Jugendhilfeausschuss Angst, Verunsicherung und Verzweiflung

Günther Geiling
Der Jugendhilfeausschuss hatte sich am Montag mit den Auswirkungen der Corona-Pandemie auf die Kinder- und Jugendhilfe zu beschäftigen. Diese sind teilweise gravierend. Foto: picture alliance / Maurizio Gambarini/dpa/Maurizio Gambarini

Die Pandemie wirkt sich deutlich merkbar auf die Situation von Kindern und Jugendlichen aus. Aber auch getrennt lebende Paare hadern mit den Regelungen.

 
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Kreis Haßberge/Haßfurt - „Die Corona-Pandemie hat Auswirkungen auf alle Lebensbereiche und natürlich in besonderem Maße auch auf Kinder und Jugendliche sowie die Jugendhilfe. Familien geraten zunehmend unter Druck und an die Grenzen ihrer Belastbarkeit, in der Schule begegnet man Schulverweigerung.“ Mit diesen Worten beschrieb das Jugendamt im Jugendhilfeausschuss die Auswirkungen der Corona-Pandemie auf die Kinder- und Jugendhilfe. All dies bilde die Grundlagen für zunehmende psychische Belastungen und Erkrankungen wie Angststörungen, Aggressivität, Mediensucht bis hin zur Suizidalität.

Auch im Kreisjugendamt selbst seien alle Verwaltungs- und Fachbereiche der Jugendhilfe und der Jugendarbeit von der Pandemie betroffen, betonte stellvertretender Jugendamtsleiter Georg Greb. Mehraufwand entstehe durch die zeitweise Übernahme der Kita-Gebühren durch den Freistaat und der Fälle, die teilweise monatlich neu geändert werden müssen. Es seien Neuberechnungen der Kostenbeiträge durch den Bezug von Kurzarbeitergeld oder den Verlust des Arbeitsplatzes notwendig oder bei den Beistandschaften für die Regelungen zum „Corona-Kinderbonus“ neue Festsetzungen. In der Jugendarbeit mussten viele Maßnahmen abgesagt und neue Hygienekonzepte erarbeitet werden. Im gesamten Bereich der sogenannten Frühen Hilfen konnten Beratungsangebote und Netzwerktreffen teilweise nicht stattfinden.

Heike Kunzelmann beleuchtete die Auswirkungen besonders im Allgemeinen Sozialen Dienst (ASD) mit den Hilfen zur Erziehung, den Eingliederungshilfen für seelisch behinderte Kinder oder den Schutzauftrag bei Kindeswohlgefährdung. Gerade Kindern und Jugendlichen aus über die Jugendhilfe betreuten Familien sei anfänglich aufgrund fehlender oder mangelhafter technischer Ausstattung der Zugang zum digitalen Bildungsmaterial erschwert worden. Sie konnten den Anforderungen des Digitalunterrichts nur eingeschränkt nachkommen. Von den Eltern und Schülern werde aber auch selbst über völligen Verlust der Alltagsstrukturierung, Motivationsverlust bei gleichzeitiger Zunahme multimedialen Konsums berichtet.

Kunzelmann erwähnte aber auch, dass die Corona-Regularien zu einer Verunsicherung getrenntlebender Eltern führen, sodass eine Zunahme der Konflikte in Umgangs- und Sorgerechtsfragen beobachtet werde. Die Kontakt- und Umgangsbeschränkungen wirkten sich auch negativ auf die Akzeptanz von Jugendhilfemaßnahmen seitens der Eltern aus, vor allem, wenn es sich um Maßnahmen im Kontext von Kindeswohlgefährdung und Einschaltung des Familiengerichtes handelte. Trotz des monatelangen Wegfalls wichtiger Meldesysteme wie von Kitas und Schulen, sei es 2020 im Landkreis Haßberge zu einem Anstieg der Mitteilungen über Kindeswohlgefährdungen gekommen. Beim Kreisjugendamt gingen 108 Mitteilungen ein, von denen 182 Kinder und Jugendliche betroffen waren. 32 Kinder und Jugendliche seien vom Kreisjugendamt aufgrund einer akuten Gefahr in Obhut genommen worden, davon drei unbegleitete Minderjährige.

