Hochwassereinsatz Bilder, die man nie vergisst

Zwölf ehrenamtliche Mitglieder des BRK-Kreisverbands Coburg helfen im Hochwasser-Katastrophengebiet in Rheinland-Pfalz. Das Schicksal der Menschen dort erschüttert sie.

 
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Coburg - „Ihr werdet Bilder sehen, die ihr nicht vergessen werdet.“ Das sagt ein Helfer des Roten Kreuzes aus Unterfranken zu Inno Mann von der BRK-Bereitschaft Rödental-Einberg, als er am Beginn dieser Woche mit elf weiteren ehrenamtlichen Helferinnen und Helfern des Kreisverbands Coburg im Hochwasser-Katastrophengebiet in Rheinland-Pfalz eintrifft. Und was Inno Mann, der Rettungssanitäter ist, Stunden später sehen wird, sprengt sein Vorstellungsvermögen.

„Wir waren in Dörfern, wo vielleicht noch 20 intakte Häuser standen. Wir haben Menschen gesehen, die unter Tränen vor ihrem Haus standen oder bis zur Erschöpfung die Matsch ins Freie schaufelten.“ Die BRK-Helfer aus Coburg, die mit zwei Krankenwagen, einem Führungsfahrzeug und einem Motorrad angerückt waren, wollten auf einem Schulhof einen Sanitätsplatz einrichten. Doch der war vollgestellt mit schrottreifen Autos, die das Hochwasser weggespült hatte. Sie mussten erst einmal ebenso weggeräumt werden wie der Matsch auf der Fläche.

Vor dem Nichts

Die Helfer kamen mit Menschen ins Gespräch, die vor dem Nichts standen. Eine Familie berichtete, dass sie ihr neues Haus vor einem Jahr bezogen hatte. Jetzt ist es abbruchreif. „Sie müssen ganz von vorne beginnen“, erzählt Inno Mann nach seiner Rückkehr nach Coburg. Er traf eine Frau, die davon sprach, wie sie auf dem Schlot eines Daches auf Hilfe wartete. Das Wasser brodelte nur zehn Zentimeter unter ihren Füßen. „Viele waren froh, dass wir gekommen waren“, so der Rettungssanitäter. Und sein erster Eindruck? „Wenn ich nicht gewusst hätte, das alles hat das Wasser angerichtet, dann hätte ich gedacht, ich fahre in ein Kriegsgebiet.“

Dennis Busch von der BRK-Bereitschaft Ebersdorf bei Coburg war als Zugführer in die Einsatzleitung eingebunden. Er berichtet von zwei Dörfern, die im Ahrtal zwischen Weinbergen liegen, wo er mit seiner Truppe am Dienstag die erste Hilfsorganisation war, die sich den Weg dorthin bahnen konnte. „Die Fahrbahn war regelrecht zusammengefaltet“, schildert Busch am Freitag seine Eindrücke. Er berichtet von einem Lebensmittelmarkt, der als Notunterkunft eingerichtet war, von einer Kirche, hinter der Tote, die das über die Menschen hereingebrochene Hochwasser gefordert hatte, abgelegt worden waren, „weil das der kühlste Ort war“. Von anderen Helfern erfuhr Inno Mann, dass Tote am Ufer der Ahr noch in Bäumen hingen. Die Flut hatte sie mitgerissen, und sie konnten noch nicht geborgen werden. In den Trümmern eines Hotels, so Dennis Busch, werden Tote vermutet. Niemand habe sich vorstellen können, dass eine solche Hochwasserkatastrophe jemals über Deutschland hereinbrechen könnte, sagt der Ebersdorfer.

Viel Lob

Schnell habe sich bei dem Einsatz der Coburger BRKler herausgestellt, dass die vorgeplanten Führungsstrukturen für einen solchen Einsatz, wie er in Westdeutschland noch immer erforderlich ist, nicht tauglich sind, erläutert Zugführer Busch. Deshalb musste viel improvisiert werden, „und das hat funktioniert“. Dafür habe man viel Lob erhalten. Das Gebiet, für das er in seiner Leitungsfunktion mit zuständig war, erstreckte sich auf einer Länge im Ahrtal, die mit der Strecke von Rottenbach bis Coburg vergleichbar sei. Und dann stelle man sich vor, die Lauter erreicht einen Pegelstand von sechs Metern „und in Einzelfällen noch höher“. Alles, was dort steht, ist zerstört. „Häuser sind weg, Autos weggespült, Straßen unpassierbar. Und was noch steht, muss wahrscheinlich abgerissen werden, zu groß sind die Schäden und die Gefahr, die davon ausgeht.“ Dann der Schlamm, überall Schlamm. „Wir haben Menschen gesehen, die den Dreck aus dem 2. Stock ihres Hauses schaufeln mussten. Unbrauchbare Möbel wurden nach draußen geworfen. Egal, wo du deinen Kopf hingedreht hast, überall das gleiche Bild, das kannst du dir nicht vorstellen, das war schon krass.“

