Zwischen 1950 und 2021 sei die Geburtenrate global gesehen von etwa 5 auf 2,2 gesunken, zum Ende des Jahrhunderts werde sie bei 1,6 liegen, sagt das Team um die IHME-Forschenden nun in "Lancet" voraus. Zum Vergleich: Die Schätzungen der Vereinten Nationen (UN) waren in einem Bericht von 2022 mit rund 1,8 etwas weniger drastisch. Damals ging die UN davon aus, dass die Weltbevölkerung ihren Höchststand in den 2080er Jahren mit 10,4 Milliarden Menschen erreichen wird. Derzeit wird von rund 8,1 Milliarden Menschen ausgegangen.
Für Westeuropa sagt der von der Bill-und-Melinda-Gates-Stiftung finanzierte "Lancet"-Bericht eine Geburtenrate von durchschnittlich 1,37 im Jahr 2100 voraus. Für Deutschland teilte das Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung mit, dass die Geburtenrate in Deutschland innerhalb der vergangenen beiden Jahre deutlich zurückgegangen sei, von 1,57 Kindern pro Frau im Jahr 2021 auf rund 1,36 im Herbst 2023. Der Rückgang könnte laut Bundesinstitut an den weltweiten Krisen derzeit liegen.
Was tun bei wenig Nachwuchs?
Für 13 Länder prognostiziert der "Lancet"-Bericht eine Geburtenrate im Jahr 2100 von unter 1, darunter Südkorea, Taiwan sowie Bosnien und Herzegowina. Für Regierungen in Staaten, die künftig niedrige Geburtenraten haben, stellen sich laut Demografie-Expertin Hinz Fragen wie: Wie hält man angesichts der schrumpfenden Bevölkerung die Wirtschaft am Laufen? Welche Rolle soll Einwanderung spielen? Und wie soll sie organisiert sein? Wie sollen weniger junge Menschen mehr Seniorinnen und Senioren finanzieren? "Die Politik muss bei ihrer Planung für die Zukunft die demografische Entwicklung stärker in den Blick nehmen."
Grundsätzlich sieht Hinz die sinkenden Geburtenraten rund um den Globus aber positiv. Ein solcher Rückgang sei in der Regel ein Hinweis auf eine höhere Lebenserwartung und mehr Bildung für Frauen. In anderen Worten: "Verbesserungen bei den Lebensbedingungen gehen mit sinkenden Kinderzahlen einher."
Mancherorts wächst Bevölkerung weiter
Vor allem in Ländern südlich der Sahara werde es aber weiterhin vergleichsweise hohe Geburtenraten geben, heißt es in dem "Lancet"-Bericht. In diesen Staaten - viele davon politisch und wirtschaftlich instabil, hitzebelastet und mit maroden Gesundheitssystemen - dürfte die Bevölkerung im Laufe des 21. Jahrhunderts weiter wachsen.
So geht das Forschungsteam davon aus, dass in etwa 75 Jahren mehr als die Hälfte aller weltweit geborenen Babys in Subsahara-Afrika zur Welt kommen. "Das verdeutlicht, dass in diesen Ländern der Zugang zu modernen Verhütungsmitteln und die Bildung der Frauen dringend verbessert werden muss", schreibt das Team in einer Mitteilung.
Als Grundlage ihrer Prognosen verwendeten die Forschenden Daten des Berichts "Global Burden of Disease" von 2021. Für ihre Schätzungen erstellten sie Vorhersagen unter anderem zur Sterblichkeit, Geburtenraten, Bildungsniveau, Mangel an Verhütungsmöglichkeiten, Kindersterblichkeit und Verstädterung.
Die Deutsche Expertin Hinz geht davon aus, dass der allgemeine Trend bei den Geburtenraten weitergeht. Zwar könnten künftige Krisen wie Kriege und klimabedingte Katastrophen die Entwicklung zeitweilig bremsen. "Aber der große Tanker Weltbevölkerung ist nur schwer aus dem Fahrwasser zu bringen."