Katholiken in Kronach Abschied von der Kirche

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Immer mehr Menschen in der Region entscheiden sich aktuell von der Kirche zu trennen. Ein Grund dafür ist wohl der jüngste Missbrauchsskandal um Papst Benedikt XVI. Foto: Andreas Wolfger

Seit Ende Januar steigt die Zahl der Kirchenaustritte in Deutschland deutlich an. Auch in der Region Kronach gehen deswegen derzeit immer mehr Bürger zu ihrem zuständigen Standesamt.

 
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Kronach - Insgesamt sind im vergangenen Jahr 490 Menschen im Landkreis Kronach aus der Kirche ausgetreten. Wie es aus manchen Standesämtern heißt, war 2021 damit bereits ein Jahr, in dem besonders viele Menschen sich zu diesem Schritt entschieden. Heuer droht der Mitgliederschwund für die Kirchen jedoch noch deutlich größer auszufallen, denn allein im vergangenen Januar trennten sich bereits 99 Bürger im Landkreis von der Kirche. Allein im Bereich des Standesamts Kronach traten 31 Personen aus der Kirche aus – 25 davon kehrten laut Standesamt der katholischen Kirche den Rücken.

„Bei uns sind im Januar z wölf Personen vorstellig geworden, um ihren Kirchenaustritt einzureichen“, berichtet René Hohnhaus, Standesbeamter in Küps. Zehn dieser Austritte seien aus der katholischen Kirche. Zahlreiche weitere Bürger hätten sich jedoch schon für den Februar angemeldet. „Wenn das so weitergeht, übersteigen wir die Zahl der Kirchenaustritte des vergangenen Jahres recht schnell“, erklärt er. 2021 hatten in der Gemeinde insgesamt 78 Bürger den Religionsgemeinschaften den Rücken gekehrt. „Wir erreichen heuer möglicherweise sogar die 100er-Marke“, sagt der Standesbeamte.

Ein ähnliches Bild beobachten auch die Mitarbeiter am Standesamt Stockheim. Hier traten im vergangenen Monat 13 Personen aus der Kirche aus. Zwölf davon kehrten der katholischen Kirche den Rücken. Im Vergleich dazu entschieden sich 2021 insgesamt nur 50 Stockheimer für einen Austritt – und im Jahr 2020 seien es lediglich 17 gewesen. „Alleine am vergangenen Donnerstag kamen sieben Bürger aus diesem Grund zu uns“, berichtet Standesbeamtin Julia Wilczek.

Und auch im aktuellen Monat würde das Thema noch viele interessieren. „Manche machen nicht direkt einen Termin, um ihren Austritt einzureichen, sondern wollen sich zunächst beraten lassen“, erklärt sie. Würden all dies Anrufer sich aber noch im Februar entscheiden, die Kirche zu verlassen, würde die Zahl der Austritte bereits vor Anfang März den Vorjahreswert übersteigen.

„Derartige Austrittswellen sind typisch, wenn kurz zuvor ein neuer Skandal bekannt geworden ist“, berichtet Andreas Buckreus vom Standesamt Marktrodach. So wie der Skandal um den emeritierten Papst Benedikt XVI., dem die Deckung von Sexualstraftätern vorgeworfen wird, welcher vor knapp über einer Woche bekannt wurde. Auch in Marktrodach habe man im Januar diesen Effekt spüren können – mit acht Austritten. Wenn zuvor kein Skandal aufgedeckt worden sei, bleibe die Zahl der Kirchenaustritte in einem Monat hingegen jedoch eher gering. So etwa habe es im gesamten Januar 2021 in Marktrodach keinen einzigen Kirchenaustritt gegeben.

„Dass es derzeit zu einer erhöhten Zahl an Austritten aus der katholischen Kirche kommt, ist uns bekannt“, erklärt Harry Luck, Pressesprecher des Erzbistums Bamberg, auf Anfrage der Neuen Presse. Dies sei infolge von Skandalen durchaus üblich, auch wenn diese sich nicht im Erzbistum Bamberg selbst abgespielt hätten. Wie viele Menschen genau sich seit der jüngsten Affäre von der Kirche abgewandt hätten, sei jedoch noch nicht bekannt. „Das erfahren wir immer erst mit großem zeitlichem Abstand“, berichtet Luck. Als Erstes werde der Kirchenaustritt von den Standesämtern nämlich an das Finanzamt mitgeteilt. „Für viele Menschen ist ein solcher Skandal lediglich der letzte Auslöser für einen Austritt nach einer lang andauernden Entfremdung“, betont der Pressesprecher des Erzbistums. Die derzeit aktuelle Affäre belaste jedoch auch viele Kirchenmitglieder, die bislang als wichtige Funktionsträger ihrer Kirchengemeinden gelten würden und sich engagierten. Um das Vertrauen wiederherstellen zu können, brauche die Kirche Erzbischof Schick zufolge eine grundlegende Reform.

„Nicht alle Kirchenaustritte lassen sich aber auf Skandale zurückführen“, berichtet Stefan Porzelt, Standesbeamter in Weißenbrunn. Hier traten im Januar fünf Personen aus der Kirche aus – im gesamten Jahr 2020 seien es lediglich sechs gewesen. Gerade in Zeiten der Pandemie habe manch einer möglicherweise auch auf seine Lohnabrechnung geschaut und beschlossen, künftig keine Kirchensteuer mehr zahlen zu wollen. Zudem würden in die Statistik der Austritte auch Übertritte von einer Religionsgemeinschaft in eine andere fallen. „Warum genau ein Mensch aus der Kirche austritt, dürfen wir als Standesbeamte gar nicht fragen“, betont er. Das sei eine private Angelegenheit. Als Standesbeamter erfasse man nur die Daten. Eine Erklärung für diese persönliche Entscheidung sei niemand schuldig.

Nicht alle Gemeinden im Landkreis sind gleichermaßen von der Austrittswelle betroffen. So gab es in Ludwigsstadt laut zuständigem Standesamt im Januar nur einen einzigen Kirchenaustritt. Im Jahr 2021 seien es 21 gewesen. „Das hängt vielleicht damit zusammen, dass Ludwigsstadt eher protestantisch geprägt ist“, berichtet Standesamtsleiter Bernd Leiter.

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