Holzhausener auf Radtour Quer durch Südamerika

Manfred Wagner

Manfred und Inge Wagner aus Holzhausen machen eine Radtour quer durch Südamerika. Insgesamt fahren sie 5000 Kilometer

 
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Wer schon mal im Hochgebirge mit dem Rad unterwegs war, kennt das Phänomen: Man sieht vor sich das Ende einer langen Bergstraße. Doch kaum hat man die Höhe erreicht, tauchen unvermittelt weitere Berge auf: Hinter hohen Bergen liegen noch höhere. Unzählige Male machten Manfred und Inge Wagner aus Holzhausen (beide 67) bei ihrer Radtour durch Südamerika diese Erfahrung. Ihre 5000-Kilometer-Tour führte die beiden durch Argentinien, Uruguay, Brasilien, Paraguay, Bolivien und Peru. Nach dem Start in der argentinischen Hauptstadt Buenos Aires werden sie schnell mit einem Mann konfrontiert, den hier jedes Kind kennt: Gauchito Gil wird als Volksheld und Volksheiliger zugleich verehrt. Der Mann mit den gelockten schwarzen Haaren lebte im 19. Jahrhundert und gilt als Robin Hood Lateinamerikas. Am Rand von Landstraßen sieht man oft seine Figur in einem kleinen Schrein mit roten Fahnen. Daneben stehen meist leere Weinflaschen, Zigarettenkippen oder Mate-Blätter herum. Viele Autofahrer hupen grüßend, wenn sie vorbeifahren.

Nichts für zarte Gemüter

1500 Kilometer später erreichen die Franken die tosenden Wasserfälle von Iguazu. Sie gelten als die schönsten der Welt! Hier liegt die Region „Missiones“, benannt nach den Jesuiten, die hier im 16. und 17. Jahrhundert missioniert haben. Die Padres lebten zusammen mit den einheimischen Indios in dörflichen Gemeinschaften - Heute sind nur noch Ruinen übrig. Das Nationalgetränk ist der koffeinhaltige Matetee, der traditionell aus einem kürbisartigen Gefäß getrunken wird.

Im riesigen und dünn besiedelten Gebiet „Chaco“ begegnen sie dem sogenannten Flaschenbaum, der wie eine überdimensionale Vase mit vielen Stacheln am Stamm aussieht. Hin und wieder sehen sie am Straßenrand Ameisenbären. Einmal können sie beobachten, wie Gauchos mehrere Kälber einfangen, sie mit Brandeisen zeichnen und dann die Tiere kastrieren - nichts für zarte Gemüter...

Mit dem Rad auf der Autobahn

Auf ihrer gesamten Reise gibt es nirgends Radwege. Die Wagners müssen Autobahnen benutzen, da es keine asphaltierten Nebenstraßen gibt. Zeitweise hat die Fahrspur auch keinen Seitenstreifen. Dann werden die Radler von den LKWs von der Straße gehupt. Das ist sowohl nervig, als auch gefährlich. Nach gefühlt unendlich vielen Höhenmetern erreichen sie schließlich den Altiplano, die bolivianische Hochebene auf rund 3500 Meter Höhe. Herden von Lamas und Alpakas bevölkern die Landschaft. Tagsüber ist es angenehm warm, aber sobald die Sonne untergeht, sinkt die Temperatur schlagartig in den Keller. Im Zelt machen den beiden - trotz warmer Schlafsäcke und dicker Alpakadecken - strenge Nachtfröste zu schaffen. Morgens sind stets die Wasserflaschen eingefroren. Üblicherweise gibt es weder in den Häusern noch in Hotels eine Heizung. Die Menschen sitzen in dicken Jacken und mit Wollmützen in Restaurants.

Faszinierend ist es, Wochen später, Dutzende von Kilometern auf der meterdicken Salzschicht des Salar de Uyuni zu radeln. Der Salzsee ist größer als etwa Niederbayern. Mit dem Rad hat man ständig das Gefühl, auf einem zugefrorenen riesigen See mit verharschtem Schnee zu fahren und wundert sich irgendwann, dass nichts rutscht...Anschließend erreichen die Königsberger La Paz, den mit 4000 Metern Höhe höchstgelegenen Regierungssitz der Welt.

Inge Wagner verträgt die Höhe nicht gut: Wiederholte Schlaflosigkeit und Herzrasen machen ihr zunehmend das Leben schwer. Da es auch für Weltradler Grenzen gibt und die Gesundheit vorgeht, beschließen die beiden, nach gut drei Monaten am Titicacasee ihre Reise zu beenden. Denn sie wissen: Gesundheit ist nicht alles, aber ohne Gesundheit ist alles nichts. Danach besichtigen sie noch die weltberühmte Ruinenstadt Machu Picchu der Inkas und machen sich etwas wehmütig auf die Heimreise. Aber sie trösten sich mit der Erfahrung: Nach der Reise ist vor der Reise.

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