Heumahd: eine Gefahr für Rehe Großes Herz für kleine Kitze

Helmut Will

Dem in Köslau wohnenden Jäger Wolfgang Jagla ist das Leben der kleinen Rehe wichtig. In seinem Revier sucht er vor der Mahd regelmäßig die Wiesen ab und stellt Scheuchen und Warnleuchten auf.

 
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Köslau/Bühl - Die Zeit der Heumahd ist für Jungtiere sehr gefährlich. Betroffen sind am Boden brütende Vögel sowie Hasen und Rehe. Rehkitze liegen oft verborgen im hohen Gras. Die Mähmaschinen können die Tiere töten oder schwer verletzen. Selbst Hasen, sehr flinke Läufer, entkommen den großen und breiten Mähmaschinen kaum.

„Die Zeit der ersten Heumahd ist für mich immer ein Alarmzeichen“, sagt der in Köslau wohnende Jäger, Wolfgang Jagla, als er bei Bühl an einer Wiese steht, die von Landwirt Max Schineller gemäht wird. Der 69-jährige Waidmann aus Bochum, der beruflich bei einer deutschen Autofirma als leitender Angestellter gearbeitet hat, ist seit 1992 passionierter Jäger. Jetzt wohnt er in Köslau und ist Jagdpächter des Gemeinschaftlichen Jagdreviers von Jesserndorf.

„Wenn ich von Landwirten informiert werde, dass sie ihre Wiesen mähen wollen, was ihre Pflicht ist, werde ich aktiv. Mir geht es darum, dass möglichst bei der Mahd keine Wildtiere zu schaden kommen“, sagt der Jäger. Vor allem junge Kitze, die von den Geißen im hohen Gras gesetzt werden, sind gefährdet.

Das Jagdrevier von Wolfgang Jagla ist 400 Hektar groß, fünfzig Prozent der Fläche hiervon sind Felder und Wiesen. Früher, weiß Jagla, nahm man es nicht so genau mit dem Schutz der Wildtiere bei der Heumahd. „Da nahm man schon mal in Kauf, dass ein Rehkitz in die Messer der Mähmaschinen kam, man nahm einfach billigend Kauf, dass hie und da mal ein Kitz totgemäht wird.“ Seit einigen Jahren habe sich das geändert. „Ich habe den Landwirten, die in meinem Revier Wiesen haben, klar gesagt, dass ich bei Nichteinhalten der Vorschriften und infolge derer dann ein Kitz zu Tode kommt, Anzeige erstatten werde“, so Jagla.

Hier bricht er aber gleich eine Lanze für „seine Landwirte.“ Diese würden ihn stets vor dem Mähen ihrer Wiesen informieren, wobei es schon mal vorkomme, was aber wetterabhängig sei, dass die Information erst sehr kurzfristig eingehe. „Am Liebsten ist es mir, wenn ich zwei Tage vor der Mahd erfahre, dass die Mähwerke ihre Arbeit tun, um Vorlauf zu haben, um die Wiesen nach Kitzen, die sich tief ins Gras drücken und sich wegen ihrer Fressfeinde nicht rühren, auffinden zu können“, sagt der Jäger. In diesen Fällen stellt er nach seinen Worten am Vorabend vor der Mahd Scheuchen und Warnleuchten mit Geräuschen in den Wiesen auf, um die Geiß zu stören. Ziel ist es, damit die Rehgeiß zu bewegen, sich mit ihrem Kitz aus der Wiese zu entfernen. „Das ist ein recht effektives Mittel, um die Geiß zu vergrämen; es macht aber nur Sinn, wenn man es einen Tag vor der Mahd macht, weil, so die Scheuchen länger stehen, sich die Geiß daran gewöhnt“, weiß der passionierte Jägersmann.

Unmittelbar vor der Mahd sucht Jagla die Wiesen systematisch ab, um eventuell ein Kitz „aufzustöbern“ und es somit vor dem Mähtod zu retten. Er weiß auch, dass die Landwirte mitunter sehr breite Mähwerke haben und auch relativ schnell, rund zehn bis 15 km/h bei der Mahd fahren. „Da hat ein Kitz keine Chance“, sagt er.

In diesem Jahr konnte Jagla mit seinem Jagdhelfer bereits zwei Kitze aufspüren und retten. Er erklärt, dass man sich Gummihandschuhe anziehen sollte, um das Kitz dann in einem dicken Grasbüschel aus der Gefahrenzone zu tragen und es am Waldrand abzulegen. Ein junges Kitz „fiept“, ein Laut, den die Geißenmutter wahrnimmt und sich dann um ihr Jungtier kümmert. Das ist mütterliche Fürsorge. Hier wird der Jäger nachdenklich: „Ich musste einmal mit ansehen, wie eine Geiß versuchte, ihr angemähtes Kitz auf die Beine zu bekommen. Ein herzzerreißender Anblick. Mir blieb keine Wahl, ich musste das Kitz von seinem Leiden erlösen. So etwas brauche ich nicht mehr“, sagt Wolfgang Jagla bedrückt.

Der erfahrene Jäger weiß, wo Geißen gerne ihre Kitze ablegen. Das geschehe meistens 100 bis 150 Meter von Waldrändern entfernt, wo sich das Kitz für zwei bis drei Stunden instinktiv wegdrückt, während die Geiß in der Nähe äst.

Mit der Suche per Drohne mit Wärmekamera hat Wolfgang Jagla in seinem Revier persönlich noch keine Erfahrungen gemacht. Er wäre jedoch an einem Drohnenpiloten interessiert, der eine Wärmebildkamera an seinem Fluggerät hat. „Denn nur die Suche mit einer Wärmebildkamera macht Sinn, weil man sonst aus der Luft die tief ins Gras geduckten Tiere nicht oder nur per Zufall sieht.“ Die wirklich gefährliche Zeit für Rehkitze sei die erste Heumahd, von Ende Mai bis Mitte Juni. Bei der zweiten Mahd seien die Kitze schon größer und würden meist rechtzeitig von der Geiß aus der Gefahrenzone geholt, wenn die Messer zu rattern begännen. Gesetzlich sind die Landwirte verpflichtet, ihre Felder vor der Mahd abzusuchen. Anderenfalls können sie sich nach dem Tierschutzgesetz strafbar machen.

Die über Jahrtausende bewährten Überlebensstrategien der Wildtiere, das regungslose Verharren von Rehkitz und Feldhase als Schutz gegen Fressfeinde, wirken sich bei der Mahd verheerend aus. Wolfgang Jagla appelliert an „seine Landwirte“, mit ihm gemeinsam, Hand in Hand Vorsorge zu treffen, um den Rehkitzen, aber auch anderen Tieren, die sich in Wiesen tummeln, einen grausamen Tod zu ersparen.

Drohnenrettung aus der Luft
Immer mehr Landwirte und Jäger setzen auf den Einsatz von Drohnen. Mit Wärmebildkameras können die Tiere aufgespürt und vor der Mahd gerettet werden. Mehr dazu gibt es HIER.

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