Kirchen in der Heiz-Krise Decke statt Heizung

Wolfgang Aull

Die Energiekrise aufgrund des Ukraine-Krieges hat auch Einfluss auf die Gottesdienste zur Winterszeit. In der Region gehen die Kirchen das Problem unterschiedlich an.

 
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Für die Bundesregierung steht fest: zur Vermeidung einer Notsituation bei der Energieversorgung im Winter kommt es wesentlich darauf an, Gas und Strom einzusparen. Diese Herausforderung möchten das Bistum Würzburg und das Landeskirchenamt der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern gemeinsam mit den Kirchengemeinden meistern. Doch wie sehen die Pläne konkret aus, wenn die Temperaturen fallen? Wir haben nachgefragt, was dies für die Kirchgänger im Landkreis Haßberge bedeuten könnte. Hintergrund für ein neu definiertes verantwortungsbewusstes Temperieren von Kirchen im Winter 2022/2023 seien, schreibt das Bistum Würzburg, die aktuellen politischen, gesellschaftlichen, ökonomischen und klimatischen Entwicklungen. An erster Stelle stünde die Herausforderung, Energieverbrauch und somit Kosten möglichst weit zu senken. „Wichtiges Ziel ist aber auch der Klimaschutz. Wenn wir alle zusammen die Klimaschutzziele erreichen wollen, müssen wir die unverminderte Verbrennung der fossilen Brennstoffe Gas und Öl unbedingt stoppen.“ Die Evangelisch-Lutherische Kirche argumentiert ebenfalls mit der Kostenlast, die als Folge des Krieges in der Ukraine zu erwarten sei: „Fest steht, dass wir alle, und somit auch unsere (Gesamt-)Kirchengemeinden und Dekanatsbezirke, mit deutlich höheren Preisen für die Strom- und Wärmeversorgung für diesen Winter rechnen müssen.“ Und das führe dazu, „dass wir sowohl aus eigenem Interesse als auch aus gesellschaftlicher Verantwortung alle Möglichkeiten zum Energiesparen nutzen sollten.“

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Dekan Christian Lutz, Pfarrer in der Pfarreiengemeinschaft Theres, knüpft den Gedankenfaden weiter: „Alles ist finanziell durchorganisiert, und dementsprechend hat uns mittelbar tatsächlich der Kostendruck zum Handeln getrieben.“ Doch Geld könne nie die ultimative Triebfeder sein, nie Grund, den ethischen Anspruch hinten anzustellen. Dieser sei die Ehrfurcht vor Schöpfung Gottes und der verantwortungsbewusste Umgang mit unserer Erde. Denn „genau das wurde der Glaubensgemeinschaft ans Herz gelegt.“ Und hierzu gehöre ganz wesentlich der Klimaschutz, als Bewahrung unseres Lebensraumes: „Klimapolitik ist Menschenrechtspolitik.“ Mit Sorge beobachte er die Verflechtung von Wirtschaft und Politik, die einem zügigen Ausstieg aus Öl und Gas im Wege stünde: „Lobbyismus ist Korruption.“

In vielen Kirchen, schreibt das Bistum Würzburg, sei zum Zeitpunkt der Errichtung eine Beheizung nicht vorgesehen gewesen, aus Gründen der Behaglichkeit sei es jedoch oft zur gängigen Praxis geworden, den Innenraum im Winterhalbjahr dauerhaft zu temperieren. Dies führe jedoch zu „immensen Energieverbräuchen.“ Und wofür? Es habe die Erfahrung gemacht, dass die Raumtemperatur der Kirchen nicht unbedingt Einfluss auf die Anzahl der Besucher nimmt. Entscheidend für einen erfolgreichen Gottesdiensten sei die Temperatur nicht.

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Claudia Winterstein, Pfarrerin der evangelisch-lutherischen Kirchengemeinde Zeil, kann dies bestätigen: „Für mich als ehemalige Dorfpfarrerin war das sonntags völlig normal: eine kalte Kirche und auch anschließendes Bibbern.“ Der Wechsel nach Zeil am Main in die schön warme Himmelfahrtskirche habe ihr ein echtes Luxusgefühl gebracht, schön kuschelig wäre es bei Gottesdiensten und sonstigen Veranstaltungen gewesen. Hiermit sei jetzt Schluss: „Die hohen Energiepreise und überhaupt die immer knapper werdende Energie zwingen auch uns zum Sparen.“ Doch frieren soll möglichst niemand: „Ziehen Sie sich schön warm an“ ist ihr Tipp, aber sie hat auch einen Plan B: 20 Fleecedecken „für die Zeit, in der es in unserer Kirche kalt sein wird.“ Das Einsparungsvolumen wird Winterstein erst im Nachhinein ermitteln können, da die Daten in Bamberg verwaltet werden.

