Helfer packen im Ahrtal mit an Limbacher zeigen Herz

Günther Geiling

Eigentlich sind sie nur „ganz normale Bürger“ – aber helfen wollten sie auch. Dort, wo bereits BRK und THW geholfen haben, packten nun auch Limbacher mit vollem Tatendrang mit an. Die Schicksale berührten sie sehr. Als Dank gab es von den Einheimischen ein Abschiedskonzert.

 
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Limbach/Ahrtal - Das Ahrtal durchlebt seit dem Hochwasser vom Juli eine Katastrophe, wie es sie seit Langem in Deutschland nicht gab. Die Flutkatastrophe am 14./15. Juli hat den Menschen über Nacht teilweise alles genommen und immer noch kämpfen sich Menschen durch Schutt- und Schlammberge und viele Bewohner fühlen sich auch in Stich gelassen. Dies ließ Bürger aus Limbach/Eltmann und weiteren Orten nicht ruhen und sie machten sich auf zu einem dreitägigen Hilfseinsatz nach Kirchdaun/Bad Neuenahr und schilderten bei der Rückkunft ihre zum Teil sehr emotionalen Erlebnisse.

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Dem Aufruf von Joachim Krines und Stefan Groh, eine Hilfsaktion im Ahrtal durchzuführen, schlossen sich binnen weniger Tage 38 Personen an, von denen ein Drittel Frauen waren und auch alle Altersklassen von der 14-jährigen Leonie bis zur 56-jährigen Rentnerin aus Hallstadt waren vertreten. Sie hat sich spontan dem „Hilfskonvoi“ aus Limbach angeschlossen, „denn ich habe über das Fernsehen und Videos viel Leid im Ahrtal mitbekommen und das ging mir ganz nach. Ich wollte sogar auf eigene Faust einen Flohmarkt organisieren, was aber wegen Corona nicht erlaubt war.“ In ihrer Tasche hatte sie alte Klamotten eingepackt, um dort auch richtig zugreifen zu können. „Ich bin auch sonst sozial eingestellt und auf aufgrund dieser großen Not in diesem Gebiet wollte ich etwas tun, denn es geht in unserer Gesellschaft nur miteinander, gegeneinander geht es nicht.“

Aus Buttenheim und Kemmern schlossen sich ebenfalls freiwillige Helfer an. Zur Abfahrt stapelten sich viele Hilfsgüter von Bekannten, denn gezielt wollte man Kinderunterwäsche, Spielsachen, Kinder- und Jugendbücher, Fahrräder oder kleine Fahrzeuge wie Bobbycar oder Dreiräder übergeben. Und auch für das leibliche Wohl sorgten Sponsoren entsprechend vor.

Bürgermeister Michael Ziegler war sichtlich erfreut über das Engagement der Bürger und meinte „es ist nicht selbstverständlich, was ihr leisten wollt. Das ist klasse und ich bin stolz auf euch, denn ihr opfert drei Tage für andere Menschen. Solche Leute brauchen wir, die helfen!“ Er hatte auch schon von der Stadt seine Unterstützung für die Fahrt zugesagt, wünschte viele Eindrücke, aber auch Rückmeldungen, wenn man in irgendeiner Weise von Eltmann aus noch hinterher helfen könne. Dies könne vielleicht auch über einen Aufruf der Stadt an die Bürger geschehen.

Schließlich ließ es sich Pfarrer Bill Augustin Mikambu nicht nehmen, den Helfern einen Reisesegen mit auf den Weg zu geben. Mit dem Schild im Bus „Helfer-Shuttle Stadt Eltmann“ und der Fahne mit dem Wappen setzte sich der Bus der Firma Hümmer aus Kirchlauter dann in Bewegung auf die 356 Kilometer lange Strecke ins Ahrtal. Zusätzlich fuhren im Konvoi auch einige Werkzeugwagen von MR-Heizungsbau aus Ebelsbach und von der Schlosserei/Spenglerei Pflaum aus Limbach mit, die vor allem Stromaggregate, Hiltis, viele weitere Werkzeuge und Material mitführten.

Im Bus versuchte Joachim Krines seinen Helfern einen kleinen Einblick zu geben, was sie alles so erwarten könnte. Dies konnte er umso besser, weil er schon einmal für eine Woche dort war. Eine Firma hatte nämlich Bagger zur Verfügung gestellt, aber es fehlten die Fahrer. „Deswegen habe ich dort 4 Tage fast rund um die Uhr auf dem Bagger gesessen und geholfen.“ Er gab aber auch zu bedenken, „dass es Situationen geben wird oder wir Leute treffen, wo die Trauer und das Leid noch nicht verarbeitet sind und wir darauf Rücksicht nehmen müssen.“

Am späten Abend wurde man in Kirchdaun von Einwohnern erwartet, die allein schon von den Hilfsgütern überwältigt waren. Die 38 Helfer gingen in das Gemeindezentrum, wo sie ihre Feldbetten auf drei Räume verteilt zum Schlafen aufstellten, aber zuvor auch noch die Gruppen für den ersten Arbeitstag gebildet wurden. Die Aufträge waren bereits vor der Fahrt über das Ordnungsamt Bad Neuenahr/Ahrweiler, privaten Kontakte und der Community Ahrhelp.com organisiert worden.