Heike Kunzelmann betonte, dass die Jugendhilfe über ein großes Portfolio an Hilfsmaßnahmen verfüge. Wenn dies umfassend genutzt würden, werde dies Auswirkungen auf den Jugendhilfehaushalt haben. In der Konsequenz müsste die Hilfe verlängert werden. Über Videokonferenzen könne man nicht das erbringen, was ein Jugendamt leisten müsse. Einen weiteren Lockdown könne man sich deswegen nicht leisten.

Landrat Wilhelm Schneider bezeichnete den Bericht als sehr ernüchternd. „Das wirft unsere Jugendlichen und Familien und auch uns stark zurück. Es ist aber erklärbar mit der Einschränkung der sozialen Kontakte.“ Das Jugendamt wolle auch künftig möglichst frühzeitig eingreifen.

Der stellvertretende Jugendamtsleiter Georg Greb ging dann auf einige Punkte des Geschäftsberichtes 2020 für das Jugendamt ein. Die Gebührenübernahme von Kindergarten, Kinderkrippe und Mittagsbetreuung sei zurückgegangen, was größtenteils auf den neuen staatlichen Zuschuss in Höhe von 100 Euro pro Monat pro Regelkind zurückzuführen sei. Auch der Rückgang der Flüchtlingszahlen habe sich dabei ausgewirkt. Ebenso seien im Unterhaltsrecht umfangreiche Gesetzesänderungen in Kraft getreten. Die Fallzahlen seien angestiegen und die Rückholquote zeige eine leichte Abwärtstendenz. Mit 22,51 Prozent liege man aber über dem Bundes- und Landesdurchschnitt. Die Leistungen zur Bildung und Teilhabe zum Mitmachen in den Bereichen Kultur, Sport und Freizeit bis zum Alter von 18 Jahren seien aufgrund des geringeren Angebotes während der Pandemie zurückgegangen. Projektleiter Markus Deißler informierte über den aktuellen Sachstand „Neues Sozialwesen im Landratsamt Haßberge“, das zum Ziel habe, die Bürgerfreundlichkeit zu erhöhen, die inneren Abläufe zu verbessern sowie die Digitalisierung und Transparenz in der Verwaltung zu steigern. Mit der Einführung des OK.JUS als einheitliche Software würden auch die Papierakten in elektonische Akten überführt. Dies bringe viele Vorteile wie die erleichterte Arbeit im Homeoffice, die erleichterte Vertretungsbearbeitung sowie Controlling- und Auswertungsmöglichkeiten.

Beschlossen wurden die Richtlinien über die Förderung in qualifizierter Tagespflege ab dem 1. Januar 2020, die bei einem zeitlichen Umfang von 40 Betreuungsstunden pro Woche und Kind erbracht werden: der Anerkennungsbeitrag für Kinder U 3 beträgt 440 Euro (bisher 400 Euro), der Anerkennungsbeitrag für Kinder mit Behinderung beläuft sich auf 990 Euro (bisher 900 Euro), Unfallversicherung 9,88 Euro, Alterssicherung 42,53 Euro, Ü 3- Sachaufwandspauschale 310 Euro.

Eine Änderung erfuhren auch die Richtlinien für den Bereich der Vollzeitpflege: Altersstufe bis zum sechsten Lebensjahr: Unterhaltsbedarf 567 Euro (bisher 534 Euro), Erziehungsbeitrag 350 Euro und Pflegepauschale 917 Euro (bisher 884 Euro); siebtes bis zwölftes Lebensjahr: Unterhaltsbedarf 683 Euro (bisher 644 Euro), Erziehungsbeitrag 350 Euro und Pflegepauschale 1 033 Euro (bisher 994 Euro); ab 13. Lebensjahr: Unterhaltsbedarf 837 Euro (bisher 790 Euro), Erziehungsbeitrag 350 Euro und Pflegepauschale 1 187 Euro (bisher 1 140 Euro).

Schließlich wurde Adina Krause (Leiterin der Beratungsstelle für Familien, Kinder, Jugendliche und Eltern) als stellvertretendes Mitglied des Caritasverbandes für den Landkreis Haßberge im Unterausschuss zum Jugendhilfeausschuss bestellt.

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