Heiner Schneier ist tot Trauer um den „roten Wirbelwind“

Niemand hat mehr Menschen in den Haßbergen zur SPD gebracht, als Heiner Schneier. Im Alter von 96 Jahren ist der ehemalige Landtagsabgeordnete, langjährige Kreisrat, Zeiler Ehrenbürger und Mitbegründer des SPD Unterbezirks Rhön-Haßberge verstorben.

 
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96 Jahre wurde er alt, 76 Jahre davon war er SPD-Mitglied: Mit Heiner Schneier ist am vergangenen Samstag das Aushängeschild der SPD in den Haßbergen verstorben.

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„Politisches Urgestein“, „Vollblutpolitiker aus Passion“, auch „Kämpfer für Gerechtigkeit“, „Menschenfischer“ oder „roter Wirbelwind“, all diese Titel und noch mehr waren in den vergangenen Jahrzehnten in der Neuen Presse schon über Heiner Schneier zu lesen. Um ihm eine Freude zu machen, so hat Alt-Landrat Rudolf Handwerker einmal gescherzt, wäre er glatt in die SPD eingetreten, wenn er nicht schon in der CSU gewesen wäre. Schneier selbst, von Beruf Journalist, hat sich mit einem Zirkuspferd verglichen, das zu Traben anfängt, sobald die Musik ertönt. Als unermüdlich galt sein Einsatz für die Kommunalpolitik im Allgemeinen und die SPD in den Haßbergen im Besonderen. Dies lässt sich sogar in Zahlen messen: Über 600 Mitglieder hat Heiner Schneier für die SPD geworben und rund 80 Ortsvereine mitgegründet.

Und so gesellen sich zu der Anzahl der Namen und Betitelungen auch eine nicht minder große Zahl an Auszeichnungen: Schneier war Träger der Willy-Brandt-Medaille, der höchsten Auszeichnung der SPD. Geehrt wurde der Zeiler auch mit dem Bayerischen Verdienstorden, der Medaille für besondere Verdienste um die kommunale Selbstverwaltung und nicht zuletzt mit dem Verdienstkreuz am Bande des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland.

Über 50 Jahre Kreisrat

Über 50 Jahre war Heiner Schneier Mitglied des Kreistages in den Haßbergen, zwölf Jahre, von 1962 bis 1974, gehörte er dem bayerischen Landtag an. Vor allem aber war er „Geburtshelfer“ des SPD Unterbezirks Rhön-Haßberge, der die Kreisverbände Bad Kissingen, Bad Neustadt, Ebern, Haßfurt, Hofheim, Königshofen und Mellrichstadt (später auch Hammelburg) vereinte. Bei dessen Gründungsversammlung am 9. Mai 1964 in Haßfurt war Heiner Schneier nicht nur dabei, sondern wurde gleich zum Vorsitzenden gewählt. 21 Jahre, bis 1985, blieb er an der Spitze, ehe er von Susanne Kastner, spätere Bundestagsvizepräsidentin, abgelöst wurde. Sein Unterbezirk machte ihn schließlich verdientermaßen zum Ehrenvorsitzenden. Eine weitere hohe Auszeichnung ließ ihm seine Heimatstadt Zeil zukommen, die ihn zum Ehrenbürger ernannte.

Geboren 1925, getauft bei Eis und Schnee

Dort, im heutigen Stadtteil Schmachtenberg wurde Heiner Schneier am 21. Dezember 1925 geboren. Seine Eltern, die ein landwirtschaftliches Anwesen betrieben, ließen den Jungen sogleich taufen – noch am Tage seiner Geburt im tiefsten Winter, weshalb der Herr Kaplan aus Zeil „bei Eis und Schnee“ angefordert wurde, wie Heiner Schneier der Neuen Presse einst erzählte. Gottes Segen sollte ihn begleiten, nach der Volksschule in Zeil und der Oberrealschule in Haßfurt, auch während der Einberufung zur Kriegsmarine und schließlich bei der dreimonatigen englischen Gefangenschaft. Ein Geschenk muss es für seine Mutter gewesen sein, als er zu deren Geburtstag am 9. August 1945 nach Zeil zurückkehrte. Im Lager Ebelsbach lernte er dann als stellvertretender Flüchtlingskommissar seine künftige Frau kennen: Fini, die mit ihrer Familie aus dem Böhmerwald geflüchtet war. Sie wurde erst seine Schreibkraft, 1952 seine Frau.

