Grimmelshausen-Ausstellung in Coburg Der derbe Weltverbesserer

1. Februar, 18.15 Uhr: Grimmelshausen und die religionspolitische Katastrophe des 30-jährigen Krieges,

Zum 400. Geburtstags von Hans Jacob Christoffel von Grimmelshausen stellt die Landesbibliothek Coburg den barocken Schriftsteller, seine Motive und seine Wirkung vor. Neben Erstausgaben seiner satirischen Schriften zeigt die Ausstellung „Verkehrte Welt“ auch Dokumente aus Coburg zur Zeit des 30-jährigen Krieges.

 
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Mag die fünfte Jahreszeit auch am Aschermittwoch enden – der Aberwitz hat stets Saison. Einst wie heute nährt der Blick aufs Weltgeschehen den Eindruck, an Bord eines Narrenschiffs durch schwere See zu schippern. Auch Hans Jacob Christoffel von Grimmelshausen hatte allen Grund zu solcher Sicht der Dinge: Kurz nach Beginn des Dreißigjährigen Krieges im hessischen Gelnhausen als verarmter Adelsspross geboren und vom Großvater aufgezogen, erlebte er Leid und Grauen schon als Kind, später als Flüchtling und Soldat. Sein Humor kam ihm darüber nicht abhanden, doch er wurde geprägt vom Blick in menschliche Abgründe. Zum 400. Geburtstag des barocken Schriftstellers zeigt die Landesbibliothek Coburg, wie Grimmelshausen die „Verkehrte Welt“ mittels Satire zu bessern trachtete.

„Er wollte belehren und ergötzen“, erläutert Bibliotheksdirektor Sascha Salatowsky den moralischen Antrieb des Autors, der erst im reifen Alter begann, unter verschiedenen Pseudonymen seinen Zeitgenossen den närrischen Spiegel vorzuhalten. Macht, Eitelkeit, Gier, Bösartigkeit, Grausamkeit, Dummheit: Wenig schmeichelhaft sah Grimmelshausen die menschliche Natur, doch durchaus läuterbar. Durch Parodie, Derbheit und Witz versuchte der zum Katholizismus konvertierte Lutheraner seine Leser zum christlich-tugendhaften Leben zu bekehren: „Er überzuckerte die bitteren Pillen“, so Salatowsky.

Politische Korrektheit führte dem belesenen Autor dabei allerdings ebenso wenig die Feder wie literarischer Anspruch. Dafür finde sich in seinen Texten eine für das Genre Schelmenroman typische Frauenfeindlichkeit, erläutert Isolde Kalter. Die Diplom-Bibliothekarin hat die Ausstellung gemeinsam mit Bibliotheksdirektor Sascha Salatowsky kuratiert – und konnte dabei aus dem Vollen schöpfen: Seltene Erst- oder Zweitausgaben fast aller Grimmelshausen-Drucke finden sich im Bestand – dank der gut bestückten Barockbibliothek des Herzogs Albrecht von Sachsen-Coburg (1648–1699).

Ausgerechnet der berühmte Roman „Simplicissimus Teutsch“ fehlt in der Sammlung, doch nicht in der Ausstellung: Eine kostbare Erstausgabe von 1669 stellt die Bayerische Staatsbibliothek München zur Verfügung. Leihgaben der Kunstsammlungen der Veste Coburg illustrieren den historischen Hintergrund, darunter Medaillen von berühmten Kriegsteilnehmern.

Anekdoten, nach denen Grimmelshausen als Soldat ins Coburger Land gekommen sei, lassen sich zwar nicht verifizieren. Dennoch wartet die Ausstellung mit lokalen Bezügen auf, darunter die Schilderungen des Coburger Volkshelden Conrad Rüger, dessen berühmt gewordener Kanonenschuss den Veste-Belagerer Wallenstein 1632 nur knapp verfehlte. 16 Kriegsjahre mussten noch ins Land gehen, bis der Friedensdank auf dem Coburger Marktplatz gefeiert werden konnte – ein Kupferstich zeugt von dem Ereignis. In Nürnberg, so zeigt eine andere Abbildung, wurde der Westfälische Frieden sogar mit einem Feuerwerk gefeiert.

Beispiele für Grimmelshausens Nachleben runden die Ausstellung ab: Immer wieder fand sein Simplizissimus Nachfolger, bis hin zum Satirewochenblatt, das 1896 bis 1944 in München erschien. Auf dem Titelbild der letzte Ausgabe vor der Gleichschaltung durch die Nazis trägt die Redaktion am 12. März 1933 die deutsche Republik zu Grabe. Die Zeichnung schuf einer der bekanntesten Karikaturisten seiner Zeit: Karl Arnold aus Neustadt bei Coburg.

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