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Ein in unwegsamem Gelände gestürzter Mountainbiker hat eine aufwendige Rettungsaktion ausgelöst. Der Mann, der sich eine schwere Beinverletzung zugezogen hatte, musste mit Unterstützung eines SAR-Hubschraubers und der Bergwacht mit einer Seilwinde aus seiner misslichen Lage gerettet werden.
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nfangs war es für die Besatzung eines Rettungswagens der BRK-Rettungswache Eltmann ein mehr oder weniger gewöhnlicher Einsatz, als sie am Montag, 29. August, gegen 16.40 Uhr von der Integrierten Leitstelle (ILS) Schweinfurt zu einem Notfalleinsatz alarmiert wurden. Zunächst hieß es, ein Radfahrer sei zwischen Zell am Ebersberg und Oberschleichach auf einem Waldweg gestürzt und hätte sich am Bein verletzt.
Sofort machten sich von der rund neun Kilometer entfernten Rettungswache Eltmann die beiden Notfallsanitäter Stephan Schneider und Helmut Frank mit dem Rettungswagen auf den Weg zum Einsatzort. Nach wenigen Minuten erreichten sie die Verbindungsstraße zwischen Zell und Oberschleichach, von einem gestürzten Radler war aber nichts zu sehen. Auch ein Lotse konnte nicht ausgemacht werden.
Eine Rückfrage bei der ILS ergab, dass der Verunglückte selbst den Notruf gewählt hatte, seinen genauen Standort allerdings nicht näher eingrenzen konnte. Der 64-Jährige war mit seinem Mountainbike in einem großen Waldgebiet südwestlich von Zell offenbar auf dem sogenannten „Schlangenweg“ unterwegs gewesen. Der Rettungswagenbesatzung war vor Ort sofort klar, dass sich die Rettung des Mannes in diesem unwegsamen und mehrere Quadratkilometer weitläufigen Gelände aufwendig gestalten würde. Ein Befahren des Geländes mit dem Rettungswagen war nicht möglich. Deshalb forderte das Team wegen eines erhöhten Koordinierungsbedarfs den BRK-Einsatzleiter Rettungsdienst, Daniel Schirmer, sowie die Feuerwehr Zell zur Unterstützung bei der Suche an.
Noch vor dem Eintreffen der Feuerwehr machte sich Notfallsanitäter Helmut Frank auf den Weg, um nach dem Mann zu suchen. Frank ist Hauptfeldwebel bei der Bundeswehr und absolviert als Notfallsanitäter derzeit ein Praktikum an der Rettungswache in Eltmann. Er schnallte sich den rund 15 Kilogramm schweren Notfallrucksack auf den Rücken und marschierte los, während sein Kollege Stephan Schneider mit dem Rettungswagen an der Ortsverbindungsstraße Zell/Oberschleichach an einem Forstrettungspunkt nahe dem „Marswald-Spielplatz“ auf einem Parkplatz Station bezog, um die nachrückenden Einsatzkräfte einzuweisen.
Als kurz darauf die Kollegen der Freiwilligen Feuerwehr Zell eintrafen, machten auch sie sich mit mehreren Fußtrupps in dem weitläufigen Waldgebiet auf die Suche. Parallel dazu wurde Oliver Scheuplein, Einsatzleiter der für den Landkreis Haßberge zuständigen Bergwacht aus der Rhön alarmiert, um die Koordinierung der Rettung aus dem unwegsamen Gelände vorzubereiten.
Während Notfallsanitäter und Feuerwehr auf dem Schlangenweg zu Fuß in Richtung des vermuteten Aufenthaltsortes des Radfahrers marschierten, lief im Hintergrund eine weitere Rettungsmaschinerie an. Es wurde entschieden, zur Rettung die Kollegen der Bergwacht Bamberg zu alarmieren, anstatt die eigentlich zuständige Bergwacht aus der Rhön. Die Kollegen aus Bamberg hatten aufgrund der Entfernung einen deutlichen Zeitvorteil bis zum Eintreffen in Zell. Zudem wurde ein Notarzt aus Haßfurt nachgefordert.