„Sattler, Polsterer und Dekorateure“

Noch länger war Heiner Schneier allerdings mit der SPD verheiratet, von der er erstmals in der Gefangenschaft von einem Obermaat gehört hatte: Der erzählte ihm von Zusammenkünften der „Sattler, Polsterer und Dekorateure“ – Tarnbegriff für die SPD während des Hitler-Regimes. Der SPD trat Heiner Schneier im August 1946 bei, und für sie zog er bei der Kreistagswahl 1952 mit 26 Jahren als jüngster Kreisrat in den Haßfurter Kreistag ein. Ein halbes Jahrhundert, 50 Jahre lang, blieb Heiner Schneier Kreisrat, bis er im Jahr 2002 nicht mehr kandidierte. „Da wundere ich mich heute noch, dass man das so lange machen konnte“, hat er danach einmal gesagt. Im Kreistag Haßfurt wurde er Vorsitzender der SPD-Fraktion, behielt diese Funktion 20 Jahre lang bis zur konstituierenden Sitzung des Kreistages Haßberge im Jahr 1972, bei der er neben Hans Reuther zum Stellvertretenden Landrat gewählt wurde. 18 Jahre lang war er der zweite Stellvertreter von Landrat Walter Keller. Anschließend engagierte er sich vor allem im Kreisausschuss - und schimpfte regelmäßig vor allem darüber, wenn die Kreishaushalte nicht mehr im alten Jahr verabschiedet wurden. Engagiert hat er sich auch dafür, dass die Sitzungen des Kreisausschusses seit 1. Oktober 1970 öffentlich sind – vorher seien das eher „die Geheimclubs der Landräte“ gewesen, wie Schneier einmal kritisierte. Seine Fähigkeit, mehrere Dinge gleichzeitig zu erledigen, brachte einst Parteifreund und Kreisratskollege Günter Lipp auf den Punkt: „Heiner ist wohl der einzige Kreisrat in Bayern, der gleichzeitig den Spiegel lesen, Kaffee trinken, eine Anfrage stellen und die Anwesenheitsliste unterschreiben kann.“

Der „Häuflkönig“

Bei den Kommunalwahlen sei er stets „Häuflkönig“ gewesen, lobte ihn Ludwig Leisentritt, langjähriger Weggefährte im Zeiler SPD-Ortsverein. Zu Recht, denn vor allem für seine Heimatstadt engagierte sich Heiner Schneier mit viel Herzblut: Noch bevor er 1978 in den Stadtrat gewählt wurde, gründete er 1968 den Hallenbadverein, setzte gegen einigen Widerstand den Bau des Hallenbades durch und blieb 40 Jahre lang Vorsitzender des Hallenbadvereins. Als Kreis- und Ortsvorsitzender der Arbeiterwohlfahrt (AWO) war er außerdem maßgeblich für den Bau des ersten Seniorenheimes in Zeil verantwortlich.

In den bayerischen Landtag wurde Heiner Schneier 1962 gewählt und gehörte ihm bis 1974 an. In München setzte er sich für eine neue Feiertagsregelung in Bayern ein, die vom damaligen Ministerpräsident Franz-Josef Strauß (CSU) fast vollständig übernommen wurde. Ein großes Anliegen war ihm auch, dass im Zuge der Kreisgebietsreform die Gemeinde Untermerzbach in Unterfranken verblieb: „Es ging doch nicht, dass der Regierungsbezirk am Eberner Gymnasium endet“, so Schneier. Apropos Zug: Als Landtagsabgeordneter forderte Heiner Schneier auch den Ausbau der Bahnstrecke von Ebern über Maroldsweisach und Bad Königshofen bis nach Thüringen – weil er immer an die Wiedervereinigung geglaubt hatte. Nach der Wende konnte er schließlich auch drei SPD-Ortsvereine in Thüringen mitbegründen.

