It’Jazz Coburg Weltstars jazzen an der Itz

Tim Birkner

Die Philharmoniker spielen mit Adam Baldych. Billy Cobham trommelt im Hofgarten. It’z Jazz hat in seinem neunten Jahr musikalische Größen nach Coburg geholt.

 
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Billy Cobham braucht einen Gehstock, um hinter sein Schlagzeug im Hofgarten zu kommen. Es ist groß genug, um die fünfköpfige Band dahinter zu verstecken. Doch ist der 78-Jährige erst einmal zwischen seinen Trommeln angekommen, sind sie für ihn ein Jungbrunnen. Cobham hat mit Miles Davis gespielt und mit John McLaughlin. Jetzt spielt er für Coburg. Die Tribüne im Hofgarten ist am Samstagabend voll, das tut dem Festival „It’z Jazz“ gut.

Denn auch im neunten Jahr bringt Antoinetta Bafas Jazzgrößen an die Itz. Wer dabei ist, ist begeistert – und so jubeln auch die Zuhörerinnen und Zuhörer im Landestheater bei der Eröffnung des Festivals, als wäre es bis zum letzten Platz besetzt. Seit drei Jahren kooperieren das Festival und das Theater, am Freitag sind sie auch zusammen zu hören und zu erleben.

Der Jazzgeiger Adam Baldych (34) spielt mit seinem Quartett und dem Philharmonischen Orchester. „Early Birds“ heißt seine Symphonie, und sie nimmt das Publikum mit auf eine Reise, auf der es mitunter wild zugeht – und manchmal auch ganz leise. Baldych rauscht zu Beginn auf seiner Renaissance-Violine, indem er die Saiten längs streicht, der Pianist zupft im Flügel behutsam Saiten an, und der Schlagzeuger raschelt mit den Noten. Die Symphonie beginnt wie die ersten Vogelstimmen weit vor Sonnenaufgang.

Die erste Melodie spielt Baldych, die ersten Sonnenstrahlen schickt dann das Orchester. Es ist unverrückbar und mächtig, während die Jazzer wie Vögel, manchmal auch wie Derwische um den Orchesterklang herum schwirren. Ihnen gelingt es, einen Klangkörper aus Jazzquartett und Orchester zu bilden. Manchmal spielt das Orchester, und wie aus dem Nichts blendet sich Baldych ein – ein andermal ist es gerade umgekehrt.

Johannes Braun darf die Kraft der Sonne mit seinem Dirigat lenken. Klar und ruhig positioniert er sie inmitten der wirbeligen Improvisationen. Nach dem dritten Satz traut sich das Publikum auch den Jubel auszurufen, im fünften wippen die ersten Musikerinnen und Musiker im Orchester mit. Vogelstimmen muss man sich erst erlauschen. Und so hält es auch Baldych mit seiner Symphonie. Sie ist spektakulär, weil das Ohr in die Musik gezogen wird – und dadurch immer mehr Details geschenkt bekommt.

Trommeln im Hofgarten

Auch Cobham kann auf seiner doppelten Bassdrum so leise spielen, dass die Vögel im Hofgarten zu hören sind. Er beginnt und beendet seine Soli gerne so. Doch Fusion-Jazz springt zu den Leuten, packt und umhüllt sie. So trommelt Cobham wie vor fast 50 Jahren, als er sein Debut-Album herausbrachte. „Stratus“ spielt er daraus zu Beginn des zweiten Sets – und das ist im Hofgarten der Song, ab dem das Publikum nicht mehr zu halten ist. Die Band dreht sich um Cobham, er reiht Solo an Solo. Seine Musiker aus Madrid haben die Augen immer auf ihn gerichtet. Er selbst hat sie meist geschlossen und taucht in die Musik ab. „Ich verliere andauernd meine Sticks – so bin ich eben“, erzählt er dem Publikum. Und natürlich hat er einen ausreichenden Vorrat dabei. Wenn wieder mal ein Stick davonfliegt, dann öffnet er kurz die Augen und nimmt sich einen neuen.

Mit „Crosswinds“ aus seinem zweiten Album von 1974 verabschiedet Cobham sich – und die Tribüne bebt. Nach einer ganzen Weile erscheint er wieder, setzt sich an ein Tischchen und gibt gut gelaunt Autogramme.

Im Landestheater endet die Symphonie nach dem sechsten Satz mit einem Erdbeben. Mächtiger geht es nicht – und so jubelt auch das Publikum. Standing Ovations für Baldych, sein Quartett und die Philharmoniker. Baldych nimmt für die Zugabe wieder seine Renaissance-Violine, zupft minutenlang, bis seine Band leise einsetzt – und wieder Ruhe einkehrt, bis hin zum gezupften Klavier. Die Orchestermusikerinnen und -musiker liegen sich in den Armen vor Freude. Im Parkett sitzt Billy Cobham und klatscht und klatscht und klatscht.

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