Die Coburger BRKler kümmerten sich um die medizinische Betreuung der Menschen, die nur eines im Sinn hatten: aufräumen. Dabei gab es immer wieder Verletzungen, kleinere wie größere, die auf improvisierten „Behandlungsplätzen“, teilweise direkt aus dem Krankenwagen heraus, behandelt wurden: von der Schnittwunde am Finger über Augenverletzungen bis zum Sonnenstich. „Die Menschen dort sind am Ende ihrer Kräfte, räumen aber trotzdem weiter. Dann unterschätzen sie die Gefahr, die von vermeintlich leichten Verletzungen ausgeht. Die größte ist das Infektionsrisiko, weil überall ist Schlamm, nur Schlamm, Körper sind von den Füßen bis in die Haarspitzen damit bedeckt. Unvorstellbar“, so Inno Mann.

Fußstreife

Er ging mit Kameraden auch auf Fußstreife, um Pflegebedürftige zu betreuen, die seit Tagen allein gelassen waren, weil niemand zu ihnen vordringen konnte. Bei einer Patientin bestand der Verdacht auf einen Herzinfarkt. Der Arzt musste mit dem Hubschrauber eingeflogen werden, weil der Ort über eine Straße nicht erreichbar war. Die Bundespolizei setzt Wasserwerfer ein, um die Menschen zu versorgen. Das Leitungssystem ist vielerorts völlig zerstört.

Claus Weigand, Kreisbereitschaftsleiter des BRK Coburg, hat Hochachtung vor der Leistung der ehrenamtlichen Einsatzkräfte, für die er Verantwortung trägt. Innerhalb kürzester Zeit sei es gelungen, die Hilfsmannschaft am Sonntagabend zusammenzustellen. Das sei vor allem deshalb gelungen, weil das Rote Kreuz im Raum Coburg auf 15 Bereitschaften zurückgreifen kann, deren Mitglieder eng zusammenarbeiten. Am Montag konnte der Trupp mit Kräften aus den Bereitschaften Coburg, Rödental-Einberg, Ebersdorf, Neustadt, Sonnefeld und Weidhausen als Teil des „Kontingents Oberfranken“ starten. Es löste Helferinnen und Helfer aus Unterfranken ab. Michael Stelzner aus Neustadt wurde zum Führer des 150 Kräfte zählenden Kontingents berufen, Dennis Busch aus Ebersdorf zum Zugführer. Standort der Coburger war Neuwied, Einsatzgebiet das Ahrtal. Busch: „Dort gab es schlichtweg keine Unterkunft, keinen Strom, kein Wasser und – noch schlimmer – keine funktionierende Kanalisation.“ Glücklicherweise hätten die Einheiten miteinander Kontakt halten können. Hier habe sich der Digitalfunk „unglaublich bewährt“, dessen Einführung bei Hilfsorganisationen auch im Coburger Land lange umstritten war.

Eine Erkenntnis der Hochwasserkatastrophe gibt es für Dennis Busch jetzt schon. Ohne geländegängige Fahrzeuge sind solche Einsätze nur schwer oder gar nicht zu bewältigen. „Darüber wird man nachdenken müssen“, so der Ebersdorfer. „Wir Oberfranken hatten glücklicherweise Quads dabei.“

In Bereitschaft

Inno Mann und Dennis Busch sind, wie die gesamte Hilfsgruppe des Coburger BRK, am Donnerstag zurückgekehrt. Hier wurden sie von Notfallseelsorgern empfangen, „das war wichtig für uns, um das Gesehene und Erlebte verarbeiten zu können“, sagt Inno Mann Er würde „jederzeit wieder runter fahren, die Leute brauchen das“. Das Coburger BRK steht bereit, wenn es gerufen wird, erklärt Kreisbereitschaftsleiter Claus Weigand.

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