft Coburg.

Die Chronik besteht aus zwei Teilen. Der erste widmet sich geschichtlichen Eckpunkten: die erste urkundliche Erwähnung sowie die Entwicklung der Kirchen und Schulen, von Handwerksbetrieben und Industrieunternehmen gehören dazu.

Im zweiten Teil geht es um die Eingemeindungen im Jahr 1972 in die Stadt, die – siehe Landrat Klaus Groebe – nicht jedem in Coburg gefielen, und die Entwicklung der Ortschaften bis in die Gegenwart. Dabei hat der Stadtheimatpfleger viele Anekdoten zusammengetragen. Zum Beispiel, was in den Eingemeindungsverträgen festgehalten wurde. Dabei ging es nicht nur um Turnhallen und Schulen, „sondern auch um Dinge, über die wir heute schmunzeln“, berichtet Christian Boseckert. So lautete eine Forderung, in den neuen Stadtteilen Notrufsäulen zu installieren – unvorstellbar in einer Zeit, in der jedermann ein Handy sein eigen nennt. Oder die Straßenreinigung: Dafür sollte die Stadt Besen zur Verfügung stellen, damit Bürgerinnen und Bürger diese Aufgabe übernehmen können, das dafür notwendige Handwerkszeug aber nicht selbst bezahlen müssen.

Der Kampf um die Dörfer im Coburger Land wurde schließlich friedlich beendet. „Man nahm sich zurück und erklärte, man wolle sich nicht wie mittelalterliche Raubritter Land gegenseitig abjagen“, so Christian Boseckert.

Oberbürgermeister Dominik Sauerteig sei es wichtig, dass jedermann kostenlos auf die Chronik zugreifen kann, erklärte Stadtpressesprecher Louay Yassin auf Anfrage der Neuen Presse. Deshalb wird die Stadt das Buch in Kürze auf ihrer Internet-Homepage zum Download zur Verfügung stellen. In gedruckter Form wird es ebenfalls erhältlich sein, allerdings nur in einer auf 450 Exemplare begrenzten Auflage.

Die Eingemeindungsfeier wird mit dem ersten Tag des Klößmarktes am Donnerstag verbunden. Nach dem Einmarsch von Abordnungen aus den Stadtteilen gegen 18.15 Uhr hält OB Sauerteig die Festrede.

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