Haßberge Katzenjammer im Tierheim

Herrenlose Hauskatzen vermehren sich auch im Landkreis ungehindert. Das Resultat: eine regelrechte Katzenschwemme im Tierheim. Dort will man auch die Kommunen in die Pflicht nehmen.

 
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Zell/ Kreis Haßberge - Diesen Herbst ist es besonders schlimm. Eine wahre Flut an Katzenbabys hat die Tierschutzinitiative in den vergangenen Wochen überrollt – Katzennachwuchs herrenloser Tiere, von denen es im Landkreis viel zu viele gibt. „Eine völlige Katastrophe“, fasst Britta Merkel, Vorsitzende der Tierschutzinitiative Haßberge e.V. (TI) und Leiterin des Tierheims in Zell, zusammen. Nicht alle der kleinen Kätzchen, die die Tierschützer von den Straßen und aus den Scheunen klauben, überleben. Parvovirose heißt das Schreckgespenst, eine Infektionskrankheit, die Jungtiere abmagern und qualvoll eingehen lässt. Was helfen würde, ist eine Impfung. Doch wie so oft: Es fühlt sich eben niemand verantwortlich.

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Fast täglich bekommen die Tierschützer nun Anrufe zu herrenlosen Kätzchen. Und die kommen aus dem gesamten Landkreis, ob aus der Siedlung mitten in Haßfurt oder der Waldrandlage bei Hofheim.

Amtstierärztin Simone Nowak hat ihre liebe Not, wenn die Anzeigen bei ihr eingehen. Denn vor Ort lassen sich die kleinen Kreaturen oft nicht finden – sie verkriechen sich oder vegetieren bereits in irgendwelchen Ecken vor sich hin. Eiternde Augen, chronischer Durchfall oder Geschwüre und Entzündungen sind keine Seltenheit. Für die Bedenkenlosigkeit der Menschen, die zwar füttern, sich aber dann nicht um die Krankheiten der sich unkontrolliert vermehrenden Katzen kümmern, hat die Leiterin des Veterinäramtes kein Verständnis. Und sie stellt klar: „Sobald man ein Schälchen Milch hinstellt, geht man ein Obhutsverhältnis ein.“ Sprich: Man wird für das Tier verantwortlich. Und fördert durch das Füttern im Übrigen auch die Vermehrung, denn so werden Kätzinnen öfter trächtig, erklärt Simone Nowak. Das Einzige, was helfe, Tierleid zu vermeiden, sei die Kastration.

Rund 150 Kastrationen pro Jahr

Eine Zeit sei es ganz gut gegangen, sagt Britta Merkel, die mit ihrem Team in Eigenregie immer wieder Kastrations-Aktionen durchführt. Aber diesen Herbst hätten sich die Zahlen zum Vorjahr beinahe verdoppelt. 67 Katzen zählt das Tierheim schon, Tendenz steigend. Die jüngsten Miezen nimmt Britta Merkel mit nach Hause, schließlich müssen die Katzenbabys alle paar Stunden gefüttert werden. Ein 24-Stunden-Job, aber das macht die Tierschützerin gerne – wenn sich nur an der Situation einmal etwas ändern würde.

Seit 13 Jahren organisiert die TI Kastrationen wildlebender Katzen, „rund 150 pro Jahr, mindestens“, rechnet Britta Merkel. Bei knapp 140 Euro pro weiblichem, 100 Euro pro männlichem Tier, kann man sich ausrechnen, wie der Tierschutz in die Zehntausende geht. Geld, das der Verein kaum aufbringen kann. Denn die rund 80 000 Euro brutto, die die Tierheimbetreiber jährlich von den Kommunen für die Fundtier-Verwahrung erhalten, reichen schon dafür eigentlich nicht aus. Der Tierheimbetrieb kostet rund 200 000 Euro im Jahr, und auch hier: Tendenz steigend. Ohne Mitgliedsbeiträge des Vereins, kleine und größere Spenden, Unterbringung von Urlaubshunden, Straßenfeste oder Tombolas wäre das nicht zu stemmen – ohne ehrenamtliche Arbeit schon gar nicht. Für Tiere, die nie ein Herrchen oder Frauchen hatten, kommen die Kommunen bislang nicht auf, eine gesetzliche Regelung gibt es hier nicht. Zuständig wäre auch die Tierschutzinitiative streng genommen nicht – herrenlose, verwilderte Tiere fallen nicht unter die Vereinbarung. Doch Tierschutz kann nicht dort aufhören, wo die Bürokratie anfängt.

Meldungen an die Kommunen

Den Kommunen sei das Problem womöglich auch gar nicht bekannt, vermutet Amtstierärztin Simone Nowak. Denn wer ein Tier findet, meldet sich entweder bei ihr oder direkt bei der Tierschutzinitiative. Eine Abfrage unter den Kommunen vor ein paar Jahren legt das nahe, ein Problem in seiner Gemeinde hatte kein Bürgermeister gesehen. „Aber wir sehen es ja“, sagt Simone Nowak.

Die Tierschützer bitten daher nun alle Bürgerinnen und Bürger, künftig im eigenen Rathaus Bescheid zu geben, statt bei der TI oder im Veterinäramt, damit das Problem nicht an den Kommunen vorbeigeht. Einzelne Unterstützungen hatte es schon gegeben, berichtet Britta Merkel: Knetzgau, Zeil, auch Ebern hatten schon Geld für gezielte Kastrationsaktionen zugeschossen. Ohne die Unterstützung der Kommunen könne es jedenfalls nicht mehr weitergehen, sagt Britta Merkel, die nun die Kastrationen bis zu einer Einigung aussetzen will. Ziel ist, einen gemeinsamen Kompromiss mit allen betroffenen Kommunen zu finden, um Tierschutz und öffentliche Ordnung unter einen Hut zu bekommen. Das Thema soll nun bei einer der nächsten Bürgermeister-Dienstbesprechungen auf den Tisch kommen.

Leben auf der Straße

Nach Angabe der Tierschutzorganisationen wie Tasso oder Peta leben in Deutschland rund zwei Millionen Katzen auf der Straße. Viele gehen qualvoll zu Grunde, verhungern oder erfrieren. „Die Ursache dieses Tierleids sind unkastrierte Hauskatzen: Nur wenige Menschen lassen ihre Katze kastrieren; so zeugen Freigänger weiter Nachwuchs mit Streunern, und die Streunerkatzen vermehren sich immer weiter“, heißt es bei Tasso. Und es gibt ein erschreckendes Rechenbeispiel: Eine unkastrierte Katze und ihre Nachkommen können rein rechnerisch in nur sieben Jahren bis zu 420 000 Nachkommen zeugen. Katzen, die offenbar keiner haben will: Jährlich landen rund 300 000 Stubentiger in deutschen Tierheimen - und das sind noch die, die Glück hatten.

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