Handwerk mit Tradition Scharfer Schliff für stumpfe Klingen

Ludwig Leisentritt
Über mangelndes Interesse bei den Kindern brauchte sich in den 50er Jahren dieser Mann in der Haßfurter Theodor-Morungstraße nicht zu beklagen. Foto: Archiv Ludwig Leisentritt

Die Scherenschleifer gehörten früher überall zum Straßenbild. Der Landkreis Haßberge spielte hier eine ganz besondere Rolle, denn die Schleifsteine aus Zeil und Ebelsbach/Eltmann waren weltweit begehrt.

 
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Die Scherenschleifer gehörten früher einmal zum Straßenbild unserer Heimat. Sie schärften die Scheren, Messer, Beile, Äxte und Sägen, die im Laufe der Zeit stumpf geworden waren. Oft zogen viel zu viele dieser Zunft von Ort zu Ort. 1836 versuchte die Regierung in Würzburg daher, die Konzessionen für diesen Wanderberuf zu beschränken. Aber auch zahlreiche Landwirte, Handwerker und auch gewöhnliche Haushalte verfügten noch in den Nachkriegsjahren über einen eigenen Schleifbock mit einem einheimischen Schleifstein. Sogar die gärtnerisch und landwirtschaftlich tätigen Nonnen im ehemaligen Zeiler Caritashaus benutzten einen einfachen Schleifbock aus Holz.

1933 kündigte der Scherenschleifer Konrad Meyer aus Solingen in der Zeitung an, dass er sich drei Tage in der Haßfurter Eisenbahnwirtschaft aufhalten werde. Dort könne er neben Messern auch alle Sorten von Scheren, Rasiermesser und Scheiben von Fleischmaschinen fachmännisch schleifen. Er erklärte sich bereit, auf Wunsch das Schleifgut zu Hause abzuholen und wieder zurückzubringen. Damals zog auch eine Familie aus dem Steigerwald im Frühjahr mit einem kleinen überdachten Wägelchen übers heimische Land. Gezogen wurde das Gefährt von einem Esel. So verdienten sie sich ihren Lebensunterhalt mit Flicken von Regenschirmen, Löten von Blechtöpfen und mit dem Schleifen von Messern und Scheren. Als Attraktion führte sie ein dressiertes Äffchen mit, das die Kinder anzog und dadurch die Erwachsenen aufmerksam machte. Im Herbst kehrte die Familie wieder zurück in ihr Winterquartier. Weil sie hier als Einheimische galten, unterschieden sie sich vom früher oft geschmähtem „fahrenden Volk“.

Noch 1965 warb in Haßfurt ein 67 Jahre alter Scherenschleifer aus Nürnberg um Kunden. Vor allem die Orte mit Bahnanschluss gehörten zu seinem Tätigkeitsbereich. Sein Gerät war damals ein „Mercedes“ unter den Schleifgeräten. Bereits seit 45 Jahren reiste dieser Mann durch die Lande.

Der Scherenschleifer Siegmayer aus dem pfälzischen Bellheim kam vor rund 50 Jahren wohl mit der Eisenbahn nach Haßfurt. Er bot ausdrücklich auch das Schärfen von Wellenschliff- und Fleischmaschinenmesser an. Seine mit mehreren Schleifscheiben ausgestatteten Geräte wurden schon mit einem Motor angetrieben und unterschieden sich von denen, welche in den 50-er und 60-er Jahre das Straßenbild in unserer Heimat prägten. Mit der Zeit gehörten die Scherenschleifer zu einem aussterbenden Berufszweig. Sie fuhren nicht mehr jede Woche durch die Straßen unserer Gemeinden. Manche die heute dieser Tätigkeit nachgehen, tun dies oft als Hobby.

Ein Stück weit Folklore

Mit einem Filzhut als Attribut auf den Kopf, bot so unter anderem der Haßfurter Jörg Seinige in den 90er Jahren jeweils am Freitag alle 14 Tage seine Dienste öffentlich an. Sein fester Standort war in der Florian-Passage gegenüber der Ritterkapelle. Er legte Wert darauf, noch die alte Schleifmethode im Wasserbad anzuwenden. Bei einem Landkreisfest in Haßfurt gehörte er 1998 zu den Akteuren, die bei Groß und Klein Aufmerksamkeit erzielten. Zuerst schärfte der Haßfurter nur für seinen Bekanntenkreis. Mit der Zeit wurden seine Aufträge größer, sodass er schließlich ein Gewerbe anmeldete. Die Qualität seiner Arbeit führte dazu, dass sich sein Kundenkreis vergrößerte. Besonders Gastronomen suchten ihn häufig auf. Sein Tätigkeitsbereich erstreckte sich von Bamberg bis Schweinfurt und von Hofheim bis Gerolzhofen. Später ersetzte er seinen großen fußbetriebenen Schleifbock durch ein elektrisches Gerät mit austauschbaren Schleifscheiben. Damit konnte er auch Messer mit Wellenschliff, Scheren oder Gartenwerkzeuge schärfen. Manchen Gastronomen wünschten, die Schneidwerkzeuge nicht ganz so scharf zu schleifen, da es wegen Schnittverletzungen beim Küchenpersonal immer wieder zu Ausfällen kam. Heute schärft er nur noch für den Eigenbedarf. Die Akzeptanz für Dienstleistungen an der Haustür ist ein Stück weit dem Onlineshopping zum Opfer gefallen. In normalen Haushalten werden stumpf gewordene Messer oder Scheren kaum mehr nachgeschärft. In der Regel wird eine Neubeschaffung bevorzugt.

