Heftiger Streit um Agrarpolitik Coburger Bauern contra Grüne

Gabi Bertram
Künftig soll es auch mehr glückliche Kühe in deutschen Ställen geben. Hiesige Bauern zeigen sich jedoch mehr als skeptisch, dass der grüne Umbau in der Landwirtschaft gelingt, ohne dass sie dafür bezahlen müssen. Symbolbild: Jens Büttner/picture alliance/dpa Foto:  

Es geht um mehr Tierwohl, mehr Kontrollen und mehr Bio-Anbau: Bei einer Diskussion kracht es zwischen Landwirten und Grünen-Bundestagsabgeordneten gewaltig.

 
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Coburg - Solch eine emotionsgeladene Diskussion hat es im Gustav-Dietrich-Haus in Coburg wohl selten gegeben: Der BBV-Kreisverband Coburg hatte kürzlich seine öffentliche Kreisversammlung als Online-Veranstaltung unter das Thema „Landwirtschaft und die neue Bundesregierung: Wohin geht der Weg?“ gestellt und dazu die beiden Grünen-Bundestagsabgeordneten Karl Bär (Wahlkreis Bad Tölz-Wolfratshausen) und Johannes Wagner (Coburg/Kronach) eingeladen. Immerhin 84 Teilnehmer hatten sich eingeloggt, stellten Fragen und ließen sich auch manch saftigen Kommentar nicht nehmen.

Dass eine Diskussionsrunde mit Landwirten und Grünen genügend Zündstoff geben würde, damit war zu rechnen. Eine Reihe von Aussagen aber riefen regelrecht Empörung hervor. Viele der teilnehmenden Landwirte fühlten sich in ihrer Berufsehre und ihrer Fachkompetenz angegriffen und mit den „schwarzen Schafen“ in der Branche über einen Kamm geschoren.

Immer neue Auflagen

„Wir sind eine vielschichtige landwirtschaftliche Kulturlandschaft in der Region und wir suchen nach Orientierung“, hatte Kreisobmann Martin Flohrschütz eingangs erklärt. Nur würden viele landwirtschaftliche Betriebe den immer neuen Auflagen nicht mehr lange standhalten können. Dabei zähle man darauf, dass beim Landwirt mehr ankomme – wie es Landwirtschaftsminister Cem Özdemir jüngst geäußert hatte. Daran müssten sich vor allem die Grünen, aber auch die anderen Koalitionspartner messen lassen. Vor allem in der Tierhaltung, so Flohrschütz, brauche man Planungssicherheit und Verlässlichkeit mehr als staatliche Hilfen. Aber auch beim Pflanzenschutz und bei der Düngeverordnung fühlten sich die Landwirte im Regen stehen gelassen.

Man wolle eine Politik für Landwirte und Umwelt gleichermaßen machen, betonte Johannes Wagner aus dem hiesigen Wahlkreis. Agrarpolitiker Karl Bär stellte dazu das Sieben-Punkte-Programm für die Landwirtschaft vor und räumte ein, dass mehr Tierschutz und eine verbesserte Herkunftskennzeichnung für Lebensmittel auch höhere Kosten bedeuten würden. So müssten etwa Ställe umgebaut werden. Dies dürfe aber nicht auf den Schultern der Bauern lasten.

„Keine Sozialpolitik“

Für den Umbau der Landwirtschaft wären etwa vier Milliarden Euro pro Jahr vonnöten, die – daran ließ Bär keinen Zweifel – letztlich auch der Verbraucher mitzahlen müsse. Bär nannte dabei das Ziel, den Ökolandbau bis 2030 auf 30 Prozent zu erhöhen und dafür Förderung und Forschung zu verbessern. Er forderte eine gemeinsame Agrarreform in der EU und die Abschaffung der Flächenprämien und setzt dabei auf faire Wettbewerbsbedingungen für die Landwirte durch die Reformierung des Kartellrechts und die Schaffung eines Gleichklangs der Standards in der EU. Es gehe um Planungssicherheit bei langfristigen Investitionen, so Bär.

