Hassberge Hindernisse in der Stadt

Von

Ebern hat einige Stellen, die es Behinderten schwer machen. Die Neue Presse nimmt sie mit Betroffenen unter die Lupe.

 
Schließen

Diesen Artikel teilen

Ebern - "Wir wollen niemanden angreifen", stellen Ingeborg Sauer und Gabi Lang gleich am Anfang klar, "nur vielleicht ein paar Denkanstöße geben". Gemeinsam mit der Neuen Presse und Eberns Senioren- und Behindertenbeauftragter Isabell Kuhn machen sich die Damen, beide gehbehindert, auf eine Tour durch Eberns Altstadt - zu öffentlichen Einrichtungen, die für beide nur mit Mühe zu erreichen sind.

Die Tour beginnt beim Ämtergebäude - neu renoviert und mit einem behindertengerechten Eingang auf der Rückseite versehen. Doch dass es ihn gibt, weiß nicht jeder, und am Haupteingang ersichtlich ist es auch nicht. Die Hinweise fehlen, auch an anderer Stelle. Im Hof des Ämtergebäudes gibt es nämlich nebst besagtem Eingang zwei Behindertenparkplätze. Von hier aus gelangen Patienten übrigens gut zum Augenarzt, der eine Rampe zu seiner Praxis hat. Doch an die gelangen die Besucher nur, wenn sie am Ämtergebäude parken - nicht vom Hof des Finanzamtes aus, auf den das Ärzteschild am Toreingang hinführt.

"Es sind oft nur Kleinigkeiten", sagen die beiden Ebernerinnen: Ein Nicht-Betroffener denke eben oft nicht daran, da sei niemandem ein Vorwurf zu machen. Geht man aber einmal mit offenen Augen durch die Stadt, fallen gleich mehrere Kleinigkeiten auf, die für körperlich beeinträchtigte Mitbürger durchaus ein großes Hindernis darstellen können. Öffentliche Einrichtungen wie die Stadtbücherei oder das Finanzamt sind in alten Gemäuern untergebracht, die durch ihre hohen Stufen einen Besuch schlichtweg unmöglich machen. Möglichkeiten gibt es bei der neuen Post zwar, sie führen aber durchs Lager. Nicht zugänglich ist auch die Wühlkiste - ein Laden des Landkreises.

Doch auch Positives bringt die Ebern-Tour ans Licht: Gerade bei Neubauten wird immer mehr darauf geachtet, ebene Flächen und Eingangsmöglichkeiten zu schaffen, wie etwa beim Sparkassengebäude; auch das glatte Pflaster im frisch gestalteten Mühlenviertel rühmen die beiden Damen. "Viel besser als Kopfsteinpflaster oder der Schotter in der Anlage!", sagen sie. Isabell Kuhn, die als Leiterin der Lebenshilfe-Tagesstätte in Ebern ebenfalls oft mit "schwerem Gerät" unterwegs ist, pflichtet bei: "Dasselbe gilt ja auch für Kinderwagen." Ähnlich verhält es sich mit der nötigen Gehsteigbreite, wie vor allem am Stadtberg immer wieder in der Diskussion. Behindertengerecht einkaufen lässt es sich etwa im Edeka, der Einkaufswagen für Rollstuhlfahrer bereit hält. "Oft braucht es nicht viel Aufwand, um etwas zu verbessern", so Kuhn.

Leichter ist es, bei einem Neubau gleich an alle zu denken, Besitzer und Mieter von Altbauten haben es da schwerer. Positivbeispiel ist aber eines der allerältesten Gebäude der Stadt: An der St. Laurentiuskirche gibt es seit Herbst einen barrierefreien Zugang an der Südseite, der nachträglich geschaffen wurde. Die Tür öffnet sich auf Knopfdruck und wird durch einen Sensor geregelt. Apropos Tür: Behindertentoiletten an allen Raststätten in Deutschland verfügen über ein genormtes Schloss, das sich mit einem sogenannten Euro-Schlüssel öffnen lässt. Nicht so aber das der Behindertentoilette im Schumacherhaus: Der Schlüssel passt nicht, da lässt sich nicht dran rütteln. Die Toilette ist per Zeitschaltuhr von 7 bis 19 Uhr geöffnet, doch abgesehen davon, dass man auch am Abend sein Bedürfnis haben kann, ist Gabi Lang auf Hilfe beim Öffnen der schweren Tür angewiesen - das ist im Übrigen am Eingang des Ämtergebäudes nicht anders.

