Hofheim „Die Haßberge sind meine Heimat“

Martin Schweiger
Mohammed Abbas, einer der ersten syrischen Flüchtlinge in Hofheim, bedankte sich bei Bürgermeister Wolfgang Borst. Foto: Martin Schweiger

Der Neujahrsempfang des Freundeskreises Asyl wartet mit zahlreichen emotionalen Elementen auf. Die Geflüchteten erzählen ihre Geschichten – und warum sie froh sind, hier zu sein.

 
Schließen

Diesen Artikel teilen

Es wird emotional, als der Afghane Abbas Heydari am Freitagabend während des Neujahrsempfangs des Freundeskreises Asyl die Bühne des Pfarrheims betritt. „Die Haßberge sind meine Heimat“, ruft er fast schon ins Mikrofon und erntet damit den Beifall des internationalen Publikums, bestehend aus deutschen, ukrainischen, syrischen und afghanischen Zuhörerinnen und Zuhörern.

Bis der junge Afghane zu dieser Überzeugung kommt und die Haßberge zu seiner Heimat werden, brauchte es jedoch seine Zeit. Heydari wird in Afghanistan geboren und flieht im Alter von drei Jahren mit seinen Eltern in die Millionenstadt Isfahan im Iran, wo er aufwächst. Doch zur Heimat wird ihm der Iran nicht, weil er sich illegal im Land aufhält. Im Teenageralter entschließt er sich schließlich zur Flucht. Er landet zunächst in Jesserndorf (Stadt Ebern) und findet dann im 100-Seelen-Dorf Kimmelsbach (Gemeinde Bundorf) Zuflucht.

Leicht sei ihm die Umstellung von der Millionenmetropole auf das Leben auf dem Land nicht gefallen, gibt er zu. Einige Male sei er von Hofheim nach Kimmelsbach gelaufen, weil er den letzten Bus verpasste. Doch er wird im Dorf freundlich aufgenommen. Vor allem Michael und Doris Halbig hätten ihm viel geholfen – wie auch andere Mitglieder des Freundeskreises. Dreimal sollte er nach Afghanistan abgeschoben werden. „Dann fliege ich mit“, sagte Katharina Schmidt damals trotzig. Dies erzählt sie, während sie neben ihrem Schützling auf der Bühne steht. Schmidt ist Vorstandsmitglied des Freundeskreises.

Gemeinsam mit ihrer Mitstreiterin Christina Bendig gelingt es ihr, die Abschiebung zu verhindern. Abbas Heydari lernt Deutsch und macht eine Ausbildung in der Sozialpflege, die er nach zwei Jahren erfolgreich abschließt. Seit zweieinhalb Jahren arbeitet er in der Lebenshilfe in Mariaburghausen (Stadt Haßfurt). Eine Abschiebung droht ihm nicht mehr, weil er mittlerweile einen Aufenthaltstitel hat.

Seit rund drei Wochen wohnt Omid Hasanzade mit anderen afghanischen Geflüchteten im Pfarrheim in Hofheim. Der 42-jährige Kaufmann war nach eigenen Angaben zwei Jahre auf der Flucht. Um in den Iran einreisen zu können, „schmiert“ er Grenzbeamte. Als er es bereits an die türkische Grenze geschafft hat, wird er festgenommen und nach Afghanistan zurückgeschickt. Dort flieht er vor den Taliban. Zwölf weiteren Flüchtlingen gelingt die Flucht nicht. Sie werden von den Taliban geköpft und verbrannt. Hasanzade flüchtet durch einen Tunnel vom Iran in die Türkei. Dort sitzt er 20 Monate fest. Achtmal versucht er vergeblich die Flucht. Schließlich hat er Erfolg. In einem einfachen Fischerboot überquert er das Mittelmeer und landet nach fünf Tagen, in denen er nur eine Flasche Wasser als Verpflegung hatte, in Italien. Über München und das Ankerzentrum in Geldersheim landet er in Hofheim. Auch einige junge afghanische Mädchen sind im Pfarrheim untergebracht. Sie dürfen in Afghanistan nicht die Schule besuchen, was für die Familie ein Fluchtgrund war.

Seit neun Jahren gibt es den Freundeskreis Asyl in Hofheim. „Wir wollen eine Plattform bieten für ehrenamtliches Engagement“, sagt die Vorsitzende Christina Bendig. Gesucht werden Helfer, die etwa Deutschkurse halten, Fahrräder reparieren, Anträge ausfüllen oder Fahrdienste übernehmen. Doch die Arbeit hat auch andere Facetten, sagt Vorstandsmitglied Katharina Schmidt: „Wer hört sich Forderungen nach ausschließlich deutscher Sprache auf dem Schulhof von populistischen Politikerinnen im Radio an, während er oder sie zum nächsten ehrenamtlichen Deutschkurs hastet, weil es keine oder viel zu wenige Lehrerinnen für Kinder und Erwachsene gibt, die doch gerne Deutsch lernen würden? Das sind wir“, beschreibt sie das Ehrenamt. „Wer gibt Nachhilfe in Deutsch, Mathematik und sonstigen Fächern, kümmert sich um verstopfte Toiletten , macht sich beim Landratsamt unbeliebt durch beharrliches Nachfragen und erlebt auf der anderen Seite eine nicht geahnte Gastfreundschaft? Das sind wir“, zeigt sie auch die erfreulichen Seiten des Jobs auf.

Sie fühle sich manchmal wie eine Hauptdarstellerin des Buches „Fernreise daheim“, das die Flüchtlingshelferin Brigitte Heidebrecht schrieb. „Ganz CO₂-neutral“ könne ein Flüchtlingshelfer fremde Kulturen und Menschen kennenlernen, persische Dichter im Original vorgelesen bekommen oder zu kurdischer Musik tanzen. Irgendwann seien Gourme Sabzi und Khabule so vertraut wie Klöße mit Blaukraut oder Entenbrust. „Wir erleben also zu Hause, wofür andere ins Flugzeug steigen“, schildert Schmidt die angenehmen Seiten der Arbeit, die oft nur in Verborgenen geschieht. „Der Landkreis müsste uns eigentlich täglich Dankesschreiben schicken“, meint sie.

Dankbar zeigte sich der Syrer Mohammed Abbas, der als einer der ersten Flüchtlinge mit seiner Familie in Hofheim ankam und mittlerweile fest integriert ist. Er überreichte Bürgermeister Wolfgang Borst einen Geschenkkorb zum Dank für die Unterstützung, die in Hofheim auch vonseiten der Stadt geschieht.

Bilder