Handwerk in den Haßbergen Bewerber weiterhin heiß begehrt

Günther Geiling
Viele ukrainische Familien und Flüchtlinge haben sich über die Aufnahmebereitschaft der Bevölkerung in den verschiedenen Unterkünften wie hier in der ehemaligen Schule in Stettfeld gefreut mit Mama Nasjwa, Vater Farhod mit den Kindern Sevinja, Güzel und Mohammed beim Kochen(von links). Meist ziehen sie aber auch in Privatwohnungen oder zu Verwandten weiter. Foto: /Günther Geiling

Der Handwerksmeister ist künftig dem Bachelor-Abschluss gleichgestellt. Ein „Schmankerl“, das Jugendliche animieren soll, einen handwerklichen Beruf anzustreben. Wichtig für den Arbeitsmarkt sind zudem Zuwanderungen – unter anderem aus der Ukraine.

 
Schließen

Diesen Artikel teilen

„Das Handwerk liegt in der Natur des Menschen. Was hindert so viele daran, es zu ihrem Beruf zu machen? Kinder lernen, mit dem Kopf zu arbeiten. Mit den Händen arbeiten sollen andere.“ Mit dieser Frage und provokanten Aussage begann Barbara Hofstadt von der Unterfränkischen Handwerkskammer ihren Arbeitsmarktbericht vor den Mitgliedern des Ausschusses für Arbeit und Soziales. Dabei wies sie auf rund 2000 unbesetzte Lehrstellen hin.

Die Konjunktur sei nach wie vor hoch. Dies könne sich aber auch hemmend für die Ausbildung auswirken. Hinzu komme, dass die Zahl der auszubildenden Betriebe rückläufig sei. Die Politik müsse noch mehr dafür tun, die berufliche Bildung langfristig zu stärken. Dabei lobte sie die gesetzliche Veränderung, nach der inzwischen handwerkliche Meister mit einem Bachelor gleichgestellt seien und es auch den „Berufsmaster“ oder „Berufsspezialisten“ gebe. Die berufliche und akademische Bildung ist so inzwischen durchaus gleichwertig und das sei „auch für die Eltern wichtig. Mit der Kampagne „Elternstolz“ und mit der Nachwuchskampagne „Macher gesucht“ versuche man, hier noch mehr Power hineinzubringen, betonte Barbara Hofstadt.

Im Landkreis gebe es derzeit 475 Azubis, während es im Jahre 2019 noch 533 und 2011 noch 641 waren. „Dies ist ein Rückgang von 25 Prozent in zehn Jahren und liegt nicht an dem mangelnden Engagement der Betriebe, sondern an den fehlenden Bewerbern. Auch bei den neuen Lehrverträgen haben wir einen Rückgang von 20 Prozent.“ Es seien auch die Schulabgänger um 20 Prozent zurückgegangen. Es handle sich um eine kleine Gruppe, um die sich alle schlagen würden.

60 Prozent der Auszubildenden wählten ihre Berufsentscheidung nach den „Top Ten“ aus, obwohl es insgesamt 130 verschiedene Berufe gebe, von denen auch 90 in de Region angeboten würden. Dazu zählten an der Spitze die Kfz-Mechatroniker, Elektroniker in Energie- und Gebäudetechnik oder Schreiner. Ziel sei es hier, auch Nischenberufe noch bekannter zu machen. Basis für diese Ausbildungsberufe im Handwerk seien immer noch die Mittelschüler. Man biete diese berufliche Orientierung aber in allen Schulen an. Inzwischen seien auch 30 Prozent junge Frauen im Handwerk tätig und auch darüber biete man praktische Einblicke. Ebenso habe das Thema „Fachkräfte aus dem Ausland“ eine neue Brisanz bekommen und so seien derzeit schon 60 Nationen in Unterfranken im Handwerk tätig. Die Einwanderung sorge für neue Perspektiven und so habe es 2020 mit Menschen aus dieser Gruppe 208 Kontakte geben und 2021 schon 351. „Nach einer Studie der Uni Göttingen macht das Handwerk 91 Prozent der Beschäftigten glücklich und darunter ist auch ein Großteil an jungen Frauen und Menschen mit höherer Schulbildung“.