Über Parteigrenzen hinweg

„Wie gerne würden wir dich klonen, aber es ist leider nicht möglich beziehungsweise nicht erlaubt“, schrieb ihm sein Zeiler Parteifreund Ludwig Leisentritt zum 90. Geburtstag gewissermaßen auf die Glückwunschkarte. Den 90. hatte Heiner Schneier noch ganz groß im Dezember 2015 im Zeiler Rathaus mit vielen Freunden und Weggefährten gefeiert. Darunter waren nicht nur Parteigenossen, sondern etwa auch sein langjähriger politischer Weggefährte, Staatssekretär a. D. Albert Meyer von der CSU. „Wir haben um die Sache gestritten, aber das ist nie persönlich geworden“, gaben die beiden damals unserer Zeitung einstimmig zu Protokoll.

Dies ist auch dem Zeiler Bürgermeister und Parteifreund Thomas Stadelmann von Heiner Schneier in Erinnerung geblieben, wie er der Neuen Presse verrät: „Dass er und Albert Meyer, obwohl unterschiedlicher Parteien, immer ein sehr offenes und respektvolles Miteinander gepflegt haben. Albert Meyer hat sich bei mir immer nach dem Gesundheitszustand von Heiner Schneier informiert. Beide waren für mich sehr große politische Persönlichkeiten in unserem Landkreis.“ Schneier sei ein Mensch gewesen, „der sich immer mit Temperament, viel Schaffenskraft und Leidenschaft für die Belange der Menschen eingesetzt hat“, ergänzt Thomas Stadelmann: „Er hatte dabei immer ein soziales Bewusstsein und das politisch weit über die eigenen Parteigrenzen hinaus. Er war einfach ein Vollblutpolitiker, ein Kämpfer für mehr Gerechtigkeit im Alltag.“

„Glücksfall für die SPD und die Menschen in der Region“

Johanna Bamberg-Reinwand, Vorsitzende des SPD Unterbezirks Rhön-Haßberge, des SPD-Kreisverbands Haßberge und des SPD-Ortsvereins Zeil, erinnert Heiner Schneier als einen „der Menschen, die immer präsent waren, auch wenn sie nicht anwesend waren“, wie sie sagt: „Egal, wo ich im Unterbezirk unterwegs war. Wenn ich erwähnte, dass ich aus Zeil komme, war die erste Frage, die mir gestellt wurde, die nach Heiner Schneier.“ Dieser habe den Erzählungen nach die besondere Gabe gehabt, in jedem und jeder konsequent zuerst den Menschen zu sehen. Erst im nächsten Schritt seien sie Genossinnen und Genosse oder politische Gegner gewesen – oder Hilfesuchende oder Streitende, denen er half, ihren Konflikt beizulegen. „Heiner war ein Kümmerer, der seine Mandate immer für die Menschen einsetzte“, sagt Johanna Bamberg-Reinwand, er habe gestrahlt, ohne dass er dadurch jemanden in seinen Schatten gestellt habe. Diese Strahlkraft habe sich Heiner Schneier auch über die Demenz hin erhalten, und sie werde sicher noch weit über seinen Tod hinweg bestehen bleiben. „Glücksfall werden Menschen wie Heiner genannt“, so Johanna Bamberg-Reinwand: „Er war es wirklich, für die SPD und die Menschen hier in der Region.“

Er habe Heiner Schneier immer als „Wirbelwind der SPD“ erlebt, sagt Eberns Bürgermeister, Kreisrat und Fraktionsvorsitzender der SPD im Kreistag, Jürgen Hennemann: „Sehr umtriebig, immer unterwegs.“ Heiner Schneier habe die Menschen für die SPD begeistert und sich ihrer Probleme angenommen. „Als junger Kreisrat durfte ich Heiner Schneier noch kennenlernen und mit ihm zusammenarbeiten“, erinnert sich Jürgen Hennemann. „Ich habe viel von ihm gelernt. Er war ein Organisationstalent und immer ansprechbar für die Bürger. Er war ein Sozialdemokrat durch und durch mit seinem Einsatz für Gerechtigkeit und sozialen Fortschritt.“ Bis ins hohe Alter sei Heiner Schneier bei seiner SPD gewesen. „Wir verlieren einen Repräsentanten der SPD, der über Jahrzehnte in der Region wirkte“, so Hennemann: „Eine starke Persönlichkeit, der wir viel zu verdanken haben, und einen Freund und besonderen Menschen.“ Beerdigung ist am Montag, 7. November, in Zeil.