Gefahr für Rehkitze Tod im Gras

Hohe Halme, große Gefahr: Weil sich junge Rehkitze bei Gefahr tief auf den Boden ducken, werden sie beim Mähen leicht übersehen. Die grausamen Folgen könnten jedoch leicht verhindert werden.

Ein gefundenes Kitz, das dem Mähtod entgangen ist. Weil sich Rehkitze bei drohender Gefahr tief ins Gras drücken, werden sie beim Mähen oft übersehen. Bilder von Tierkindern, die den Messern nicht entgehen konnten, und die uns ebenfalls vorliegen, wollen wir an dieser Stelle ersparen. Foto: /Michael Groß

Es ist ein Anblick, den braucht kein Mensch. Und doch muss ihn Michael Groß in jedem Jahr erneut ertragen. Wie andere Jagdpächter im Landkreis Haßberge findet auch der Pfarrweisacher im Frühsommer immer wieder Rehkitze in abgemähten Wiesen – tot, verstümmelt, grausam zugerichtet. Allesamt: Opfer von Mäharbeiten.

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Vor allem aber Opfer, die nicht sein müssten, wären sich alle Landwirte ihrer Verantwortung und auch der Gefahr bewusst, bei der Frühjahrsmahd auf abgelegte Kitze in ihren Wiesen und Feldern zu treffen. „Offensichtlich ist bei vielen Landwirten noch nicht angekommen, dass primär sie selbst für den Schutz der Rehkitze verantwortlich sind, wenn sie jetzt ihre Wiesen mähen“, klagt Michael Groß. Jetzt nämlich ist die Zeit, in der Ricken ihren Nachwuchs im hohen Gras ablegen. Die Mutter sucht den Liegeplatz dann nur zum Säugen auf, um keine Feinde zu ihrem hilflosen Kind zu führen.

„Die Jäger wissen in der Regel, wo die Rehgeißen ihre Kitze ablegen“, sagt Michael Groß. Umso wünschenswerter sei der Kontakt zwischen Landwirt und Jäger – und zwar rechtzeitig vor der geplanten Mahd. „24 Stunden, besser noch zwei Tage vorher“, wie Groß sagt. Er selbst führt dann seinen Hund an der langen Leine mit, der die Kitze gegebenenfalls aufspürt, vor allem aber auch seine Witterung hinterlässt. Das wirkt ebenso abschreckend, wie die „Gespenster“, die der Jäger aufbaut: Weiße Tücher auf langen Latten, etwa alle 30 Meter n der Flur platziert, wirken auf die Rehe unheimlich, sodass sie möglichst erst gar nicht ihre Kitze hier ablegen. „Das funktioniert ganz gut“, sagt Michael Groß.

Natürlich gebe es auch verantwortungsbewusste Landwirte, die vor der Mahd auf Nachschau gehen. Das Problem hierbei: Der Landwirt mag zwar vielleicht seine Wiese durchqueren, kann aber nicht in jeden Winkel schauen. „Es kann sein, dass er da durchläuft und das Kitz liegt gerade einmal einen Meter daneben“, erklärt Michael Groß: Junge Kitze in den ersten drei bis vier Wochen ihres Lebens drücken sich fest und regungslos auf den Boden, anstatt aufgeschreckt davonzuspringen. Der sogenannte Drückinstinkt ist in den ersten Lebenswochen besonders stark ausgeprägt, ehe er vom Fluchtinstinkt abgelöst wird. Droht dann Gefahr, rennen die Kitze weg und drücken sich an anderer Stelle ins Gras. Doch besonders die Jüngsten sind so am meisten der Gefahr von Mähdreschern ausgesetzt.

Auch wenn ein Kitz gefunden ist, ist Vorsicht geboten. Denn von der Gefahrenstelle aus umsetzen darf man das Tier nur ohne jeglichen Hautkontakt, damit die Mutter ihr Kitz wegen des Menschengeruchs später nicht verstößt.

Fachgerecht helfen können hier Jäger ebenso wie Tierschützer. Bei der Tierschutzinitiative Haßberge kümmert sich das Team rund um Zweite Vorsitzende Yvonne Jung um die jährlichen Rehkitz-Rettungsaktionen, mit denen die Tierschützer „Landwirte in ihrer Sorgfaltspflicht unterstützen wollen“, wie sie sagen. Mittlerweile sind drei Teams mit drei Systemen – Wärmebildkameras samt Drohnen – unterwegs. „Die beste Zeit zum Fliegen ist zwischen ca. 4.30 Uhr und 8 Uhr früh“, sagt Yvonne Jung. Dies liege daran, dass die Wärmebildkamera einen möglichst großen Temperaturunterschied vom Feld zum Rehkitz benötigt.

Für die vergangene Saison 2021 haben die Kitzretter eine beeindruckende Bilanz vorzuweisen: Abgeflogen wurden 348 Hektar Feldfläche, insgesamt 148 Felder; dabei konnten insgesamt glatte 100 Rehkitze gefunden und damit vor den Mähmessern gerettet werden. Und das waren nicht die einzigen Tiere: Unzählige Feldhasen, zwei Rebhühner, ein Fasan und auch ein Fuchs ergänzten die Rettungsliste. Die Zusammenarbeit mit Jagdpächtern, Landwirten und Naturschutzbehörde loben die Tierschützer dabei in den höchsten Tönen.

Die Piloten und der gemeinnützige Verein bieten ihre Unterstützung ehrenamtlich an, auch wenn sie gegen eine kleine Spende natürlich nichts einzuwenden haben. Erreichbar ist das Rettungsteam unter 01573/68 106 70 (WhatsApp/AB nutzen) – auch wenn die Tierschützer natürlich nicht unbegrenzte Kapazitäten haben. Auch die Jagdpächter im nördlichen Landkreis Haßberge erwägen eine solche Drohnenanschaffung für den Einsatz gegen den jährlichen grausamen Tod unzähliger Kitze. Nur die Fördergeldfrage müsse noch geklärt werden, so Michael Groß – immerhin kommt so ein Fluggerät samt Wärmebildkamera auf einige Tausend Euro. In jedem Fall aber stehen die Jagdpächter den Landwirten mit Rat und Tat zur Seite, und würden auch kurzfristig ihre Hilfe bei der Absuche anbieten, wie Michael Groß bekräftigt: Hauptsache, das unsägliche Leid verblutender Tierkinder kann dadurch verhindert werden.