Der stellvertretende Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer, Jürgen Bode, bezeichnete den Arbeitsmarkt hervorragend mit einer Arbeitslosenquote im Landkreis Haßberge von nur 2,5 Prozent, denn unter 3 Prozent spreche man schon von Vollbeschäftigung. Das Fachkräftemonitoring spreche dennoch von einem Defizit von 11 000 Fachkräften in Mainfranken und deswegen wolle man auch die Möglichkeiten aus dem Einwanderungsgesetz bei den Unternehmen propagieren. 60 Prozent der potenziellen Bewerber erhielten derzeit gleich eine Vollanerkennung, während 30 bis 40 Prozent in eine Nachschulung müssten und dort ihre Potenziale weiterentwickeln könnten.

Am Ausbildungsmarkt habe man derzeit aber eine Besetzungsquote von nur 78 Prozent und damit seien rund 25 Prozent der Ausbildungsstellen nicht besetzt. Auch im Landkreis Haßberge hätten die Ausbildungsstellen von 283 im Jahre 2011 auf nunmehr 209 im Jahr 2021 um mehr als 25 Prozent abgenommen.

Jürgen Bode wies schon auf die „Demografie-Falle“ hin, bei der man ab 2025 einen Jahrgang weniger habe und sich auf diese Situation einstellen müsse. Die IHK gehe mit Ausbildungs-Scouts in die Schulen, um über die veränderte Arbeitswelt und die Berufe zu informieren. Man dürfe aber auch ausländische Fachkräfte nicht aus den Augen verlieren, die aus dem Westbalkan und aus der Türkei kommen und derzeit auch aus China, zum Beispiel im Gastronomiebereich.

***

Dieter Sauer (Sozialamt) und Werner Mahr (Jobcenter) berichteten dann über die Aufnahme und Integration der Vertriebenen aus der Ukraine. Seit Februar habe man eine sehr große Anzahl von Menschen aufnehmen müssen. „Dies war eine große Herausforderung, weil wir nicht darauf eingestellt waren. Inzwischen sind rund 650 Menschen aus diesem Gebiet bei uns und wir stehen dabei vor einer ständigen Fluktuation“, betonte Dieter Sauer. Viele gingen weiter zu Verwandten oder Bekannten oder kehrten auch in ihre Heimat zurück. Vordringlich sei die Bereitstellung von Unterkünften gewesen und hierfür habe man 479 Plätze angeboten. Die Aufnahmebereitschaft aus der Bevölkerung sei groß und die Notplätze wie in der Frauengrundhalle in Ebern seien aber nie voll ausgenützt worden. Aktuell habe der Zustrom nachgelassen und es kämen nur noch vereinzelt Personen aus der Ukraine zu uns.

Werner Mahr teilte mit, dass 169 Anträge auf Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch II gestellt wurden und über 92 Anträge schon entschieden wurden. Eine nahtlose Leistungsgewährung sei aber sichergestellt. Es seien bereits 189 erwerbsfähige Ukrainer im Fachverfahren erfasst worden und man habe auch einen „Integrations- und Sprachkurs“ mit 65 Plätzen eingerichtet, wobei man insgesamt mit einem Bedarf von 400 Plätzen rechne. Manche pendelten auch zu solchen Kursen nach Schweinfurt oder Bamberg aus und das sei wichtig, denn nur mit einem solchen Kurs hätten sie eine Chance auf dem Arbeitsmarkt.

Mahr berichtete in diesem Zusammenhang von einige positiven Beispielen vom Übergang von Flüchtlingen in den deutschen Arbeitsmarkt. „Ein Ukrainer, der in der Schule Deutsch lernte, wurde schon zum 1. Juni von der Post als Zusteller eingestellt. Ein weiterer Ukrainer habe in Bamberg eine Arbeit als Kfz-Mechaniker (es war sein erlernter Beruf) in Teilzeit aufgenommen und besuche dort zusätzlich in Teilzeit einen Integrationskurs. Zwei Lehrerinnen unterstützen als Förderlehrer den Schulunterricht an Grundschulen im Landkreis.“

Bilder