"Infarkt" droht Was tun gegen den Coburger Ärztemangel?

Mathias Mathes
Die Sicherstellung der hausärztlichen Versorgung in Stadt und Land ist für die Kommunalpolitik eine Herausforderung. Foto: picture alliance / Benjamin Ulmer/dpa/Benjamin Ulmer

Bei der hausärztlichen Versorgung in der Region droht ein Zusammenbruch. Dennoch haben Experten Hoffnung: Sie setzen vor allem auf eine Trumpfkarte.

 
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Die Lage ist angespannt, es gibt noch viel zu tun, aber wir sind auf einem guten Weg: Dieses Fazit lässt sich zu einer von der CSU Coburg-Mitte veranstalteten Gesprächsrunde zum Thema medizinische Versorgung in Stadt und Landkreis Coburg ziehen. Vor zahlreichen Besuchern im „Münchner Hofbräu“ stellten sich Professor Johannes Brachmann, Geschäftsführer der Medical School von Regiomed, Michael Musick, der Geschäftsführer des Regiomed-Klinikverbunds, der Vorsitzende des Hausarztverbands Coburg Stadt und Land, Ulrich Zuber, Landtagsabgeordneter Martin Mittag sowie Landrat Sebastian Straubel der Diskussion.

Zu Beginn legte die Moderatorin, CSU-Ortsverbandsvorsitzende und Stadträtin Christina Vatke, den Finger in die Wunde: „Rund 70 Prozent der Hausärzte in der Region sind in fortgeschrittenem Alter.“ Sie in absehbarer Zeit zu ersetzen, sei eine akute Herausforderung. Bestätigen konnte das Ulrich Zuber. Es bestehe Handlungsbedarf. Weniger Ärzte müssten in den Praxen immer mehr Arbeit schultern. Im Durchschnitt rund 1500 Patientinnen und Patienten betreue ein Hausarzt in Stadt und Landkreis Coburg. Das bedeute auf der anderen Seite, dass etwa 30 000 Menschen gar keinen Hausarzt haben. Nicht zuletzt gebe es monatelange Wartezeiten auf einen Termin beim Facharzt. Alles das mache sich auch im Klinikum Coburg bemerkbar, so Musick. Patienten ohne Arzttermin wendeten sich an die Notaufnahme, die eigentlich Notfällen vorbehalten sein sollte. Zur Gesamtsituation meinte Zuber: „Wir steuern bei der hausärztlichen Versorgung auf einen Infarkt zu.“

Für Martin Mittag bedeutet das: „Wir müssen weiterhin viel Energie in das Thema investieren.“ Es gelinge durchaus, Ärzte und Ärztinnen in der Region anzusiedeln. Es bestehe aber kein Anlass, dabei nachzulassen. Auf die Imagekampagne im Rahmen der Gesundheitsregion plus von Stadt und Landkreis verwies Landrat Straubel. Der Raum Coburg werbe aktiv um Mediziner, damit diese sich in der Region niederlassen.

„In der Region Ärztinnen und Ärzte auszubilden, ist wirklich ganz entscheidend“, brachte Johannes Brachmann die Rolle der Medical School ins Spiel. Mittlerweile stünden die ersten elf jungen Männer und Frauen in den Startlöchern, um im Raum Coburg tätig zu werden. Zuber nannte diese Initiative „eine Trumpfkarte, die absolut sticht“. Derzeit laufen nach den Worten von Martin Mittag Gespräche, um eine Förderung der Medical School durch den Freistaat zu erreichen. Habe dieser Antrag Erfolg, wäre dies „ein riesengroßer Gewinn“ für die Medizinerausbildung in Zusammenarbeit von Regiomed und der Universität Split.

Einig war man sich auf dem Podium, dass in Deutschland mehr Medizin-Studienplätze erforderlich seien. Der Mangel bedinge letztlich, dass die Abiturnote zum entscheidenden Kriterium für die Zusage eines Studienplatzes geworden sei, so Brachmann. Dies bedeute aber, dass sich „nicht unbedingt immer die Richtigen“ auf den Weg zum Mediziner begäben. Daher liege beim Aufnahmeverfahren zur Medical School nicht der Schwerpunkt auf der Abiturnote, sondern unter anderem auf der Persönlichkeit der Bewerber. Damit habe man nur gute Erfahrungen gemacht.

Kritische Worte fand der Allgemeinmediziner Zuber zum bürokratischen Aufwand in den Praxen. Mehr als 60 Arbeitstage müssten im Schnitt für Berichte und Regularien aufgewandt werden. Entlastung könnte die Digitalisierung bringen. Doch derzeit schaffe sie oft nur mehr Arbeit. Viele Systeme arbeiteten noch unzuverlässig. „Wir wollen keine Testobjekte für die Computer- und Softwareindustrie sein“, meinte er.

Auf Sicht könne die Digitalisierung Ärzteschaft und Pflegepersonal entlasten, glaubt Regiomed-Geschäftsführer Musick. Er nannte etwa die Telemedizin, bei der Mediziner sich mit Patienten per Videoverbindung austauschen können. Zum Regiomed-Konzern meinte er, dass sich der Klinikverbund nach wie vor in der Phase der Neuaufstellung befinde, die Verschuldung konnte größtenteils abgebaut werden. Trotz jetzt angepeilter „Schwarzer Null“ sei offen, wie es finanziell weitergehe. Der Geschäftsführer hofft auf staatliche Unterstützung – etwa zum Ausgleich der stark gestiegenen Energiepreise.

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