Die Integrierte Leitstelle kümmerte sich auf Anforderung der Einsatzleitung vor Ort um einen Rettungshubschrauber mit Seilwinde, um eine mögliche Rettung aus der Luft sicherstellen zu können. Der nächste Rettungshubschrauber mit einer Seilwinde an Bord ist „Christoph 27“ aus Nürnberg. Dieser war allerdings bereits bei einem anderen Einsatz gebunden, sodass schließlich der im baden-württembergischen Niederstetten stationierte SAR-Hubschrauber der Bundeswehr mit seiner Seilwinde angefordert wurde. Niederstetten liegt rund 30 Kilometer westlich von Rothenburg ob der Tauber und ist vom Einsatzort bei Zell am Ebersberg knapp 80 Kilometer Luftlinie entfernt. Für den SAR-Hubschrauber bedeutete das eine Flugzeit bis zur Ankunft von circa 24 Minuten. Um den Standort des hilflosen Fahrers näher bestimmen zu können, wurde in Zusammenarbeit mit der Integrierten Leitstelle mithilfe der App „what3words“ versucht, eine Lokalisation auszumachen, wobei dies durch eine schlechte Handynetzverbindung in dem Areal erschwert wurde. Die App „what3words“ arbeitet mit einem Gitternetz, dessen Kästchen drei mal drei Meter groß und über die gesamte Erdoberfläche verteilt sind. Jedes dieser Felder ist mit einer Adresse, bestehend aus drei Wörtern, versehen. Auf einer Karte kann man so den gewünschten Punkt suchen und auswählen. Daraufhin wird die entsprechende Drei-Wörter-Adresse angezeigt, die man dann an Rettungskräfte weitergeben kann. Dadurch ermöglicht die Anwendung das Teilen von extrem genauen Ortsangaben, unabhängig von Straßennamen oder GPS-Koordinaten.
Letztlich gelang es dann, den Standort des Verletzten näher einzukreisen. Nach einem anstrengenden Fußmarsch in unwegsamsten Gelände, bergauf und bergab, erreichte Notfallsanitäter Helmut Frank den 64-Jährigen und begann mit der medizinischen Erstversorgung. Seit der Erstalarmierung des Rettungswagens waren bis dahin knapp 45 Minuten vergangen. Anschließend wurde der Notarzt mit dem Notarzteinsatzfahrzeug zum Verletzten gebracht, um die weitere notfallmedizinische Versorgung zu übernehmen. Der Mann hatte sich beim Sturz mit seinem Mountainbike einen Bruch des linken Oberschenkels zugezogen. Anschließend wurde der Verunglückte mit einem sogenannten „Luftrettungssack“ der Bergwacht von Helfern der Bergwacht, der Feuerwehr, der Polizei und des Rettungsdienstes bergauf zu einer rund 150 Meter entfernten kleinen Waldlichtung getragen. Von dort aus wurde der Patient in dem Luftrettungssack in Begleitung eines Luftretters von der Bergwacht zu dem circa 50 Meter über dem Wald schwebenden SAR-Rettungshubschrauber mit der Seilwinde nach oben gewischt. Schließlich ging es per Hubschrauber zu einem Zwischenlandeplatz an der Ortsverbindungsstraße zwischen Zell und Oberschleichach, wo der Hubschrauber auf einer Wiese landete. Der 64-Jährige aus dem Landkreis Haßberge wurde dann in den Helikopter eingeladen und unter Begleitung des Haßfurter Notarztes zur weiteren Versorgung in den Schockraum des Klinikums Bamberg geflogen.
Gegen 20.50 Uhr, rund vier Stunden nach dem ersten Alarm, war der Einsatz für die Rettungskräfte beendet. Insgesamt waren an der Rettungsaktion rund 35 Einsatzkräfte von Rotem Kreuz, Feuerwehr, Bergwacht, Polizei und Bundeswehr beteiligt.