Guttenberg und Gysi Zwei Männer, ein Podcast

Elmar Schatz
Gregor Gysi und Karl Theodor zu Guttenberg. Foto: dpa

Sie könnten nicht gegensätzlicher sein, aber der Konservative und der Linke starten ein gemeinsames Projekt.

 
Schließen

Diesen Artikel teilen

Karl-Theodor zu Guttenberg aus altem oberfränkischen Adel und der Alt-Linke Gysi, der Vorfahren in Bamberg hatte, gehen charmant miteinander um, von wegen Streitgespräch. Immer wieder mittwochs wollen sie sich treffen. Das erste Mal wurde zu einer netten Plauderei. Guttenbergs Sturz als Verteidigungsminister infolge seiner in großen Teilen abgeschriebenen Doktorarbeit liegt weit zurück, mehr als ein Dutzend Jahre schon, und an Gysis Rolle als Anwalt in der DDR erinnert sich auch kaum noch jemand.

„Ganz banal“ sei die Idee zum Podcast gewesen, erklärt Guttenberg laut „Münchner Merkur“, „weil es uns Spaß macht, miteinander zu reden. Weil wir interessiert aneinander sind. Weil wir von zwei ganz unterschiedlichen Feldern kommen.“ Der 51-Jährige sagt: „Ich glaube, was heute fehlt, ist ein offener Dialog über die großen Themen, die nicht nur politisch sind, sondern, die das Leben spielt.“ Und darin bestärkt ihn Gregor Gysi. Der 75-jährige sagt: „Als Mitglied des Bundestages leide ich darunter, das zu selten und zu wenig fraktionsübergreifend über Probleme gesprochen wird.“ Der Teil der Bevölkerung, der die etablierte Politik, von der CSU bis einschließlich der Linken, ganz entschieden ablehne, ganz entschieden ablehne, nehme täglich zu. So könne man sich doch mal gemeinsam Gedanken machen, woran das liege.

Und was reizt Gysi so am Baron? „Schon Ihre adlige Herkunft, Ihre absolut westdeutsche Sozialisation in jeder Hinsicht – das Konservative.“ „Plötzlich gibt es auch erstaunliche Übereinstimmungen“, staunt Gysi. Die beiden Männer philosophieren über Einsamkeit. Guttenberg sagt: „Wenn der Schritt immer weiter nach oben geht, wird die Zahl derjenigen, die es wirklich gut mit einem meinen – in dem Sinne, dass man sich auch als Gegenpol zur Einsamkeit geborgen fühlt – die wird verdammt dünn.“ Einen neuen treuen, wenn auch streitbaren, Wegbegleiter habe er mit Gysi nun immerhin gefunden.

Guttenberg verrät zwölf Jahre nach seinem Rücktritt Details aus seinem Leben, die nicht zum bisherigen Strahlemann-Image passen mögen. Einsamkeit habe ihn sein ganzes Leben begleitet, erklärt er t-online. Schon als Bub durch die frühe Scheidung seiner Eltern und dadurch, dass er „im oberfränkischen Schloss in einer kleinen Ortschaft“ groß geworden sei. „Da ist die Bruchstelle zu den Gleichaltrigen im Dorf noch mal eine ganz andere zunächst. Das Erste, was Sie ins Gesicht bekommen, ist nicht eine Frage, sondern eine Faust.“ Das sei eine „ganz eigene Art von Einsamkeit“. Gerade wenn die Eltern in dem Moment nicht da seien. Doch es habe ihm gut getan, sich öffnen zu müssen, um diese Einsamkeit zu überwinden.

Sogar als Spitzenpolitiker habe er oft Einsamkeit verspürt. „Ich hatte das Gefühl, dass es eine doppelte Einsamkeit produziert hat, das politische Leben.“ Da gebe es „Einsame, die Zuhause sitzen“, die eigene Familie. Man komme spät nachts heim und müsse schon früh wieder los. „Meine Kinder haben irgendwann die Rechnung aufgemacht, und haben gesagt, Du warst im Schnitt nur noch drei Stunden in der Woche für uns verfügbar. Als hat sich die Einsamkeit plötzlich auf verschiedene Schultern verteilt.“ Die beiden Töchter des Ehepaars Guttenberg sind mittlerweile erwachsen.

Im März 2011 hatte Guttenberg seine Ämter niedergelegt. Dass er je in die Politik zurückkehrt, schloss er im vergangenen Jahr in „Stern“ aus:“ Nach meinem Empfinden habe ich in der Politik nix mehr zu suchen.“

Bilder