Hilfe ist beim Freibadbesuch nötig: Die traumhafte Lage bringt steile Hänge mit sich, ins Becken ist es alleine nicht zu schaffen. "Gerade weil es ein so schönes Bad ist, ist das schade", klagt Ingeborg Sauer: "Das ist wie wenn man vor einem Schaufenster steht mit Leckereien, und kommt nicht ran!" Immerhin soll es bald auch eine ermäßigte Jahreskarte für Behinderte geben, die bislang fehlt. Verbesserungsvorschläge haben die Damen nicht wenige: Vom Spind in Beckennähe bis zum separaten Eingang weiter unten am Losberg. "Gerade, weil ein Schwimmbad auch eine therapeutische Einrichtung ist", so Ingeborg Sauer, wäre eine Eignung für die, die eine solche brauchen, schön - anstatt sich dort durch die äußeren Umstände schlichtweg unerwünscht zu fühlen.

Deshalb hoffen die Ebernerinnen auf eine behindertengerechte Planung beim neuen Hallenbad, vielleicht sogar auf Mitsprachemöglichkeit. Denn, so bringt es Isabell Kuhn auf den Punkt: "Zuerst einmal müssen Barrieren im Kopf abgebaut werden." Das könnte schon damit anfangen, sich in seine Mitmenschen hineinzuversetzen oder vielleicht einmal freiwillig aufzustehen, wenn man sieht, dass ein anderer den Sitzplatz nötiger hat. Kuhn will die Anliegen nun zügig an die zuständigen Stellen weitergeben.


Weg frei wie von Zauberhand

Als Beispiel dafür, dass es durchaus möglich ist, auch an Altbauten etwas zu verändern, kann die Stadtpfarrkirche St. Laurentius in Ebern gelten: Seit Herbst 2012 gibt es hier am Seiteneingang einen barrierefreien Zugang. Auf Knopfdruck öffnet sich die Tür, die ebenerdig den Weg ins Gotteshaus freigibt. Die vorhandenen Sandsteinplatten sowie die Natursteinschwelle vor dieser Eingangstür wurden abgesenkt, an einem Sandsteinpfosten ein elektrischer Schalter angebracht.

Etwa 14 000 Euro hat die Maßnahme gekostet, finanziert von der Diözese Würzburg (3000 Euro), der Stadt Ebern (1100 Euro), der Kirchenverwaltung sowie durch Spenden. Auch an der Marienkapelle soll in naher Zukunft solch ein barrierefreier Zugang geschaffen werden.




Euro-Schlüssel öffnet Türen - normalerweise

Der Euroschlüssel ist ein 1986 eingeführtes, inzwischen europaweit einheitliches Schließsystem, das es körperlich beeinträchtigten Menschen ermöglicht, mit einem Einheitsschlüssel selbstständig und kostenlos Zugang zu behindertengerechten sanitären Anlagen und Einrichtungen zu erhalten. Dies können Autobahn- und Bahnhofstoiletten, aber auch öffentliche Toiletten in Fußgängerzonen, Museen oder Behörden sein.

Einen Euroschlüssel erhält man etwa bei schwerer Gehbehinderung, aber auch bei chronischen Blasen- und Darmleiden.

Im Schumacherhaus, wo die öffentliche Behindertentoiletteder Stadt Ebern zu finden ist, passt der Schlüssel leider nicht, wie Ingeborg Sauer und Gabi Lang bei der Ebern-Tour feststellen mussten.


Autor

Bilder