Kabinett Was bringt die Vorsorge-Offensive fürs Herz?

Von Sascha Meyer,
Minister Lauterbach will mehr Todesfälle durch Herzinfarkte vermeiden. Foto: Kay Nietfeld/dpa

Der Name ist Programm: Gesundes-Herz-Gesetz. Mit mehreren Maßnahmen soll die häufigste Todesursache in Deutschland nach Plänen der Bundesregierung öfter abgewendet werden - aber es gibt auch Kritik.

 
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Berlin - Eine stärkere Vorsorge mit regelmäßigen Checks soll viele Todesfälle durch Herz-Kreislauf-Erkrankungen wie Infarkte und Schlaganfälle verhindern. Das Bundeskabinett brachte Gesetzespläne von Gesundheitsminister Karl Lauterbach auf den Weg, die dafür zusätzliche Angebote zur Früherkennung und Vorsorge auf Kassenkosten vorsehen - beginnend bei Kindern, um angeborene Störungen zu finden. Das Gesetz werde "zahlreiche Menschenleben" retten, sagte der SPD-Politiker. Die Kassen warnten vor einer Gefährdung anderer Vorbeuge-Aktivitäten.

Lauterbach erläuterte: "Wir müssen die Gesundheit der Herzen besser schützen." Deutschland habe seit Jahren ein Problem mit zu vielen Herztoten. Es gebe immer wieder Aktionsprogramme und Aufrufe. Wichtige Risikofaktoren würden aber im Vergleich zu anderen Ländern zu spät erkannt und zu spät behandelt.

Der Entwurf sieht daher mehrere neue Maßnahmen vor. Nach viel Kritik an ersten Ansätzen zu Regelungen direkt per Gesetz soll der Gemeinsame Bundesausschuss von Ärzten, Krankenkassen und Kliniken nun bei der konkreten Umsetzung mitwirken.

Bei Kindern...

... soll die übliche und viel genutzte U9-Untersuchung im Alter von etwa fünf Jahren um den Anspruch erweitert werden, Tests auf Fettstoffwechsel-Erkrankungen mit zu viel Cholesterin im Blut zu machen. Zwischen 5.000 und 10.000 Kinder eines Jahrgangs hätten solche vererbten Störungen, die unbehandelt oft zu einem ersten Herzinfarkt mit 25 oder 35 führten, erläuterte der Minister. Diesen Kindern könnten dann Blutfett senkende Medikamente (Statine) verschrieben werden. Außerdem könnten gezielt weitere Angehörige auf solche angeborenen Risikofaktoren untersucht werden. 

Bei Jugendlichen...

... sollen die Krankenkassen verpflichtet werden, sie im Alter von 12 bis 14 Jahren zur bisher oft vergessenen Jugendgesundheitsuntersuchung (J1) einzuladen. Im Blick stehen sollen dabei etwa Informationen zu Risikoverhalten wie dem Rauchen. Früh zu identifizieren sein sollen dann auch beginnendes starkes Übergewicht, Bewegungsmangel oder Haltungsstörungen, wie Lauterbach deutlich machte.

Bei Erwachsenen...

... sollen schon angebotene Gesundheitsuntersuchungen um Check-ups für Herz-Kreislauf-Erkrankungen erweitert werden, und zwar im Alter von 25, 40 und 50 Jahren. Dabei soll auch das Cholesterin analysiert und bei erhöhten Werten eine Behandlung mit Statinen auf Kassenkosten geregelt werden. Der Gemeinsame Bundesausschuss bereite dazu eine neue Richtlinie vor, sagte Lauterbach.

Der Anspruch auf Medikamente, die beim Aufhören mit dem Rauchen helfen, soll nicht mehr auf "schwere" Abhängigkeit beschränkt und öfter als alle drei Jahre nutzbar sein. Geplant sind auch Gutscheine für Beratungen und Messungen in Apotheken.

Häufigste Todesursache 

Herz-Kreislauf-Erkrankungen sind Todesursache Nummer eins in Deutschland. Im vergangenen Jahr starben laut Statistischem Bundesamt 348.000 Menschen daran, das entspricht einem Drittel aller Verstorbenen. Und bei der Lebenserwartung liege Deutschland trotz hoher Gesundheitsausgaben mit 80,6 Jahren bezogen auf 2022 deutlich unter der in anderen westeuropäischen Ländern, erläuterte das Ministerium.

Zugleich entstehen Milliardenkosten für die Versorgung von Herz-Kreislauf-Fällen. Das Gesetz zielt daher auch darauf, diese Kosten zu senken. Im Entwurf taxiert das Ministerium mögliche Einsparungen auf mehrere Hundert Millionen Euro pro Jahr.

Von den Krankenkassen kam harsche Kritik. Mehr für die Prävention zu tun, sei richtig, erklärten die Allgemeinen Ortskrankenkassen (AOK). Mit den Maßnahmen sei die Ampel-Koalition aber "komplett auf dem Holzweg", warnte die Chefin des Bundesverbands, Carola Reimann. Statt neue Untersuchungen mit fragwürdigem Nutzen zu schaffen und wertvolle Präventionsangebote zu zerstören, solle das Gesetz eingestampft werden. Ein "kleiner Lichtblick" sei, dass der Gemeinsame Bundesausschuss des Gesundheitswesens stärker eingebunden werden soll.

Opposition fordert Kampagne zu Sport und Ernährung

Dessen Vorsitzender Josef Hecken sagte, am Ziel, Risikofaktoren von Herz-Kreislauf-Erkrankungen möglichst früh zu erkennen und zu bekämpfen, habe nie ein Zweifel bestanden. Nun stimme bei den Plänen auch der Weg wieder. "Die Gefahr, dass die Gesundheitsversorgung stärker in Richtung Staatsmedizin rückt, ist durch den neuen Entwurf zunächst einmal deutlich reduziert."

Unions-Fachpolitiker Tino Sorge (CDU) forderte, es wäre Zeit, eine "richtige Kampagne" für mehr Sport und gesunde Ernährung zu starten und etablierte Präventionsstrukturen auszubauen.

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