Der Elektromeister Theophil Giebfried hat 2018 in Hofheim ein Reparaturcafé ins Leben gerufen. Er wollte der sogenannten Wegwerfgesellschaft etwas entgegensetzen und zeigen, dass nicht alles weggeworfen werden muss, wenn bestimmte Gegenstände oder Geräte nicht mehr voll zu gebrauchen sind. Stumpf gewordene Scheren oder Messer gehören dazu. 2019 gastierte der Scherenschleifer Wilhelm Blum – Spross einer Sinti-Familie – im Reparaturcafé im „Haus des Gastes“. Bereits mit neun Jahren stand er am Schleifbock seines Vaters. Als er sich in den späten 60er Jahren selbstständig machte, zog er viele Jahre mit einem alten Auto über die Lande. Der Schleifbock musste noch mit Muskelkraft mit dem Pedal betrieben werden. Zeitweise ließ er sich in Bundorf und Goßmannsdorf nieder. Bei einem Gespräch mit dem Journalisten Alois Wohlfahrt sagte er etwas bedauernd: „Heute macht kaum einer noch die Fenster auf, wenn Du in der Ortschaft klingelst.“ Geworben wird heutzutage mit Wurfzetteln. Seine vom Vater erworbene Fähigkeit hat Blum mittlerweile an seinen Sohn Renaldo weitergegeben.

Der Zeiler „Einmannschleifstuhl“

1950 hatte der Zeiler Tüftler und Erfinder Rudolf Weigmann den damals üblichen Schleifbock technisch verbessert. Bislang mussten die Geräte von einer zweiten Person mittels Handkurbel betrieben werden. Weigmanns Schleifgerät wurde im Sitzen mit Füßen angetrieben, was ein bequemes Schleifen ermöglichte. Beim Aufstehen senkte sich ohne Zutun der Wasserbehälter, um den Schleifstein trocken zu stellen. Das verhinderte, dass sich der Stein einseitig abnutzte. Alte Schleifböcke erkannte man daran, dass nach längerem Gebrauch die Schleifsteine nicht mehr richtig rund waren. Seine Erfindung ließ sich der Zeiler dann auch patentieren.

Fortbewegungsmittel und Arbeitsgerät

Als das Fahrrad ab etwa 1890 seinen Siegeszug begann, trennten sich auch die Scherenschleifer von den schubkarrenartigen Fahrgestellen, mit denen sie bisher unterwegs gewesen waren. Die Umstellung war relativ einfach und mit geringen Kosten verbunden. Das Fahrrad war nun Fortbewegungsmittel und Arbeitsgerät zugleich. Ein aufmontierter kleiner Schleifstein und ein am Rahmen aufgehängtes schrill klingendes Stück Eisen genügten. So ein umgebautes Fahrrad hatte in der Regel vor dem Lenker einen Schleifstein auf einer Welle. Bei einem Halt in einer Straße wurden das Hinterrad aufgebockt und ein Treibriemen über die Hinterachse geworfen. Nun musste der Schleifer nur noch durch Muskelkraft kräftig in die Pedale treten. Wie alte Fotos belegen, machten sie zudem in den 50er und 60er Jahren in den Straßen mit lautem Gebimmel auf sich aufmerksam. Mit dem Ruf „Scheren schleif, Scheren schleif!“ lockten sie die Kundschaft aus den Häusern. Fast immer waren es Kinder, die den Mann als erste umringten und ihm neugierig bei seiner Tätigkeit zusahen. Die meisten umherziehenden Scherenschleifer pflegten früher trocken, also ohne Kühlung zu schleifen. Das ließ das Schleifgut in der Regel zu heiß und dadurch weich werden. Fachhandel und Polizei warnten daher häufiger, dass die Preise ambulanter Scherenschleifer zu hoch seien und dass die Arbeit nicht immer fachgerecht ausgeführt werde. Der Beruf des Scherenschleifers war daher lange Zeit mit einem Negativimage belastet. Das Wort „Scherenschleifer“ beschreibt noch heute umgangssprachlich einen Taugenichts, der darauf aus ist, jemanden übers Ohr zu hauen. Während sich der Beruf als Sprichwort erhalten hat, ist es heute jedoch kaum mehr möglich, eine schwungvoll gebogene Nagelschere selbst zu schleifen. Spezielle Messer müssen eingeschickt werden. Billige Messer-Bestecke werden oft weggeworfen.

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