Klimaschutz-Debatte Wie aus Visionen Taten werden

Sie reden nicht nur vom Klimaschutz: Matthias Schöring, Dietrich Pax, Helena Lakemann und Gisela Raab (von links) setzen sich umweltgerechtes Leben und Wirtschaften ein. Foto: /Dieter Ungelenk

„Können wir Zukunft?“ Bei der Podiumsdiskussion über Wege aus der Klimakrise im Haus Contakt überwiegen die zuversichtlichen Signale. Aber allen ist klar: Die Zeit drängt

 
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Coburg - Eine Unternehmerin plädiert gegen Wachstum, ein Öko-Landwirt outet sich als Kapitalist und ein Kommunalpolitiker rät, Kommunalpolitiker zu nerven. Da sage noch mal wer, bei Klimadebatten käme eh nichts Neues heraus. Gewiss: Das Patentrezept zur raschen Rettung der Welt zieht auch an diesem Montagabend keiner aus der Tasche – aber es leuchten Hoffnungsschimmer auf. Die Titelfrage „Können wir Zukunft?“ beantwortet ein mehrstimmiges Ja, das keineswegs nach Zweckoptimismus klingt.

Genau darum haben Bund Naturschutz und Evangelisches Bildungswerk zur Diskussion ins Haus Contakt geladen, genau darum begrüßt der Moderator Reinhard Heinritz sechs Praktiker/innen auf dem imaginären Podium, Menschen, die handfest dazu beitragen, die Erde bewohnbar zu erhalten. Es geht nicht um Parteipolitik, stellt Heinritz klar, es geht ihm um Perspektiven, um Ermutigung, um Signale gegen Verunsicherung und Resignation.

Das ist auch das Anliegen seines Buches „Du bist ein Teil des Ganzen“, das vor wenigen Wochen erschienen ist. Die positiven Beispiele für nachhaltiges Wirtschaften, solidarisches Handeln und Widerstand gegen Umweltzerstörung, die er dort auflistet, hat er nun in persona eingeladen, vom Förster bis zur „Fridays For Future“-Aktivistin. „Was geht schon alles? Und was könnte noch besser gehen?“ fragt er in die Runde.

Dass in Sachen Klimaschutz bereits mehr geht, als Skeptiker glauben, aber viel weniger, als mit vereinten Kräften möglich wäre, klingt vielfach an in diesen 100 Minuten. Vor allem Helena Lakemann nimmt alle in die Pflicht: „Wir können sehr viel mehr als Wählen gehen“ , erklärt die Coburger Sprecherin von „Fridays For Future“. Mit 400 Demonstrationen in ganz Deutschland – auch in Coburg – wird die Initiative am kommenden Freitag der Forderung nach wirkungsvollem Klimaschutz Nachdruck verleihen. Lakemann macht klar, wie eng die Klimakatastrophe mit globaler Ungerechtigkeit und Bedrohung der Demokratie zusammenhängt. Und sie zitiert den Weltklimarat, der 300 Millionen Klimaflüchtlinge prognostiziert, wenn der Klimawandel nicht sehr schnell gebremst wird.

Dietrich Pax bemüht sich darum schon seit 40 Jahren: Der Coburger Bio-Landwirt und „Öko-Lobbyist“ rechnet vor, dass die deutsche Landwirtschaft jährlich 20 Milliarden Euro erwirtschaftet – und 90 Milliarden Umweltschäden anrichtet. „Das kann man ändern!“ versichert Pax und zeigt Wege auf, seine Zunft vom Klimakiller zum Klimaretter zu machen – etwa durch CO2-Bindung im Humus. Sogar den Kapitalismus spannt er vor den Öko-Karren: als Vorstand einer Bürger-AG, die ökologisch sinnvolle Projekte fördert und zur Kreditwürdigkeit verhilft.

Die heiligen Kuh der Marktwirtschaft hat Gisela Raab vom Hof gejagt, genauer gesagt aus ihrem Ebensfelder Bauunternehmen: Weil sie weiß, das unbegrenztes Wachstum nicht möglich ist, setzt die Chefin von 220 Mitarbeitern auf Klasse statt Masse: „Wir wollten nicht größer werden, sondern besser“. Die Baubiologin, die sich schon in den 90er-Jahren im Rahmen der Agenda 21 umweltpolitisch engagierte, sieht im Bereich des ökologischen Bauens noch viel ungenutztes Potenzial: „Wir könnten mehr tun, wenn Bevölkerung und Politik es wollten“.

Es bedarf noch erheblicher Überzeugungsarbeit, das weiß auch Christian Gunsenheimer, der Klimabeauftragte des Landkreises Coburg: „Wir müssen 80 Prozent der Menschen mitnehmen, wenn wir die Schalter umlegen wollen“. Immerhin: In acht der 17 Landkreis-Gemeinden gibt es mittlerweile Klimaschutz-Beiräte, parteiübergreifend wächst das Problembewusstsein und damit das Verantwortungsgefühl, meint Gunsenheimer. An die Bürgerinnen und Bürger appelliert er, ihre Einflussmöglichkeiten besser zu nutzen und Politiker vor Ort immer wieder an deren Versprechungen zu erinnern.

Wolfgang Weiß, sein früherer Amtskollege in der Stadt, unterstreicht, dass Bürgerbeteiligung auch ein Mitwirkungsrecht beinhalten muss – auch er hat, wie Gisela Raab im Agenda 21-Prozess miterleben müssen, wie Arbeitskreise sich totliefen und Ideen verpufften. Als Förster kennt Weiß die dramatischen Auswirkungen der Umweltzerstörung genau – und sieht seine Aufgabe darin, die Schäden zu reparieren und weitere Zerstörung zu verhindern, um das wertvolle Erbe Natur an die nächsten Generationen weiterzugeben. „Nachhaltige Forstwirtschaft funktioniert“, betont Weiß – und plädiert dafür, diese Erfahrungen auf Industrie und Gewerbe zu übertragen. Als Waldpädagoge versteht Weiß den Forst nicht nur als Lebensraum und Rohstofflieferant, sondern auch als idealen Lernort, um ein Grundverständnis für ökologische Zusammenhänge zu entwickeln. Auch in der digitalen Ära hat das noch seinen Reiz, versichert Weiß: „Die Kinder sind sehr interessiert!“

Wie in Coburgs Nachbarschaft aus hehren Prinzipien Taten werden, schildert Matthias Schöring von „Transition Bamberg“. Das Netzwerk verbindet und bestärkt Menschen, die eine solidarische und nachhaltige Gesellschaft aktiv gestalten möchten. Die Bandbreite geht von der Initiative „Essbare Stadt“ bis hin zum Carsharing, das der kommerziellen Konkurrenz erfolgreich Paroli bietet. Ganz ohne Profitstreben, Marketing und Hierarchien.

Schlechte Noten gibt’s am Ende aus dem Publikum für die Stadt Coburg: „Das Klimakonzept besteht aus leeren Sätzen“, meint Wolfgang Andrich, der als umweltbewusster Bauherr „Ignoranz und Rechtsbruch“ der Behörden anklagt. Doch auch ein positives Beispiel ist vor Ort: Alexander Engelhardt betreibt sein Stadthaus nach der Generalsanierung klimaneutral.

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