Info-Party am Geburtstag Coburg feiert Elvis

Kannte Elvis Coburg? Auch dieser Frage ging Helmut Radermacher (rechts) bei der Elvis-Party nach, die VHS-Kulturreferent Oliver Hess eingefädelt hatte. Foto: Benedikt Dellert

Wenn VHS auf Pop trifft, wird ein Vortrag zur Party: In der ausverkauften „Alten Liebe“ feiern Fans den Geburtstag des King of Rock’n’Roll mit dem Elvis-Experten Helmut Radermacher und dem Duo „The Noble Savages“.

 
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Kaum ein gekröntes Haupt auf Erden hat nicht irgendwie mit Coburg zu tun. Gilt das auch für den König des Rock’n’Roll, der als Soldat ja immerhin 17 Monate in Deutschland verbrachte? Die Frage steht im Raum an diesem Sonntagabend, und ebenfalls steht da – zwischen Jukebox und dem lebensgroßen Elvis – derjenige, der sie wohl als einziger beantworten kann: Helmut Radermacher, selbst Rock’n’Roll-Profi der ersten Stunde und Experte in Sachen Elvis Presley.

Mit 15 gründete Radermacher 1958 den ersten Fanclub in Deutschland, 20 Jahre später die Elvis-Presley-Gesellschaft; seit Jahrzehnten forscht und publiziert er. Und führt Elvis-Fans alljährlich zu den „heiligen Stätten“ von Graceland bis Tupelo, Elvis’ Geburtsstadt, die den Coburger zum Ehrenbürger ernannt hat. Auch in diesem Jahr, in dem er stolze 80 wird, wird Radermacher wieder zum Reiseführer: Zum dritten Mal geht’s nach Hawaii, wo drei Elvis-Filme entstanden. Im April 2024 steht wieder Memphis auf dem Programm – und ein Jubiläum: 70 Jahre zuvor nahm Elvis dort seine erste Schallplatte auf: „That’s All Right“.

Als Oliver Hess, Fachbereichsleiter Kultur der Coburger Volkshochschule, wegen eines Vortrags über den „Mythos Elvis“ anfragte, ließ sich „ Scotty“, wie Radermacher seit den 60ern genannt wird, nicht lange bitten. Zumal das Setting perfekt passte: Am 8. Januar, Presleys 88. Geburtstag, lud die VHS zur Elvis-Party in die „Alte Liebe“ – eine neue Feier-Location mit Charme und Geschichte. Die einstige Kantine des Autohauses Ernst bietet mit ihrem nostalgischen Interieur den idealen Rahmen für einen Abend über den Jungen aus Tupelo, Mississippi, der in den 1950ern als Mechaniker und LKW-Fahrer seine ersten Dollars verdiente, bevor er es zum millionenschweren Star brachte.

Mit klassischer Erwachsenenbildung hat dieser Vortrag in der „Alten Liebe“ wenig zu tun, Oliver Hess geht neue Wege, VHS meets Pop und setzt auf den Spaßfaktor: Neben jeder Menge Informationen gibt es Snacks & Drinks & Rock’n’Roll. Die Live-Versionen der Klassiker heben sich freilich bewusst und stilvoll von den Originalen ab: Mit Geige und Gitarre verleihen Lisanne Bendig und Oliver Randak alias „The Noble Savages“ den Elvis-Balladen wie „Always On My Mind“ ein ganz eigenes Flair. Die Fans im seit Wochen ausverkauften Saal sind begeistert von dieser Hommage in Wort, Bild und Musik an den King, für die sie teils lange Anreisen in Kauf genommen haben: Aus Regensburg und Leipzig sind sie nach Coburg gekommen, um Elvis zu feiern und aus berufenem Munde erfahren, was nicht bei Wikipedia steht.

Nur einen Bruchteil dessen, was er über Leben und Werk seines Idols weiß, kann „Scotty“ in diesem Abend unterbringen, auch wenn der am Ende doppelt so lange dauert, wie angekündigt. Das Publikum wird nicht müde, den Geschichten und Anekdoten des leidenschaftlichen „Elivisiologen“ zu lauschen, der auf keine Frage die Antwort schuldig bleibt. Er schildert den Aufstieg des Arbeitersohns aus ärmlichen Verhältnissen und erklärt den Mythos, zu Elvis Aaron Presley in seinem nur 42 Jahre währenden Leben – und danach – wurde: Mit dem Rockabilly revolutionierte er die populäre Musik, mit seiner für die damalige Zeit spektakulären Art, sich zu bewegen und zu kleiden, faszinierte er die Jugend.

Natürlich entflammte er auch die Coburger Teenager via Radio, Platte oder Tanzbands wie die „Silver Strings“, mit denen „Scotty“ Radermacher in den frühen 60ern auch das „Resi“ rockte. Persönlich kam Presley in seiner Army-Zeit zwar in die Oberpfalz, aber nie nach Oberfranken. Doch mit einem Coburger hatte er schon zuvor recht intensiven Kontakt gehabt: 1956 folgte der Fotograf Alfred Wertheimer dem jungen wilden Rock’n’Roller im Auftrag der Plattenfirma RCA dreieinhalb Monate lang auf Schritt und Tritt und schoss rund 3000 Fotos, von denen heute viele Pracht-Bände füllen und manche als Ikonen gelten.

„Als Elvis 1977 starb, ist Alfred Wertheimer groß rausgekommen“, weiß Helmut Radermacher, der den gebürtigen Coburger gut kannte und 2014 – kurz vor dessen Tod – zu einem Besuch seiner Heimatstadt bewegen konnte. Als Kind war Wertheimer 1936 mit seiner jüdischen Familie aus Nazi-Deutschland nach New York geflohen. Dort machte er sich einen Namen als Mode- und Straßenfotograf und wurde engagiert, den 21-jährigen Elvis Presley zu „observieren“. Er fotografierte ihn beim Hüftschwung auf der Bühne und beim Rasieren im Badezimmer, in der Garderobe und im Zugabteil, als coolen Rocker und smarten Verführer. Dabei entstand jenes Foto, das heute als Wertheimers Meisterstück zählt: „The Kiss“.

„Sie haben nicht viel miteinander geredet“, weiß Helmut Radermacher. Aber er schließt nicht aus, dass der Fotograf dem sechs Jahre jüngeren Sänger auf den gemeinsamen Reisen von seiner Herkunft erzählt hat – also von Coburg, mit dem er damals wohl wenig gute Erinnerungen verband. Dank Radermacher und Gaby Schuller erinnert sich Coburg seit 2020 an Wertheimers Familie: Vier Stolpersteine liegen vor ihrem Haus im Steinweg 53.

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