Gleusdorf Schatzkammer Synagoge

Pia Bayer

In der ehemaligen Synagoge in Gleusdorf kann man nun auf Spurensuche gehen. Eine neue Suchbildkartei wurde im Rahmen einer zweiten Eröffnung des Lernortes mit den Gleusdorfer Einwohnern vorgestellt.

 
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In einer Fensternische konkurrieren verschiedene Farbschichten um den besten Ton. Blanker Stein durchbricht den Putz. Risse ziehen sich wie Narben durch die Wände. Dazwischen schleichen Lina und Klara durch den Raum. Klara hat ein Blatt mit einem Foto und drei Fragen in der Hand, Lina sucht konzentriert die Deckenkanten ab und schaut von Ecke zu Ecke. „Da“, ruft die Grundschülerin dann und freut sich. Rätsel gelöst. Ein weiteres Detail gefunden.

Am vergangenen Sonntag wurde die Synagoge Gleusdorf zum zweiten Mal feierlich eröffnet und eine neue Suchbildkartei vorgestellt. Nicht nur die Kinder hatten dabei Spaß am Bergen der kulturhistorischen Schätze, die das Gebäude bietet. Auch der Dialog über die unterschiedlichen Religionen wurde gefördert.

Seit 2015 ist für die ehemalige Synagoge in Gleusdorf ein Sanierungs- und Nutzungskonzept im Auftrag der Gemeinde Untermerzbach erarbeitet worden. Davor schlummerte sie rund 100 Jahre lang unbeachtet hinter einem Schuppen. Denn die Synagoge, deren Bau 1857 nur durch eine bayernweite Kollekte mit Genehmigung des Königs von der kleinen jüdischen Gemeinde in Gleusdorf finanziert werden konnte, wurde 1909 nach dem Wegzug von Josef Baum, dem letzten jüdischen Einwohner Gleusdorfs, an Maurermeister Heinrich Dietz aus Memmelsdorf verkauft – unter der notariell niedergeschriebenen Bedingung, „dass auf dem verkauften Platze niemals Abort, Stall, Badehaus und Gerberei gebaut und eingerichtet werden dürfen“. Dieser veräußerte das Gebäude 1910 schließlich wieder an die Nachkommen der letzten Vorbesitzer: Familie Nestmann aus Gleusdorf. Wohl wegen der Bedingung, es „nicht als Stall“ zu nutzen, wird ein Schuppen vor die Synagoge gezimmert. Das dahinter liegende Gebäude gerät in Vergessenheit. Nur die Gleusdorfer Bürger wissen um ihre Synagoge, sonst nimmt sie kaum jemand wahr – bis die Gemeinde durch den ehemaligen Kreisheimatpfleger Günter Lipp und Bernhard Joos von der Unteren Denkmalschutzbehörde im Landratsamt Haßberge wieder auf die einstige Glaubensstätte aufmerksam gemacht wird.

In der Folge werden eine Bestandsaufnahme und Sicherung des Synagogengebäudes initiiert, zahlreiche Gespräche geführt, Förderanträge geschrieben, die „Gleusdorfer Heimatgespräche“ ins Leben gerufen, schließlich ein Feinkonzept und die baulichen Planungen beauftragt und der Förderverein Synagoge Memmelsdorf als Betriebsträger für die weitere Nutzung und fachliche Vermittlung gewonnen. Rund 595 000 Euro kostet das Projekt am Ende insgesamt, der Eigenanteil der Gemeinde beläuft sich auf rund 247 000 Euro. „Für den Erhalt eines Denkmals mit zukunftsfähigem Konzept ein geringer finanzieller Aufwand“, wie Dieter Reisenweber, 2. Bürgermeister der Gemeinde Untermerzbach, sagt. Im Juni 2021 erfolgt die offizielle Eröffnung der ehemaligen Synagoge mit Nebengebäude als neuer, zweiter Lernort zum fränkischen Landjudentum in der rund 1700 Einwohner zählenden Gemeinde.

Da an diesem Tag jedoch die Ortsbewohner wegen der damaligen Pandemie-Auflagen größtenteils außen vor bleiben müssen, entschließen sich die Gemeinde Untermerzbach und der Förderverein Synagoge Memmelsdorf, erneut einzuladen. So stehen am Sonntag nicht Ehrengäste wie Dr. Josef Schuster, Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, und Dr. Ludwig Spaenle, Beauftragter der bayerischen Staatsregierung für jüdisches Leben und gegen Antisemitismus, für Erinnerungsarbeit und geschichtliches Erbe, im Mittelpunkt, sondern die Bürger Gleusdorfs. Denn das Gebäude habe von Anfang an vor allem auch ein Ort für die Gleusdorfer werden sollen, stellte Iris Wild, Vorsitzende des Fördervereins Synagoge Memmelsdorf, in ihrem Grußwort heraus.

Im gleichen Zug betont sie die Bedeutung und Zuarbeit der einheimischen Familien in der Konzeption des neuen Lernorts für das fränkische Landjudentum. So zeige das Band im Zwischengang der beiden Gebäude des Lernortes „neben dem, was Historikern wichtig war, auch die Themen, die den Gleusdorfern wichtig waren – inklusive Bebilderung aus den heimischen Fotoalben“. Auf eine beeindruckende Weise verbinden sich so dort nun Ortsgeschichte und jüdische Geschichte. Auch dieses Konzept werde in Fachkreisen bereits gelobt, berichtet Wild und bedankt sich: „Ihr habt’s gut gemacht.“

Im Anschluss lädt sie dazu ein, die ehemalige Glaubensstätte mittels einer neuen Suchbildkartei zu erkunden: „Das ist etwas, was in Memmelsdorf seit Jahren gut funktioniert und das sich die drei neuen Gleusdorfer Rundgangsleiter Norbert Lohneis, Werner Weber und Michael Bauer auch für Gleusdorf gewünscht haben“, erklärt sie. Auf jeder Karte steht die Frage: Wo findest du diesen Bildausschnitt? Darunter sind ein Detailfoto und weitere Fragen abgedruckt. Als Gruppe kann dann gesucht und diskutiert werden – und die einstige Synagoge wird zur Schatzkammer für kulturhistorische Entdeckungen.

Weitere Bilder unter www.np-coburg.de.

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