Infotag in Kronach Wie das Streiten für die Demokratie funktioniert

Hitzige Diskussionen am Stammtisch, in der Familie oder in den Medien: Muss das sein? Es muss, sagen Experten und erklären, wieso und welche Regeln man dabei aber beachten sollte.

Streiten, ohne einander zu beleidigen: Ein Credo, das man nicht nur in politischen Diskussionen beachten sollte. Experte Pascal Hanisch erklärt, worauf es ankommt. Foto: privat

Hitzige Diskussionen am Stammtisch oder in den Medien, unterschiedliche Meinungen, die in Familien aufeinanderprallen: Muss das sein? Es muss, sagen Experten. Warum und welche Regeln man dabei beachten sollte, erklären sie bei einem Infotag in Kronach.

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Richtig Streiten für die Demokratie „Hört auf zu streiten“ bekam man als Kind sicher häufiger mal zu hören, vor allem unter Geschwistern. So beschreibt es auch Pascal Hanisch, der Mittelschullehrer ist und sich im Namen der „Streitförderer“ nun dafür stark macht, dass Streit gerade zum Erhalt der Demokratie elementar ist. Er referierte im Rahmen eines Infotags entsprechend für „mehr konstruktiven Austausch“.

Dazu eingeladen hatte die Partnerschaft für Demokratie im Landkreis Kronach, die sich Diskussionskultur ebenfalls auf die Fahnen geschrieben hat. Unter Beachtung einiger Grundregeln ist der verbale Schlagabtausch konträrer Meinungen also absolut gewollt - mit dem Ziel, insgesamt für gesellschaftliche Entwicklungen das Beste zu erstreiten. „Doch wir erleben leider mittlerweile oft, dass eigene Standpunkte nicht (mehr) vertreten werden, aus Bequemlichkeit oder weil man den Konflikt scheut“, äußern sich Carmen Mattes und Dorothea Kurtz von der Koordinierungs- und Fachstelle für Demokratie. Frust, Angst und Intoleranz nähmen in Folge dessen aus ihrer Sicht noch weiter zu. Da man in Debatten und Situationen nicht mehr Position beziehe, werde dieses Vakuum zudem mehr und mehr von einzelnen, lauten Akteuren vereinnahmt. „Dadurch verschieben sich dann schlimmstenfalls ganze Diskurse, so wie national und international deutlich zu erkennen.“

„Don‘t feed the Troll“

Es fängt aber schon im kleineren Rahmen an: Peter Witton, der als Kreis- und Stadtrat an der Veranstaltung teilnahm, erinnerte daran, wie sich zu Corona Zeiten innerhalb von Familien und Freundschaften heiße Auseinandersetzungen ergaben und man erbittert über Maßnahmen stritt oder auch Corona gänzlich ausklammerte, um keine Spaltung im engsten Kreis zu erleben. Verschwörungstheorien und andere Phänomene hatten zu dieser Zeit Hochkonjunktur, da sie auf einem Nährboden aus Angst und Unwissen entstanden. „Die Umsetzung wissenschaftlicher Erkenntnisse in hektische, kaum abgewogene politische Entscheidungen hat diesen Prozess befeuert“. Hanisch erläuterte im Verlauf des Nachmittags so auch die unterschiedlichen Hürden, die man beim möglichst konstruktiven, sprich erfolgreichen Streitgespräch nehmen müsse.

Je nachdem, ob die Auseinandersetzung im direkten Gespräch am Gartenzaun, beim Vereinsstammtisch oder im digitalen Raum stattfindet und welche Herausfordernden dabei zusätzlich identifiziert werden, sind unterschiedliche Strategien geboten. Bei hasserfüllten Parolen in Gesprächen helfe es, zunächst die aktuelle Emotion der Person zu hinterfragen. Die Frage: „Was bringt Sie denn eigentlich zu solcher Wut?“ wirke oft Wunder, um mehr zum eigentlichen Grund persönlichen Grolls zu erfahren und Diskussionen anschließend wieder sachlicher führen zu können.

Im digitalen Raum gelten andere Regeln: Hier fehlt die persönliche Nähe und es gilt allgemein „Don‘t feed the Troll“. Es kann durchaus aber auch mal KI helfen, eine dienliche Antwort zu geben - frei von menschlicher Gereiztheit. Neben einzelnen Fallbeispielen werden allgemeine Tipps wie „einen kühlen Kopf bewahren“, sich nicht „triggern“ lassen und „erstmal Fakten checken“ anlässlich des Themas und dem gemeinsamen Ziel miteinander ausgetauscht. Das Grundgesetz zu kennen und stets darauf verweisen zu können, schien den rund fünfzehn Anwesenden darüber hinaus immens wichtig.

Triggerpunkte und mehr

Die Anwesenden exerzieren in einer Art kurzem Rollenspiel eine gängige Diskussion durch, um gewisse Kniffe zu simulieren und damit besser zu verstehen. Zum Abschluss steuerte Hanisch noch einen Kurzvortrag zum Thema gesellschaftliche Spaltung bei, wobei er aktuelle soziologische Thesen einbrachte: Bei bestimmten Themen wie Armut/Reichtum, Migration, Vielfalt und Gender oder Klimawandel gäbe es sogenannte „Triggerpunkte“, die oft dazu führten, dass auf Uneinigkeiten herumgeritten werde, obwohl in wichtigen Anteilen eigentlich Übereinstimmung herrsche.

Statt die Auseinandersetzung hier also zu einer Spaltung verkommen zu lassen, gebe es gute Chancen mit gegenseitiger Reibung dennoch das gemeinsame Ziel zu verfolgen. Mit den Eindrücken des Infotags wurde insgesamt klar, dass man sich dringend weiter zum Wissen um Streit und Demokratie konkret austauschen muss und werde. Die Sinnhaftigkeit eines regelmäßigen Demokratie-Stammtischs wurde nochmals deutlich. Als Ansprechpartnerinnen für Interessierte stehen Carmen Mattes und Dorothea Kurtz weiterhin zur Verfügung, um ähnliche Infoveranstaltungen und Treffen zu organisieren.

Wer zukünftig die Partnerschaft für Demokratie im Landkreis mitgestalten will, kann sich einfach jederzeit melden und wird zukünftige Infos und Einladungen erhalten. Kontakt ist telefonisch unter 09261-6060 19 oder per E-Mail an demokratie-leben@vhs kronach.de möglich, sowie online unter www.demokratie-leben-kronach.de