Noch eine Änderung hat sie durchgesetzt: Die Gruppe „Auszeit“ traf sich immer am Abend in der Kirche, jetzt nach der Bürozeit im Gemeindehaus. „Dann braucht man nur einmal zu heizen.“ Eine bessere Lösung wäre in Aussicht: „Wir bauen gerade ein Gemeindehaus mit modernsten energetischen Standards, dort richten wir eine Winterkirche ein.“ Damit geht sie einher mit einer Empfehlung des Landeskirchenamtes der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern: „Gottesdienst im Gemeindehaus oder kleineren Gottesdiensträumen, Kapellen etc. statt in der aufwendig zu beheizenden großen Kirche.“

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Gottesdienst im Gemeindehaus wird in der evangelisch-lutherischen Kirchengemeinde Ebern bereits seit vielen Jahren praktiziert. Für 30 bis 40 Gottesdienstbesucher, berichtet Vertrauensfrau Anne Scharpf, sei ausreichend Platz. Ohne Zahlen zu kennen, ist sie sicher: „Wir sparen enorm an Energiekosten.“ Dies werde auch in der Christuskirche so kommen, die sich gerade in einer Sanierungsphase befindet. „Aktuell bauen wir“, erklärt ihre Vorstandskollegin Katrin Ruppert, „eine neue Sitzheizung ein, mit individuell steuerbarer Technik“. Sie hätten das Gebäude außen gedämmt, neue, zeitgemäße Fenster eingebaut. An Weihnachten sei etwas ganz Besonderes geplant: „Gottesdienst im Rathaushof, wo die Krippe aufgebaut ist.“ Ebenfalls den Weihnachtsgottesdienst im Freien feiern wird die katholische Kirchengemeinde in Gädheim. Hiervon war die Gemeinde im vergangenen Jahr angetan, berichtet Pfarrer Lutz, dass sie in diesen Winter wiederholt, was damals coronabedingt unabdingbar war.

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Pfarrer Stephan Eschenbacher leitet die Pfarreiengemeinschaft St. Kilian in Haßfurt; er schreibt, derzeit sei die Devise, dass sie die Heizung nicht gänzlich abstellen, aber reduziert heizen, also beispielsweise nur unmittelbar während der Gottesdienstzeiten. In die gleiche Richtung geht nach Angaben von Cornelia Winterstein-Bötsch die evangelisch-lutherische Kirchengemeinde Gleisenau. Deren Umweltbeauftragte bringt auf den Punkt: „Komplett auf die Heizung verzichten, trauen wir uns nicht: Der Gottesdienstbesuch ist ohnehin schon nicht so stark, wenn dann die Temperaturen noch so kalt sind, haben wir Angst, die wenigen, die noch kommen, auch noch zu verlieren.“ Jedoch, in den drei Kirchen, alle mit elektrischer Bankheizung ausgestattet, würde die Heizzeit verkürzt und die zu beheizenden Bankreihen an die Besucherzahl angepasst. „Wir schalten die Bankheizung zehn bis fünfzehn Minuten vor Gottesdienstbeginn ein und rund dreißig Minuten nach Beginn wieder aus.“

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„Bei uns ist es so“ erklärt Pfarrer Eschenbacher, „dass die Kirchenverwaltungen festlegen, wie im Winter die Kirchen geheizt werden.“ Was auch der Grund dafür sei, ergänzt Dekan Dr. Christian Lutz, „dass es keine einheitlichen Regelungen gibt.“ Für Katrin Ruppert ist wichtig, dass das Ziel der Energieeinsparung nach dem Winter 2022/2023 nicht wieder verloren geht, dass sich nachhaltiges Handeln als eine langfristig selbstverständliche Strategie in Kirchenkreisen einbürgert. Sie setzt hierfür auf Kommunikation, man müsse Ideen anhören, Möglichkeiten ausloten. Ihre Prognose, allerdings erst nach Corona, lautet: „Wenn nur noch die vorderen Sitzreihen geheizt werden, rücken wir alle näher zusammen.“

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