Graffiti und Diebstahl Gedächtnislücken vor Gericht

Helmut Will
Drei Angeklagte müssen sich vor dem Amtsgericht in Haßfurt verantworten – wegen diverser Delikte. Foto: picture alliance/dpa/Foto: Arne Dedert/dpa

Diebstahl, Graffiti, Randale und Alkohol: Vor dem Amtsgericht in Haßfurt müssen sich ein Jugendlicher und zwei junge Erwachsene verantworten. Dem größten Teil ihrer Aussagen schenkt der Richter jedoch keinen Glauben.

 
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Der Satz aus dem Volksmund: „Nirgendwo wird so viel gelogen wie vor Gericht“, ist vielen geläufig. Bei einer Verhandlung vor dem Amtsgericht Haßfurt am Dienstag, wo ein Jugendlicher und zwei Erwachsene auf der Anklagebank saßen, musste einem dieser Satz ins Gedächtnis kommen. Das sah auch der Vorsitzende des Schöffengerichts, Amtsgerichtsdirektor Christoph Gillot so. Nachdem er verschiedene Einlassungen der Angeklagten gehört hatte sagte er: „Ich glaube ihnen kein Wort, es stinkt gegen den Himmel, was hier läuft.“

Staatsanwältin Ehmann warf in ihrer Anklageschrift dem Trio gemeinschädliche Sachbeschädigung durch Graffitischmierereien und Diebstahl eines Mobiltelefons in Tateinheit mit Beihilfe und Nötigung vor. Die drei wurden Anfang des Jahres in Haßfurt nach Hinweis eines Zeugen gestellt, als sie in einer Unterführung ihre „Sprühkünste“ verewigten. Im Oktober 2021 waren sie wieder in einer Gemeinde im Maintal unterwegs, wobei der Jugendliche einem Bekannten unter dem Vorwand, telefonieren zu wollen, ein 1200 Euro teures Handy entwendete, das bis heute nicht wieder aufgetaucht ist. Die beiden anderen hielten sich im Hintergrund und sollen, als der Geschädigte den Täter verfolgte, diesen davon abgehalten haben. Aus Angst habe er ins Haus seiner Eltern zurück kehren wollen, sagte er als Zeuge aus. Dort habe einer der Täter gegen die Haustüre getreten, sodass diese und ein Heizkörper beschädigt wurde.

Der Täter des Diebstahls, heute 19 Jahre alt und arbeitslos, war insgesamt geständig, was sein Verteidiger, Rechtsanwalt Gärtner, ankündigte. Allerdings, so sagte er aus, hätten die anderen nichts von dem Diebstahl gewusst und seien ihm bei der Flucht hinterher gerannt, hätten den Geschädigten aber nicht an der Verfolgung gehindert. „Es war eine Schnapsidee, was wir beim Sprayen gemacht haben“, sagte der Jugendliche weiter, was im wahrsten Sinn des Wortes zutreffen könnte, denn auch Alkohol sei mit im Spiel gewesen. Zum entwendeten Handy sagte er, dass er dieses im Wald gebunkert hätte und bei späteren Nachsuchen nicht mehr fand. Das Gericht und die Staatsanwältin hatten die Vermutung, dass der Jugendliche die beiden anderen durch seine Aussage schützen wolle. Der Jugendliche gab weiter an, dass er sein eigenes Handy einer anderen Person, von der er Cannabis erhalten habe, als Pfand gegeben hätte. Jener verweigerte später bei seiner Vernehmung als Zeuge die meisten Angaben, weil er sich hätte damit selbst belasten müssen, bzw. könne er sich an nichts erinnern. Einer der Angeklagten stand unter Betreuungsaufsicht und ließ für sich seinen Verteidiger, Rechtsanwalt Wessel sprechen. Dieser erklärte, dass ein Mandant mit den anderen auf einer Fahrradtour war und selber nichts gemacht habe, geschweige gegen die Tür getreten habe, nachdem der Jugendliche das Handy entwendet hätte. Der andere Erwachsene, ein 29-jähriger Azubi, gab zu, gesprayt zu haben, mit allem anderen hätte er nichts zu tun.

Als Zeuge wurde ein 21-jähriger Bauhelfer vernommen, dem das Handy entwendet worden war. Dieser erschien mit einem Verteidiger, der sich bei vielen Fragen an seinen Mandanten auf ein Aussageverweigerungsrecht berief, weil er sich mit der Beantwortung selber belasten könnte. Der Bauhelfer schilderte den Sachverhalt in etwa wie der Beschuldigte und gab an, dass er, als er den Täter verfolgen wollte, sich von den beiden Mitangeklagten, die plötzlich auftauchten, bedroht gefühlt habe, sodass er in seine Wohnung zurück lief. Er benannte die Person, die gegen die Tür getreten und infolge dessen diese und einen Heizkörper beschädigt habe. Nichts wisse er von eventuellen Drogengeschäften mit einer weiteren Person. Alle sagten aus, sich nicht oder nur flüchtig zu kennen. Der 53-jährige Vater des „Handygeschädigten“ bestätigte die Aussagen seines Sohnes, er hatte dem Täter die Tür geöffnet und sei später seinem Sohn zur Hilfe geeilt. Er brachte eine vierte Person mit ins Spiel, die mit den anderen von seinem Grundstück weggerannt sei, als er hinzu kam. Den Angeklagten sagte der Vorsitzende, dass er ihren Aussagen nicht glaube und fragte sie, ob sie nicht „reinen Tisch“ machen möchten. Nach einer Pause konnten sich die Angeklagten jedoch zu keiner weiteren Aussage bewegen lassen.

Vernommen wurden dann zwei Polizeibeamte der Polizeiinspektion Haßfurt, einer davon hatte die Sprayer mit gestellt, der andere war der Sachbearbeiter. Dieser erklärte, dass der „Handygeschädigte“ bei einer Wahllichtbildvorlage den Handydieb erkannt habe. Auch wurden das Sprayen bei den Vernehmungen größtenteils eingeräumt. Auch der Zeuge, der die Sprayer zufällig entdeckte, wurde vernommen, konnte aber zum Tathergang wenig beitragen. Richter Gillot trug die Eintragungen der Angeklagten im Bundeszentralregister vor. Der Jugendliche und einer der Erwachsenen waren je fünfmal, der andere Erwachsene elfmal wegen verschiedener Delikte, in der Hauptsache wegen Verstößen gegen das Betäubungsmittelgesetz und Körperverletzungen, vorgetragen.

Nach den Berichten der beiden Jugendgerichtshelfer vermutete Rechtsanwalt Gärtner, dass es an der Wohnung des „Handygeschädigten“ eventuell zwei Vorfälle gegeben haben könnte, weil auf den Fotos der Polizei keine Beschädigung an der Tür, aber auf Fotos, die der Vater des Geschädigten zeigte, solche zu erkennen waren. Der Vorsitzende fasste seine Vorstellung zusammen, die für das Trio zu einer Verurteilung führen könnten. Rechtsanwalt Wessel beantragte noch zwei Beweise einzuholen, einmal die eines Polizeibeamten, der von der Nachbarinspektion Gerolzhofen mit vor Ort war, und einer weiteren Person aus dem Umfeld der Angeklagten.

Nach Beratung entschied das Gericht dem Antrag statt zu geben. Die Verhandlung wurde auf den 25. August vertagt.

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