Hochwasser Feuerwehr beklagt Bürokratismus

Die Lauterüberleitung bei Oberlauter soll nicht nur bei Hochwasser, sondern auch bei starkem Regen genutzt werden, selbst wenn der Durchflusswert von vier Kubikmetern Wasser pro Sekunde nicht erreicht wird. Foto: Archiv Braunschmidt

In Oberlauter droht eine Überschwemmung. Das schnelle Öffnen der Lauterüberleitung könnte die Gefahr bannen. Aber das ist leichter gesagt als getan.

 
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Lautertal - Freitag vergangene Woche, kurz nach elf Uhr in Lautertal: Es regnet in Strömen. Zuflüsse vom Lauterberg und von der Autobahn über den Ortelsgraben lassen den Lauterbach anschwellen. In der Wassergasse in Oberlauter droht der Fluss über das Ufer zu treten. Anwohner sind besorgt, beginnen, Sandsäcke auszulegen, um ihre Anwesen vor eindringendem Wasser zu schützen. Und sie alarmieren die Freiwillige Feuerwehr, die bereits zu einem Hochwassereinsatz in Unterlauter ausgerückt ist.

Kommandant Siegfried Lorenz schaut sich die Situation an und denkt richtig: Die Gefahrenlage ließe sich entschärfen, wenn die Überleitung der Lauter an der früheren Fischzucht geöffnet würde und das Wasser aus den oberen Ortsteilen der Gemeinde zum Goldbergsee bei Beiersdorf fließen könnte. Die Entscheidung kann Lorenz allerdings nicht treffen.

Deshalb greift er um 11.30 Uhr zum Telefon. Die Schleuse an der Lauter lässt sich über den Diensthabenden des Wasserwirtschaftsamts Kronach am Hochwasserrückhaltebecken Froschgrundsee in Schönstädt ansteuern. Dieser aber verweist darauf, dass er das nicht entscheiden könne. Das müsse der Landrat tun, und zwar schriftlich. Also Anruf bei Sebastian Straubel. Dieser verweist auf die Zuständigkeit von Bürgermeister Karl Kolb, der jedoch nicht erreichbar ist. Straubel verspricht dem Kommandanten allerdings, sich zu kümmern. Um 11.37 Uhr gibt der Landrat die Anweisung, dass die Überleitung geöffnet werden darf. Weil dies zwingend schriftlich erfolgen muss, wird ein Telefax ans Wasserwirtschaftsamt geschickt – und es wird endlich gehandelt.

Die Maßnahme hat Erfolg. Ab 12 Uhr sinkt der Pegel am Lauterbach in Oberlauter, wie auf den Internetseiten des Hochwassernachrichtendienstes Bayern dokumentiert ist, Überflutungen im Ort bleiben aus. „Wir sind noch einmal glimpflich davongekommen“, sagt Kommandant Lorenz. Allerdings: Den Bürokratismus, der vor der Öffnung der Lauterüberleitung erforderlich war, kann er nicht nachvollziehen.

Beim Wasserwirtschaftsamt in Kronach kennt man die Problematik, und die Vorschriften sind eindeutig, erläutert Matthias Trau. Die Ende 2012 in Betrieb genommene, 23,4 Millionen Euro teure Lauterüberleitung zwischen dem Ortseingang von Oberlauter und dem Goldbergsee gehört zum Maßnahmenpaket, das vorrangig dem Hochwasserschutz der Stadt Coburg dient.

Festgelegt ist, dass die Überleitung erst dann anspringt, wenn der Durchfluss des Lauterbaches bei Oberlauter den Wert von vier Kubikmetern pro Sekunde überschreitet. Alles andere ist eine Einzelfallentscheidung, die Landrat oder Bürgermeister treffen müssen. „Wir sehen ja nicht, was an Zuflüssen unterhalb der Lauterüberleitung ankommt“, so Matthias Schrepfermann, stellvertretender Leiter des Wasserwirtschaftsamtes Kronach.

Ein niedrigerer Durchflusswert unter der Schwelle von vier Kubikmetern pro Sekunde war bei der Planung unter anderem deshalb nicht festgelegt worden, weil in Lautertal die Befürchtung bestand, dass im Sommer Wasser abgezapft wird, damit der Goldbergsee – das Hochwasserrückhaltebecken bei Beiersdorf – nicht zum „Schnakentümpel“ verkommt und das Flussbett in Ober- und Unterlauter deshalb trockengelegt wird. In Bürgerversammlungen, Informationsveranstaltungen und Gemeinderatssitzungen wurde hitzig über dieses Thema gestritten. Man hatte, als es um den Schutz vor Hochwasser ging, die Schneeschmelze im Frühling im Auge. An extreme Wetterlagen mit starkem Regen in immer kürzeren zeitlichen Abständen, wie sie erst in jüngster Vergangenheit im Sommer auftreten, hat damals niemand gedacht.

Die Erfahrungen vom Freitag müssten zum Anlass genommen werden, Einsatzkräften einen schnelleren Zugriff auf die Steuerung der Lauterüberleitung zu ermöglichen. Das sei mit Blick auf künftig zu erwartende extreme Wetterlagen notwendig, heißt es aus der Feuerwehr. „Der Einsatzleiter, der eine Entscheidung trifft, muss auch schnell handeln können, um eine Gefahr abzuwehren. Mehr ist doch gar nicht gewollt“, sagt Kommandant Siegfried Lorenz. Jetzt sind Gemeinde und Landratsamt am Zug, das zu ändern.

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