Jena/Schweinfurt Kindermord – Verdächtiger aus Schweinfurt in Haft

Lisa Forster,
Erinnerung an die getötete zehnjährige Ramona bei der Pressekonferenz von Polizei und Staatsanwaltschaft in Weimar am Mittwoch. Fotos: Michael Reichel/dpa Quelle: Unbekannt

Schweinfurt, Vogtland, Thüringen - ein 76 Jahre alter Mann steht im Verdacht, 1996 eine Zehnjährige getötet zu haben. Ins Visier der Ermittler geriet der Mann wegen der Arbeit der sogenannten Soko „Altfälle“. Diese Soko war im Zusammenhang mit dem Mordfall Peggy eingerichtet worden.

 
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Jena/Schweinfurt - Nach mehr als 20 Jahren hat die Thüringer Polizei nach Ermittlungen der Soko "Altfälle" nun einen dringend Tatverdächtigen für den Mord an der zehnjährigen Schülerin Ramona aus Jena festgenommen. Der 76 Jahre alte Mann stammt ursprünglich aus Jena, lebte im sächsischen Vogtland, und zwar in Mühltroff - einem Ortsteil der Stadt Pausa. 1999 war er in Schweinfurt für vier Fälle des Kindesmissbrauchs verurteilt worden, die an den Fall Ramona erinnern. Auslöser war der sexuelle Missbrauch einer zehnjährigen Schülerin aus dem unterfränkischen Großeibstadt Mitte Oktober 1997. Er habe das Kind beim Spielen mit vorgehaltener Pistole entführt, befand das Gericht. Die zwei Spielkameraden ließ er gefesselt zurück. Laut Urteil fuhr er das Mädchen mit dem Auto nach Thüringen, vergewaltigte es und setzte es nachts an einer Landstraße aus.

Soko "Altfälle"

Seit Herbst 2016 ermittelt die Sonderkommission "Altfälle" in den Mordfällen an drei Kindern aus den 1990er-Jahren aus Jena und Weimar. Die Soko wurde eingesetzt, nachdem am Fundort der getöteten Peggy eine DNA-Spur des mutmaßlichen NSU-Terroristen Uwe Böhnhardt entdeckt worden war. Er war bei Ermittlungen zum gewaltsamen Tod eines neunjährigen Jungen in Jena ins Visier der Ermittler geraten.

Die DNA-Spur erwies sich jedoch inzwischen als eine Verunreinigung bei der Spurensicherung.

Die Soko setzte ihre Arbeit unabhängig davon fort. Dafür wurden unter anderem etliche alte Akten digitalisiert, um sie für die Recherche leichter zugänglich zu machen.

Das Phantombild, das die Polizei dank der Angaben des Opfers anfertigen konnte, führte damals die Ermittler zu einer weiteren Tat nur neun Tage zuvor in Halle (Sachsen-Anhalt). In den abgelegenen Saale-Auen habe er zwei zwölfjährige Mädchen vergewaltigt und ihnen gedroht, sie mit einer Armbrust zu erschießen, wenn sie von dem Vorfall berichteten, steht im Urteil. Schließlich war bei den Ermittlungen auch noch die Vergewaltigung einer neunjährigen Schülerin im Oktober 1994 in Brandenburg ans Licht gekommen, die zwischen zwei Haftaufenthalten geschehen sei.

Zu den Tatvorwürfen im Fall Ramona äußerte sich der Mann zunächst nicht, wie Staatsanwalt Martin Zschächner in Weimar sagte. Die Staatsanwaltschaft geht von einem Mord aus, der eine andere Straftat verdecken sollte. Konkreter wollte Zschächner zunächst nicht werden. Möglich wäre zum Beispiel, dass der Mann damit einen sexuellen Übergriff vertuschen wollte.

Der Tod von Ramona Kraus hat den Ermittlern seit mehr als zwei Jahrzehnten Rätsel aufgegeben. Das Mädchen war Mitte August 1996 aus Jena verschwunden. Im Januar 1997 wurden ihre sterblichen Überreste dann etwa 130 Kilometer entfernt nahe der Grenze zu Hessen in einem Waldstück bei Treffurt im Wartburgkreis gefunden.

Es ist ein weiterer spektakulärer Erfolg der Soko "Altfälle", die seit Ende 2016 mehrere lange zurückliegende Tötungsverbrechen aufarbeitet. So wurde im vergangenen Jahr der Mord an der ebenfalls zehnjährigen Stefanie aus Weimar aufgeklärt, die 1991 von der Teufelstalbrücke an der A 4 geworfen worden war.

Die Ermittler berichteten am Mittwoch, wie der Fall Ramona noch einmal ganz von vorn aufgerollt worden war. Über 180 Aktenordner seien dafür zunächst digitalisiert und dann ausgewertet worden. Akribisch sei geprüft worden, wer sich damals in der Nähe des Ortes aufgehalten habe, an dem Ramona verschwand. Aus dieser Arbeit hätten sich zunächst 30, letztlich zwei Tatverdächtige herauskristallisiert, von denen aber einer ausgeschlossen werden konnte. Blieb noch der 76-Jährige.

Er habe 1996 nahe des Einkaufscenters in Jena gewohnt, wo Ramona das letzte Mal lebend gesehen wurde, sagte Staatsanwalt Zschächner. Möglicherweise hätten er und Ramona sich vom Sehen her gekannt. Die Polizei observierte den Mann. Schließlich sei er vergangene Woche angerufen und damit konfrontiert worden, dass man einen Haftbefehl gegen ihn habe, sagte Soko-Leiter Gerstberger. Man habe die Reaktion des Mannes beobachten wollen. Der 76-Jährige habe daraufhin sein Handy ausgeschaltet und weggeworfen.

Die Beamten überwachten den Mann weiterhin - und registrierten dabei nach eigenen Angaben Wissen über den Mordfall, das nur ein Tatbeteiligter gehabt haben kann. Wo oder wem gegenüber er dieses Wissen geäußert hatte, wollte die Polizei am Mittwoch nicht erläutern. Man habe auch andere Aufzeichnungsmöglichkeiten als Telefonate abzuhören, sagte Gerstberger. Schließlich lockten Polizisten den Mann am Dienstag nach Erfurt. "Wir haben ihn so gelenkt und geleitet, dass wir ihn letzten Endes in unserem Territorium festnehmen konnten", sagte Gerstberger. Staatsanwalt Zschächner bezeichnete die Arbeit der Soko "Altfälle" als großen Erfolg. Weitere Details wollten die Ermittler nicht preisgeben, das werde wohl erst in der Gerichtsverhandlung geschehen.

Der in der DDR aufgewachsene und 1965 in den Westen geflüchtete Mann hat schon viele Jahre in Gefängnissen verbracht - meist wegen Diebstahls, Betrugs und Hehlerei. 1988 war auch eine erste Verurteilung wegen eines Sexualdelikts hinzu gekommen. Nach den Taten unter anderem in Schweinfurt lautete das Urteil für den einstigen Fremdenlegionär auf die Höchststrafe von 15 Jahren Gefängnis mit anschließender Sicherungsverwahrung. Nach Verbüßen der Haftstrafe war der Mann in Sicherungsverwahrung gekommen. Aus dieser wurde er 2016 entlassen.

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