Und schon nahm die Diskussion an Fahrt auf. „Wie soll das alles finanziert werden?“, fragte BBV-Kreisgeschäftsführer Hans Rebelein, der den immens steigenden Ansturm auf die Tafeln infolge erhöhter Energiepreise ins Feld führte. Bär konterte: „Lebensmittelpreise sind keine Sozialpolitik, damit es billige Schnitzel oder billigen Sprit gibt. Sozialpolitik heißt vielmehr, dafür Sorge zu tragen, dass die Menschen mit ihrem Einkommen leben können.“ Umwelt- und Tierschutz und das Auskommen der Landwirte würden gegen billige Lebensmittel sprechen. „Die Lebensmittelpreise werden steigen“, zeigte sich Bär überzeugt. Dafür wolle man den Mindestlohn anheben und einen sichtbaren Ausgleich zwischen Arm und Reich schaffen. Die „gute fachliche Praxis“, so Bär, stamme aus dem Jahr 2010 und müsse fortgeschrieben werden.

Nicht immer nur Bio

Dies wiederum rief Christian Flohrschütz auf den Plan, der seinerseits auf eine solide und qualitativ hohe Ausbildung in der Landwirtschaft, aber auch auf Erfahrung und Fachkompetenz verwies. „Was soll daran nicht richtig sein?“, fragte er. Überdies, so der junge Landwirt, würde die Landwirtschaft schon jetzt nach strengen Auflagen kontrolliert: ob beim Spritzen auf den Feldern oder im Stall. Flohrschütz mahnte Bär, man erwarte eine Politik für die ganze Landwirtschaft, nicht nur für die Bio-Branche. „Hier einen Keil hineinzutreiben ist wenig zielführend“, so Flohrschütz.

Bär sah einige Punkte anders. Nach seiner Auffassung werde nicht annähernd genug kontrolliert. Auf diesem Niveau, empörte sich der Kreisobmann, könne man nicht weiter diskutieren: Die Bauern könnten ein Lied von den zahllosen Kontrollen singen, das sei kein Spaß. Während die Kreisbäuerin aus Lichtenfels, Marion Warmuth, sich von der Forderung nach mehr Kontrollen hörbar schockiert zeigte, verwies Bär seinerseits auf den Bayern-Ei-Skandal. Michael Bienlein, Kreisobmann in Lichtenfels, meinte, Tierquälereibilder seien ihm in der Region in den Jahrzehnten seiner Arbeit noch nie untergekommen. Man fühle sich ohnehin gegängelt, verwies Harald Weber, LLD im AELF, auf die Tatsachen, dass es allein im Güllebereich 200 Prüfungen gegeben habe und dazu noch 180 Kontrollen von außen. Und neben dem Amt gebe es noch zahlreiche weitere Institutionen, die kontrollierten.

„Traumtänzerei“

Probleme in der Tierhaltung in Deutschland sind für Bär dagegen Realität. Es gehe um Problemlösungen – nicht darum, sich angegriffen zu fühlen, betonte er. Hier in der Region, versuchte Wagner die Situation zu deeskalieren, seien die landwirtschaftlichen Strukturen dörflich geprägt und Ziel der Ampelkoalition sei schließlich Nachhaltigkeit. Und dass die Landwirte von ihrer Arbeit leben könnten. „Wir wollen Produktion und Umweltschutz zusammenbringen “, so Wagner. Dem „Wachse-oder-weiche-Dogma“ solle eine andere Richtung gegeben werden.

Als „Traumtänzerei“ bezeichnete Wolfgang Schultheiß die Aussagen der Grünen und prophezeite, dass in zehn bis 15 Jahren 90 Prozent der Landwirte aufhören müssten. Keine Preisabsicherung, keine Zusicherungen: Damit werde keiner investieren und dafür keine Bank Kredite geben. Dass Bär abschließend versicherte, sich dafür einzusetzen, dass es so weit nicht kommt und appellierte, man möge der Koalition eine Chance geben, konnte nur wenig Zündstoff aus der Debatte nehmen.

Entrüstet hatten sich schon einige Teilnehmer vorher ausgeloggt. Und einer winkte bei den „Weisheiten von zwei landwirtschaftlichen Schulbuben“ nur ab.

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