Am nächsten Tag überfiel die Helfer eine gewisse Nervosität und viel früher als geplant, waren sie zum Frühstück gekommen, sodass man schon um 7.30 Uhr zu den sieben Projekt-Orten in der Umgebung losfahren konnte. Die Einsätze waren sehr unterschiedlich. In Ehlingen, wo die Sturzfluten Brücken eingerissen und Straßen unbefahrbar gemacht hatten, reinigten zehn Helfer die Ahrflur von Sperrgütern, damit das Wasser abfließen kann. In Bad Neuenahr half man mit, eine Spenderküche aufzubauen und dort die Hängeschränke zu installieren, aber auch Häuser von Estrich und Putz zu befreien.

Auch für die Frauen gab es genug zu tun und vor allem Eimer zu schleppen, wo in Ahrweiler in einer Bäckerei der Putz abgeschlagen wurde und anschließend Maurer und Trockenbauarbeiten zu erledigen waren. In Bad Neuenahr verputzte man sogar einen Keller. Zum Glück hatten die Haßbergler auch zahlreiche Facharbeiter dabei, um solche Arbeiten oder Elektroinstallationen nach einem überfluteten Keller auszuführen. Durch die schnelle und professionelle Arbeit konnten schon am ersten Tag einige Projekte abgeschlossen werden, für die eigentlich zwei Tage eingeplant waren. Somit war die Organisation gefordert, weitere Projekte vor Ort zu suchen. „Nach der Rückkehr von den Arbeiten war schon von unserem DJ alles vorbereitet worden für einen gemeinsamen Abend mit den Einwohnern von Kirchdaun, weil dort das Kirchweihwochenende gewesen wäre. Dieses war aufgrund der Flutopfer und auch der Unterbringung der Helfer abgesagt. 50 Einwohner der Ortschaft waren aber der Einladung der Limbacher gefolgt, um den Abend bei guten Gesprächen über das Erlebte zu verbringen. Mit Präsenten bedankte man sich die Helfer bei den Einheimischen für die kostenfreie Unterkunft und Verpflegung.

Am zweiten Tag warteten dann neue Projekte. Als erste Gruppe betrat man die Kirche, um sie von Schlamm und Unrat zu befreien und auch die gesamten Steinfliesen am Boden herauszuschlagen. Bei einer Häuserreihe deinstallierte man die Holzterrassen, um den darunterliegenden Schlamm zu entfernen, und in Häusern von Privatpersonen wurde man durchaus auch mit Schicksalen konfrontiert.

Drei Frauen stemmten im Haus eines 72 Jahre alten Mannes in mühevoller Arbeit den Estrich heraus und trugen ihn mit Eimern vors Haus, aber der Mann ließ sich den ganzen Tag nicht blicken. Darüber waren die Frauen schon erstaunt. Erst am Nachmittag kam dieser plötzlich sehr bedächtig und leise mit vier Dosen Bier in der Hand. Wie sich herausstellte, hatte er von seinem letzten Geld das Getränk besorgt und hatte in seinem Geldbeutel nur noch den Rest von 10.15 Euro, mit dem er noch zwei Wochen bis zum Rententermin auskommen musste. Auf Nachfrage gestand er den Frauen ein, dass er nur 500 Euro an Rente im Monat erhält, bis vor dem Hochwasser aber noch die Miete für den Schuhladen im Untergeschoss bezog. „Der Laden ist jetzt weg, mir fehlt langfristig die Miete und ich kann nichts für mein schwerbeschädigtes Haus erübrigen und mich auch nicht mit dem Notwendigsten versorgen.“

Einer der Frauen ging das so zu Herzen, dass sie ihm spontan 500 Euro zusteckte, was der alte Mann gar nicht fassen konnte. Mit Tränen in den Augen bekam er kaum Dankesworte heraus für dieses unerwartete Geschenk. „Wir erwarteten dies auch nicht und waren selbst bedrückt von diesem Leid“, meinte die Frau. Alle Helfer waren immer wieder hineingezogen in solch emotionale Begegnungen und Gespräche mit Bürgern, von dem Leid über in den Fluten umgekommene Familienangehörige ganz zu schweigen.

Am späten Sonntagnachmittag wurden wieder alle Helfer in einem Umkreis von zehn Kilometern eingesammelt, um sich in der Unterkunft in Kirchdaun zu duschen und das Gepäck im Bus zu verstauen. Überrascht wurden sie dann von einer einheimischen zehn-Mann-Kapelle, die ein Abschiedskonzert gab und ihre Gäste nochmals verköstigte. Nach einem sehr emotionalen Abschied von Freunden ging es heim. „Die ersten 30 Kilometer unserer Fahrstrecke war es still im Bus, da alle das Erlebte erst verarbeiten mussten. Alle ohne Ausnahme hatten das Leid der Menschen, die Hilflosigkeit, die Zerstörung aber auch die Ungerechtigkeit so richtig wahrgenommen. Aber auch der Mut, die Hoffnung, Nächstenliebe und die selbstlose Unterstützung der Menschen und Helfer beeindruckte mich und machte mich stolz. Durch diese Fahrt haben sich in kürzester Zeit Freundschaften über alle Altersgruppen entwickelt, was ich als Organisator noch nie erlebt habe“, schilderte Joachim Krines seine Eindrücke. Als die Helfer gegen 22 Uhr in Limbach ankamen, wurden sie von Verwandten und Bekannten mit großem Applaus empfangen.