Kaminkehrer-Praktikum Glücksbringer mit guten Aussichten

Christian Licha

Der 14-jährige Tim Rottmann darf im Rahmen der „Jobentdecker“ in den Haßbergen den Menschen aufs Dach steigen: Für sein Praktikum bei Schornsteinfegemeister Jens Pickel darf er nur eins nicht haben – Höhenangst.

 
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Im wahrsten Sinne des Wortes „den Leuten aufs Dach steigen“ konnte der 14-jährige Tim Rottmann aus Oberschleichach zusammen mit Schornsteinfegermeister Jens Pickel aus Limbach. Der Realschüler nimmt zusammen mit zwei weiteren Jugendlichen an dem Jobentdecker-Projekt des Landkreises Haßberge teil, bei dem Mädchen und Jungen Berufe erkunden und ihre Erfahrungen mit anderen auf Instagram und der Homepage www.jobentdecker-hassberge.de teilen.

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Während den Sommerferien haben die Jobentdecker die Gelegenheit ein dreitägiges Kurzpraktikum bei teilnehmenden Betrieben ihrer Wahl zu machen. Tim Rottmann hatte bereits bei der Firma Maincor in Knetzgau in den Beruf des Verfahrenstechnikers hereingeschnuppert und im Kindergarten Prappach erfahren, was es heißt, als Erzieher tätig zu sein. Für sein drittes Praktikum wählte der Achtklässler den Betrieb von Schornsteinfegermeister Jens Pickel in Limbach aus. Der 44-Jährige ist seit 2015 selbstständig und bevollmächtigter Bezirksschornsteinfeger im Bezirk Haßberge 7, der sich am östlichen Rand des Landkreises Haßberge von Ebelsbach über Breitbrunn bis hinauf nach Rentweinsdorf erstreckt. Mit Frederik Schorn aus Rentweinsdorf steht ihm ein junger Schornsteinfegergeselle mit Meisterprüfung zur Seite, der seinen Beruf mit Begeisterung ausübt.

Während der drei Tage lernte Tim Rottmann die Aufgabengebiete eines Schornsteinfegers kennen. Da sind zum einen die gesetzlichen, hoheitlichen Aufgaben wie die Feuerstättenschau und die Abnahme von neuen Öfen und Heizungsanlagen. Natürlich muss auch der Schornstein gekehrt und die Werte der Abgas- und Lüftungsanlagen gemessen und überprüft werden. Dies gehört zu den freien Tätigkeiten, die auch eine Beratung vor der Anschaffung einer neuen Anlage umfasst.

Höchster Punkt: Schornstein

Einen schönen Blick in die Umgebung hatte Tim Rottmann bei einer Kundin in Rentweinsdorf. Das Wohnhaus dort hat ein Grasdach, auf dem man relativ leicht zum höchsten Punkt, dem Schornstein gelangen kann. Rund zehn Meter über dem Erdboden zeigt Schornsteinfeger Jens Pickel dem Schüler, wie man mit einer Kehrleine den Kamin von oben reinigt. Natürlich darf Tim auch selbst Hand anlegen und ausprobieren, wie das so funktioniert. Durch eine Reinigungsöffnung im Haus werden anschließend die Rußrückstände an der Kaminsohle mit einer Haspel entfernt. „Je nach Benutzung muss der Kamin ein bis vier Mal im Jahr gereinigt werden“, lernt der Jobentdecker, dem die eigenständige Arbeit, der Aufenthalt auch im Freien und der Kontakt mit Menschen am Beruf des Schornsteinfegers am besten gefällt.

Warum dieser so krisensicher ist, erklärt Jens Pickel: „Wir stellen den Brandschutz sicher und sorgen dafür, dass die Anlage richtig funktioniert.“ Bei zuviel Rückständen im Kamin kann es nämlich sein, dass der Rauch nicht richtig abzieht und im allerschlimmsten Fall zur Lebensgefahr werden kann. Und zwar dann, wenn es statt oben aus dem Haus, unten im Wohnzimmer raucht. Auch Kaminbrände können entstehen, wenn Ruß an den Schornsteinwangen das brennen anfängt. Aber auch eine falsche Bedienung der Luftdrosselung oder zu feuchtes Brennmaterial kann die Feuerwehr auf den Plan rufen, die dann auch immer einen Schornsteinfeger als Fachmann in das Geschehen mit einbezieht.

Blick ins Biomasse-Heizwerk

Im Biomasse-Heizwerk Rentweinsdorf ist eine weitere Station, die Tim Rottmann erkunden kann. Dort gibt es primär eine Hackschnitzelanlage, die Gebäude in der Umgebung mit Wärme versorgt. Daneben ist auch eine Ölheizung installiert, die im Notfall bei einem Defekt an der Hackschnitzelanlage einspringt, damit niemand im Kalten sitzen muss. Mit einer großen Leiter wird der Bereich unterhalb des Daches erklommen, von wo aus mit einem Stoßbesen der obere Bereich des Kamins und mit der Kehrleine der untere Bereich gereinigt wird. „Das Arbeiten in der Höhe macht mir nichts aus“, sagt Tim Rottmann, denn schwindelfrei sollte man in diesem Beruf schon sein. Ebenfalls einige Meter über dem Erdboden misst Geselle Frederik Schorn den Feinstaubgehalt am Verbindungsstück zwischen Heizung und Schornstein. Tim darf ihm assistieren und reicht ihm die Messlanze die Leiter hinauf. Mit einem angeschlossenen digitalen Messgerät lassen sich so die genauen Werte dokumentieren.

Selfie mit dem Glücksbringer

„Es ist ein tolles Gefühl von Beruf Glücksbringer zu sein“, sagen augenzwinkernd die beiden Schornsteinfeger. Gerade in ihrem ländlichen Kehrbezirk sei es aus alter Tradition noch üblich, dass dem Schornsteinfeger auf die Schulter geklopft oder am Knopf des Arbeitsanzuges gedreht werde. „Als moderne Variante kommt es auch vor, dass Leute ein Selfie mit mit als ‚Glücksbringer’ wollen“, lacht Frederik Schorn, der diesen Wunsch gerne den Kunden erfüllt.

Auch über die Rahmenbedingungen einer Schornsteinfeger-Ausbildung hat Jobentdecker Tim Rottmann so einiges erfahren. Die Berufsausbildung dauert drei Jahre und endet mit bestandener Gesellenprüfung. Neben der Arbeit im Betrieb, wird das theoretische Wissen in der Berufsschule im Blockunterricht gelehrt. Pro Jahr gibt es insgesamt drei Monate Schulunterricht in der Berufsschule Mühlbach im Altmühltal. Dort kommen alle Schornsteinfeger-Auszubildende aus Unter-, Ober- und Mittelfranken sowie der Oberpfalz zusammen. Im ersten Lehrjahr verdient ein Azubi rund 800 Euro brutto zuzüglich Weihnachtsgeld, Erstausstattung und einer arbeitgeberseitigen Zahlung in die Pensionskasse. Ein frisch ausgelernter Geselle kann dann später ab etwa 2300 Euro verdienen mit genügend Luft nach oben, je nach Lohnstufe. „Es gibt auch viele Frauen in unserem Beruf“, stellt Jens Pickel, der selbst in seinem Betrieb auch ausbildet, heraus. Dabei herrsche volle Gleichberechtigung, für die gleiche Arbeit gibt es das gleiche Geld: „Frauen sind bei uns voll anerkannt.“